DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
19-10-2025 10:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 19.10.2025 um 10.30 UTC
Sturmtief im Anmarsch und mit viel Regen im Gepäck! Ab dem Wochenende spürbar
kühler.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 26.10.2025
Der Blick auf das IFS-EPS zeigt eindrucksvoll den unbeständigen Wettercharakter.
Im Detail startet der mittelfristige Zeitraum am kommenden Mittwoch mit einem
Langwellentrog, der sich über dem gesamten Nordostatlantik sowie dem westlichen
Skandinavien erstreckt und nach Süden bis nach Frankreich und Deutschland
amplifiziert. Einhergehend liegt Deutschland in einer stark zyklonalen geprägten
westlichen Grundströmung. Am Boden korrelieren die Drehzentren in der Höhe mit
einem Tiefdruckkomplex. Ausgehend von diesem schlängelt sich ein teils
okkludierter Frontenzug über Mitteleuropa hinweg bis zum Atlantik. Hierzulande
liegt die Luftmassengrenze über der südlichen Mitte. Zudem sind über Frankreich
und dem Ostatlantik Randtiefs an die Luftmassengrenze in die Strömung
eingebettet. Vor allem das Tief westlich der Bretagne, welches zu einem
markanten Kurzwellentrog südwestlich von Island gehört, erweck Aufmerksamkeit.
Im weiteren Verlauf bis in die Nacht zum Samstag kann der benannte
Kurzwellentrog unter Verkürzung der Wellenlänge und stärker Amplifizierung
zunächst die Britischen Inseln erfassen. Nachfolgend setzt ein
Abschnürungsprozess ein. Das resultierende, eigenständigen Höhentief zieht dabei
über die Niederlande, die deutsche Nordseeküste und die westliche Ostsee hinweg
zum Baltikum. Bodennah kann sich durch starke PVA auf der Vorderseite des Troges
ein veritables Sturmtief entwickeln, welches ebenfalls entlang der
niederländischen und deutschen Nordseeküste und über Schleswig-Holstein hinweg
in die westliche Ostsee driftet. Dabei hat das Tief im Umfeld der Zugbahn sowie
auf der Süd- bis Südwestflanke kräftige Regenfälle im Programm. Zudem sorgt die
Gradientverschärfung auf der Südwestflanke des hochreichenden Tiefs für eine
recht zonale Ausrichtung des Jets und entsprechend vor allem in der Südhälfte
Deutschlands, über Frankreich und dem Alpenraum stürmisch auflebenden Wind.
Dabei könnte die Mitte und der Süden Deutschlands von Sturmböen oder schweren
Sturmböen, gebietsweise auch orkanartigen Böen überzogen werden. Bezüglich der
Luftmassen wird die milde bis sehr milde Luft rasch durch Luft polaren Ursprungs
ersetzt. Lagen die Temperaturen in 850 hPa in der Nacht zum Donnerstag von Nord
nach Süd noch zwischen 5 und 14 Grad, so sollen diese bis Freitagfrüh auf -2 bis
+6 Grad sinken. Bis Samstagmorgen verharren die Temperaturen schließlich
zunächst auf diesem Niveau.
Am Samstag kann über der Ostsee schließlich ein markantes Höhentief wirbeln,
welches über Skandinavien einen großräumigen Tiefdruckkomplex mit mehreren
Drehzentren produziert. Deutschland liegt resultierend auf der Südwestflanke des
Komplexes in einer nordwestlichen Strömung. Das die vom Tiefdruckkomplex
angezapfte kalte Polarluft nicht zügig nach Deutschland vorstößt bzw. der
Nachschub vorübergehend abbricht, kann mit einem Randtrog samt kleinräumigen
Bodentief über Cornwall begründet werden, welches die Kaltluft ausbremst. Da das
kleine Tief unter Abschwächung nach Westfrankreich wandert, wird die Bremse
gelöst und die erwärmte Polarluft kann Deutschland nahezu komplett fluten.
Nachfolgend sind auf 850 hPa Temperaturen von -4 bis +4 Grad zu verzeichnen. Im
Übergang zur erweiterten Mittelfrist in der Nacht zum Montag könnten die Werte
mit Durchzug eines bodennahen Kurzwellentroges, der von einem kleinen Höhentief
über Norddeutschland getriggert wird, noch etwas weiter in den Keller sinken und
in der Fläche -4 bis +1 Grad erreichen. Der Wind schwächt sich im Vergleich zum
Donnerstag und Freitag zwar deutlich ab, ist aber vor allem an der See und in
der Nordosthälfte des Landes noch stark bis stürmisch unterwegs.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die großskalige Geopotential- und Luftdruckverteilung wird von den vergangenen
IFS-Läufen vergleichbar simuliert. Im Detail ergeben sich aber gleich zu Beginn
bezüglich der neuesten Berechnungen und den gestrigen Läufen signifikante
Unterschiede.
Demnach soll ein Randtief schneller und auf einer südlicheren Bahn, als in den
vergangenen Läufen gezeigt, über Südengland, den Niederanden,
Nordwestdeutschland und die westliche Ostsee hinweg nach Südschweden ziehen.
Entgegen der Vorläufe, die das Tief über der Nordsee deutlich stärker im
Programm hatten, würde es beim aktuellen Lauf über Land etwas schwächer
daherkommen. Aufgrund der Phasenverschiebung der durchziehenden Fronten sowie
auch der Abweichungen bei der Zugbahn, werden auch de potentiellen Niederschläge
räumlich und zeitlich zwischen der neusten Berechnungen und den gestrigen Läufen
in Mitteleuropa wenig konsistent abgebildet.
Nach Abzug des Sturmtiefs gleichen sich die vergangenen IFS-Läufe wieder an,
wobei der neuste Lauf entgegen der Vorläufe am Samstag den Kurzwellentrog
deutlich später von Westen übergreifen lässt. Wie stark die Kaltluftzufuhr in
Deutschland auf der Rückseite des Tiefdruckkomplexes über Skandinavien ausfällt,
hängt auch mit der Entwicklung von einem kleinräumigen Tief über der Nordsee
bzw. Dänemark zusammen, die derzeit noch nicht einheitlich gesehen wird.
Insgesamt zeigt der neuste Lauf von Freitag bis Sonntag die kühlste Variante.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Analog zu der Betrachtung der vergangenen IFS-Läufe weisen auch die
verschiedenen Globalmodelle (ICON, GFS, UK10, IFS) schon zu Beginn des
mittelfristigen Zeitraum ab Mittwoch signifikante Unterschiede auf. Zwar bleiben
die großskligen Verteilungen vergleichbar, durch Phasen- und
Amplitudenabweichungen ergeben sich aber rasch markante Unterschiede im Detail.
Demnach simulieren vor allem ICON und GFS eine deutlich nördlichere Entwicklung
des Sturmtiefs, während UK10 das IFS stützt, aber etwas später dran ist. Nach
ICON und GFS wäre vor allem das Nordseeumfeld und allenfalls noch der Nordwesten
Deutschlands vom Sturm tangiert. Das restlichen Bundesgebiet wäre weitgehend
raus. Das UK10 hätte dagegen analog zum IFS die Mitte und den Süden des Landes
im Visier, wobei der Scherpunkt geringfügig weiter nördlich als bei den
Europäern läge. Wie beim Wind würden sich durch die abweichende Zugbahn und
Phasenunterschiede bei der Verlagerung von Tiefs und deren Fronten auch
räumliche und zeitliche Unterschiede bei der Niederschlagsverteilung ergeben,
wenngleich das UK10 eine zum IFS vergleichbare Einordnung aufweist. Ab Samstag
gleichen sich die Modelle bei der räumlichen Einordnung potentieller
Niederschläge wieder an und beschreiben vergleichbare Verteilungen und
Intensitäten. Bei den Temperaturen ist das UK10 sogar noch etwas aggressiver und
lässt z.B. die 0-Grad Marke in 850 hPa rascher und weiter nach Süden ausgreifen.
ICON und GFS hinken IFS und UK10 hinterher. Am Sonntag beschreiben schließlich
IFS, Uk10 und GFS eine ähnliche Temperaturverteilung über West- und
Mitteleuropa, das ICON lässt die kühlere Luft etwas weniger deutlich nach Süden
vorankommen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen verschiedener Städte in Deutschland starten bei einem recht
geringen Spread der Temperatur in 850 hPa und Geopotential in 500 hPa mit einer
hohen Vorhersagegüte.
Ab Donnerstag wird der EPS-Raum des IFS sowohl bei der Temperatur als auch beim
Geopotential stark aufgespannt. Verantwortlich für die größeren Unsicherheiten
ist die Entwicklung des Sturmtiefs. Die Mehrzahl der Member zeigt dabei zunächst
ein deutliches Ansteigen der Temperatur und danach ein signifikanter Absturz
dieser. Die Unsicherheiten belaufen sich dabei auf die Höhe des Anstiegs sowie
dem Zeitpunkt des Absinkens. Die Unterschiede führen schließlich zu einem Spread
von 14 bis 18 Grad in der Nacht zum Freitag. Ab Samstag nehmen die Unterschiede
zwar wieder ab, dennoch spannen die Member einen Raum zwischen -5 und +8 Grad
auf, wobei der Spread im Norden geringer ausfällt als in der Mitte und im Süden.
Beim Geopotential beschreibt ebenfalls der Zeitpunkt des Übergreifens sowie die
Intensität des Sturmtiefs die größte Unsicherheit dar. Nach einem leicht
abnehmenden Spread am Samstag, wird der EPS-Raum des Geopotentials ab Sonntag
aber erneut stark aufgespannt, sodass kaum noch eine seriöse Aussage möglich
ist.
Bei der Einordnung der EPS-Member in übergeordnete Strukturen werden im Zeitraum
von +72 bis +96h zwei Lösungen benötigt, um alle Unsicherheiten ausreichend zu
erklären. Alle Cluster werden dabei dem Schema einer positiven NAO zugeordnet.
Cluster 1 mit Haupt- und Kontrolllauf lässt den markanten Kurzwellentrog rasch
ostwärts schwenken. Resultierend gelangt Deutschland schneller in dessen
Einflussbereich. Der Rücken über Südwesteuropa wird signifikant abgehobelt und
das eigenständiges Höhentief über dem Atlantik ortsfest zurückgelassen. Bei der
zweiten Lösung wird das Höhentief über dem Atlantik in die Strömung aufgenommen.
Resultierend wird die ostwärtige Verlagerung des weniger markanten
Kurzwellentroges ausgebremst. Deutschland käme zeitlich später und räumlich
weniger stark in dessen Einflussbereich. Gleichzeitig könnte sich der Rücken
vorderseitig nochmals bis nach Frankreich und Deutschland aufbaumen. Insgesamt
verfügt das erste Cluster mit 29 Member aber nur über einen geringfügig höheren
Zuspruch als Cluster 2 mit 22 Mitgliedern.
Im Zeitraum von +120 bis +168h beschreiben drei Cluster die Unsicherheiten im
EPS-Raum. Während die ersten beiden Lösungen vom Schema einer negativen NAO zum
atlantischen Rücken wechseln, wechselt das dritte Cluster vom Schema einer pos.
NAO zum atlantischen Rücken. Haupt- und Kontrolllauf werden erneut dem ersten
Cluster mit insgesamt 24 Member zugeordnet. Die zweite Lösung zeigt mit seinen
22 Mitgliedern nur geringe Abweichungen zur ersten Lösung. Unterschiede sind
demnach vor allem bei der Intensität des Höhentiefs und des Troges sowie die
Phasen der Kurzwellentröge und kurzwelligen Anteile zu verzeichnen. Bei dem
zweiten Cluster ist z.B. der Randtrog bei den Britischen Inseln samt Bodentief
nicht aufgeführt, sodass die kühlere Luft rascher und wohl auch etwas intensiver
Deutschland erreichen und fluten würde. Die dritte Lösungen mit 5 Mitglieder
stützt die Vorgabe des ICONs. Der Trog läuft nördlicher ab und ist auch weniger
stark nach Süden amplifiziert.
In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h wird nur noch eine Lösung
benötigt, um alle Unsicherheiten zu beschreiben. Dieses Cluster wird zunächst
dem Schema eines atlantischen Rückens zugeordnet und wechselt am Ende zur pos.
NAO. Demnach wäre die Kaltluftzufuhr nur ein vorübergehendes Phänomen. Zur
Wochenmitte würde wieder mildere Atlantikluft nach Mitteleuropa gelangen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Es geht hoch her! Der EFI des ECMWF zeigt am Donnerstag und Freitag bezüglich
des Modellklimas nahezu landesweit teils stark überdurchschnittliche
Windgeschwindigkeiten. Am Samstag beschränken sich die überdurchschnittlichen
Windspitzen auf den Osten des Landes. Des Weiteren weist der EFI auch beim
Niederschlag am Donnerstag im Nordseeumfeld, dem Nordwesten und Teilen des
Mittelgebirgsraums auf überdurchschnittliche Bedingungen hin. Am Freitag sind
nur noch an der Nordsee höhere Werte zu verzeichnen.
Von Seiten der Probabilistik gibt es bezüglich Wind und Regen ebenfalls
deutliche Hinweise für eine signifikante Warnlage.
Am Mittwoch auf dem Brocken und dem Feldberg erste stürmische Böen. Sonst gibt s
nur auf den Nordseeinseln schon geringe Hinweise bis 10% Wahrscheinlichkeit für
markante Böen. Bezüglich warnwürdiger Regenmengen haben ICON und IFS im
Südschwarzwald den Vogesen und Teilen des Hochrheinumfeldes Wahrscheinlichkeiten
von bis zu 25% für das Überschreiten von 30 l/m²/24h im Programm. Das C-LEPS
zeigt lokal begrenzt sogar geringe Werte für ergiebigen Dauerregen über 50
l/m²/24h.
Am Donnerstag werden bis auf einzelne Regionen im Osten von West nach Ost
verbreitet 15 bis 80%, in Hochlagen bis 100% Wahrscheinlichkeit für stürmische
Böen oder Sturmböen simuliert. Im Nordseeumfeld sind zudem 10 bis 20% für
orkanartige Böen zu verzeichnen. Grundsätzlich zeigt die Probabilistik aufgrund
der Unsicherheiten bei der räumlichen Einordnung des Ereignisses noch ein
verwaschenes Bild. Die Deterministik dagegen setzt die Windpsitzen höher an.
Demnach wären vor allem im Westen und der Mitte sowie in Teilen Süddeutschland
Sturmböen oder schwere Sturmböen Bft 9-10, gebietsweise auch orkanartige Böen
Bft 11 möglich. Sonst könnten stürmische Böen und vereinzelte Sturmböen Bft 8-9
auftreten. In Nordfriesland werden lokal Orkanböen Bft 12 abgebildet. Auch beim
Niederschlag ist etwas im Busch. Von der Probabilistik werden vor allem im
Nordwesten und Westen gebietsweise sowie in Staulagen geringe
Wahrscheinlichkeiten von 10 bis 30% für Dauerregen gezeigt. Das C-Leps gibt
zudem erneut geringe Hinweise, dass lokal auch ergiebiger Dauerregen möglich
wäre. Auch bezüglich des Niederschlag zeigt die Deterministik das Potential
deutlicher, indem es modellabhängig irgendwo Streifen mit Dauerregenmengen
simuliert. Am deutlichsten ist dabei das IFS mit 30 bis 70 l/m²/24h von den
Niederlanden bis nach Sachsen-Anhalt.
Am Freitag weist die Probabilistik erneut verbreitet Wahrscheinlichkeiten von 10
bis 60, in der Nordhälfte gebietsweise bis 80% für stürmische Böen oder
Sturmböen aus. Im Küstenumfeld und über großen Teilen von Schleswig-Holstein
werden zudem 10 bis 25% für orkanartige Böen abgebildet. Zusammen mit den
deterministischen Vorgaben wären derzeit demnach im Küstenumfeld schwere
Sturmböen Bft 10, vereinzelt orkanartige Böen Bft 11 wahrscheinlich, lokal
Orkanböen Bft 12 möglich. Auf dem Brocken würden Orkanböen Bft 12 wehen. Sonst
wäre im Norden und der Mitte mit starken bis stürmischen Böen Bft 7-8, im
Bergland und exponierten Tallagen vereinzelt auch mit Sturmböen Bft 9 zu
rechnen. Bei Niederschlag zeigt nur noch die Deterministik im Nordseeumfeld
weiter das Potential für Stark-/Dauerregen mit 30 bis 40 l/m²/24h.
Am Samstag weist das IFS-EPS im Küstenumfeld noch 20 bis 80% für stürmische Böen
oder Sturmböen aus, sodass diese dort auch wahrscheinlich sind. An exponierten
Küstenabschnitten der Ostsee könnten auch noch einzelne schwere Sturmböen
auftreten. Ansonsten bleibt es zwar windig, Wahrscheinlichkeiten von 5 bis 40%
für stürmische Böen oder Sturmböen lassen aber wohl kaum markante Böen zu.
Am Sonntag beschreiben weiter Wahrscheinlichkeiten von 10 bis 50% einzelne
stürmische Böen an Nord- und Ostsee sowie einzelnen Gipfellagen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON_EPS, TT anfangs auch MosMix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel