DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-08-2025 08:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.08.2025 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNz (Hoch Nordmeer zyklonal)

Heute noch Hochdruckeinfluss, ab Mittwoch wechselhafter. Dabei im Süden und
Südwesten teils kräftige Regenfälle und Gewitter mit erhöhter Starkregengefahr!


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... verbringt Deutschland im Bereich schwacher Luftdruck- und
Potenzialgegensätze. Was wie Sumpf aussieht, ist aber keiner, weil die Luftmasse
- es handelt sich um eine gealterte Polarluft (xPs) - nicht sumpfig, sondern
ziemlich trocken ist. Verbreitet liegen die Taupunkte heute früh im einstelligen
Bereich oder um 10°C, nur im Süden und Richtung Nordwesten/Küste sind sie etwas
höher. Das hat im Nordwesten gereicht, um in der mittlerweile doch schon recht
langen Nacht bei windschwachen Verhältnissen etwas Nebel zu generieren, der aber
gegen die Sonne keinerlei Überlebenschance hat. Anders sieht es über der
Deutschen Bucht aus, wo zum wiederholten Male in jüngster Zeit ein ausgedehntes
Stratusfeld dabei ist, sich mit Nordwestwind in den nächsten Stunden ein Stück
landeinwärts auszubreiten. In Nordfriesland hat das in den frühen Morgenstunden
schon geklappt, später sind dann weitere Teile von Schleswig-Holstein sowie das
küstennahe Binnenland Niedersachsens inkl. der vorgelagerten Ostfriesischen
Inseln mit von der Partie.

Ansonsten ist die Tagesgeschichte ganz schnell erzählt: Sonne statt, ein paar
wenige flache Cu hum unterhalb der zwischen 900 und 800 hPa positionierten
Absinkinversion (vor allem im Norden) und später im Westen und Südwesten ein
paar hohe, zum Abend hin vielleicht mittelhohe Wolken. Dabei wird thermisch noch
mal richtig Gas gegeben mit Tageshöchstwerten von verbreitet 25 bis 30°C, an
Ober- und Mittelrhein nebst Nebenflüssen und benachbarten Arealen sogar 31 oder
32°C. Einzig ganz im Norden (SH, nördliches NDS) reicht es nur für 19 bis 24°C.

Bleibt noch etwas Platz und Zeit, sich die Großwetterlage etwas genauer zu
Gemüte zu führen. Aus gutem Grund, steht doch in den nächsten Tagen ein Wechsel
bevor, wobei die Atmosphäre auf Nummer Sicher geht. Gleich von zwei Seiten wird
der aktuell noch wirksame Hochdruckeinfluss (schwache Brücke zwischen LUISA mit
Zentrum bei Island und der scheidende KYRA über dem östlichen Mitteleuropa)
attackiert. System #1 befindet sich aktuell über Nordeuropa, wo sich bereits ´ne
Menge Kaltluft angesammelt hat. Protagonist ist ein wuchtiger Potenzialtrog mit
mehreren Drehzentren, der bereits heute, aber auch in den nächsten Tagen seine
Amplitude kontinuierlich nach Süden ausweitet. Dabei sind es wiederholt in die
Rückseite einlaufende KW-Tröge, welche die Maschinerie in Gang halten und auch
bei uns für allmählichen Potenzialverlust sorgen. Das korrespondierende
Bodentief - Gott zum Gruße ROGER - ist allerdings sehr weit weg (Halbinsel
Kola), um hier einen direkten Einfluss geltend zu machen. Deswegen schickt er
uns keine Postkarte, sondern eine Kaltfront, auf die wir später noch
zurückkommen werden.

Vorher erst mal zu System #2, ein wirklich entzückendes Höhentief über der
Biskaya, das spätestens in der kommenden Nacht über der Bretagne Landgang macht,
um von dort langsam ostwärts zu ziehen. Das Höhentief korrespondiert mit einem
namenlosen flachen Tief (warum die BWK/FU-Berlin das Ding nicht tauft, wo es
doch morgen einen erheblichen Einfluss auf unser Wetter ausübt, ist ein
unerklärliches Rätsel; leichter kann man das Geld nicht verdienen) eigentlich
mehr eine Rinne, die sich zum Mittwoch hin langsam auch für unseren Raum,
speziell den süddeutschen, interessiert.

Womit wir in der Nacht zum Mittwoch wären, in der mit der Rinne still und
heimlich eine hochreichend feuchte (gut gesättigte Vertikalprofile, PPW um 35
mm), aber nur leidlich labile Luftmasse (mS/mSp) in den Südwesten einsickert.
Und da genau dieser Südwesten peu a peu unter die diffluente Vorderseite des
Höhentiefs gelangt, die - wenn auch nur schwache - Hebungsimpulse liefert, muss
im Laufe der zweiten Nachthälfte von Frankreich und der Schweiz her mit ersten
schauerartigen Regenfällen und vielleicht sogar einem ersten Gewitter (die für
Blitzaktivität relevante Vereisungsgrenze von etwa -10°C liegt mit rund 500 hPa
ziemlich hoch, was eher dagegen spricht) gerechnet werden. Die Hauptaktivität
dürfte jedenfalls auf französischer Seite bleiben.

Im großen Rest der Nation, zumindest in weiten Teilen tut sich trotz leichten
Druckfalls noch nichts, heißt, klare oder gering bewölkte Verhältnisse, kaum
Nebel. Lediglich im Norden nähert sich eine Kaltfront der Küste an - der Dank
geht an ROGER -, welche die tiefe ST/SC-Bewölkung noch weiter in die
Norddeutsche Tiefebene verfrachtet. Die Sättigung geht hoch bis etwa 800 hPa,
was ausreichen könnte, hier und da ein paar Spritzer Regen oder Nieselregen
abzusondern. Eingebettet ist die Front in einen wunderbar konfigurierter
Bodentrog, nach dessen Passage der Wind an den Küsten auf Nordost dreht und
dabei soweit auffrischt, dass an der vorpommerschen Küste gar ein paar steife
Böen 7 Bft möglich sind.

Während es im Südwesten sowie direkt an der See (trotz KF) mit 18 bis 14°C
relativ mild bleibt, kühlt es sonst auf 14 bis 8°C ab.

Mittwoch... macht das Höhentief weiter Boden nach Osten hin gut, wenn auch nur
in kleinen Schritten. Gegen Abend dürfte sein Drehzentrum (500 hPa; die
Vertikalachse ist leicht nach Westen geneigt) etwa die Auvergne erreichen. Fast
noch wichtiger ist aber, dass sich die korrespondierende, nach Osten versetzte
Bodenrinne vollends bis nach Süddeutschland ausweitet. Die konfluente Struktur
der meist nur schwachen bodennahen Winde wurde in der Vorhersagekarte T+36h mit
einer wunderschön langgezogenen "Fischgräte" versehen, die kein Mensch auf
seinem Teller haben möchte. Aber das nur am Rande. Fakt ist, dass sich mit der
Rinne auch die sehr feuchte und gesättigte Luftmasse (PPW inzwischen teils um 40
mm) langsam aber stetig bis in das südliche Bayern im Osten und Nordbaden bzw.
die Pfalz/Saarland nach Norden ausbreitet. Die Labilität bleibt überschaubar,
reicht aber aus, um etwas CAPE zu generieren. Folgendes Szenario ist denkbar,
wenn nicht sogar wahrscheinlich: Zunächst ziehen die Reste aus der Nacht als
tendenziell eher schwaches und nicht-gewittriges Regenband (gekoppelt an die
Konvergenz) über BaWü und bayerisch Schwaben nordwärts. Danach kommt es dann
südlich der Konvergenz - grob zwischen Schwarzwald und Alpenrand - zu
konvektiven Umlagerungen. Scherung und Dynamik sind dünn gesät, was eine zügige
Verclusterung wahrscheinlich macht. Im Fokus liegt Stand der Dinge auf dem Süden
BaWüs, wo die stärksten Regenfälle erwartet werden. Die Starkregengefahr ist
sehr hoch, nicht nur kurzzeitig, sondern auch mehrstündig. ICON-D2 (-EPS) setzt
deutliche Zeichen für Unwetter, sogar extreme Unwetter (>60 l/m² mehrstündig)
sind nicht ausgeschlossen, vor allem, wenn man die Nacht zum Donnerstag noch
dazu nimmt. Die anderen gewittertypischen Begleiterscheinungen treten bei dieser
Luftmasse ganz klar in den Hintergrund gegenüber dem Starkregen.

Vom Süden in den Norden, wo sich besagte Kaltfront mehr schlecht als recht bis
in die Norddeutsche Tiefebene südwärts quält. Wir dürfen nicht vergessen, im
Süden halten Rinne und zunehmend auch das Höhentief dagegen, was die Progression
der Kaltfront erheblich dämpft. Trotzdem wird die präfrontale Bewölkung noch
etwas nach Süden bis etwa an den nördlichen Rand des zentralen
Mittelgebirgsraums verfrachtet, wobei sie aber mit zunehmender Tageslänge immer
brüchiger und aufgelockerter wird. Substanzieller Regen ist weiterhin nicht am
Start, hier und da ein paar Tropfen, das war´s. Postfrontal strömt mit dem auf
Nordost drehenden, an der Küste wieder etwas nachlassende Wind eine stabile und
sehr trockene Skandinavienluft zunächst in den äußersten Norden, in der T850 auf
rund 7°C, das PPW bis auf nahe 10 mm zurückgehen. Ein richtig trockene und klare
Luftmasse, in der sich die Sonne voll entfalten kann, was allen Urlaubern an
Nord- und Ostsee sowie im angrenzenden Binnenland gefallen dürfte. Dazu 20 bis
24°C, Herz, was willst du mehr.

In den übrigen Landesteilen stehen Höchstwerte von 24 bis 29°C auf der Karte,
einzig ganz im Süden und Südwesten, wo die Sonne nahezu chancenlos ist und es
zudem regnet respektive gewittert, bleibt es frischer.

In der Nacht zum Donnerstag kommt das ganze Geschehen im Vorhersageraum quasi
zum Stillstand. Rinne und "Gräte" kommen nicht wirklich nach Norden, die
Kaltfront nicht wirklich nach Süden voran. Im Grund eliminieren sich die
Systeme, was auch für das Geopotenzial gilt. Das Höhentief erreicht am Morgen
die Schweiz und blockt dabei in Expansion des Nordeuropatroges nach Süden. Somit
hält sich etwa über der Mitte ein Sattelpunkt (genau genommen handelt es sich um
eine schwache Brücke), die beide Systeme voneinander trennt.

Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind im äußersten Süden und
Südwesten, konkret in Südbaden und Oberschwaben, am heftigsten. Durch den
Stillstand ohne Luftmassenaustausch bei gleichzeitig andauernden
Hebungsprozessen kommt es zu weiteren, teils gewittrigen, teils ungewittrigen
Regenfällen mit hohem Starkregenpotenzial, mögliche (extreme) Unwetter
inklusive.

Ansonsten erreicht die Kaltfront die nördliche Mitte, wo sie aber nur noch ein
paar fragile tiefe Wolken aufzubieten hat. Die vermischen sich übrigens mit
hohen und vielleicht auch einigen mittelhohen Wolken (diese aber eher in der
südlichen Mitte) aus dem Süden, was nicht einer gewissen Bizarrerie entbehrt. Im
Norden in der frisch eingeflossenen Nordluft klart es auf, was immense
Abkühlungsraten zur Folge. Im Hamburger Speckgürtel sowie im südlichen SH geht´s
runter auf 5°C oder sogar noch etwas darunter. Es soll allerdings nicht
verschwiegen werden, dass von der Nordsee her der nächste Schwung tiefer
stratiformer Bewölkung im Anmarsch ist, die am frühen Morgen vielleicht schon
Sylt und Borkum erreicht, vielleicht aber auch noch nicht.

Donnerstag... arbeitet sich die Kaltfront im Zeitlupentempo weiter in Richtung
Süden vor, wobei sie aber noch einiges an Strecke hat, bevor sie etwa die Alpen
erreicht. Einen kleinen Anschub bekommt die Front von einem Randtrog, der auf
den Norden und Nordosten übergreift und gleichzeitig für ein südliches
Expandieren des Haupttroges sorgt. Die Wolken von der Nordsee ziehen ein Stück
weit ins nordwestdeutsche Tiefland, wo sie im Tagesverlauf in Cu-Bewölkung oder
lückenhaften SC übergehen. Hier und da fallen ein paar Tropfen, was aber
keinesfalls die künstliche Bewässerung der nordwestdeutschen Flora ersetzt. Mehr
Sonne gibt es auf alle Fälle im Nordosten, wo sich der Skandenföhn bemerkbar
macht. Mit Passage eines Bodentrogs frischt der Nordwestwind vor allem über der
Deutschen Bucht sowie der westlichen Nordsee auf, was der nordfriesischen Küste
einige steife Böen 7 Bft am Nachmittag beschert.

Feucht, aber keinesfalls fröhlich geht es nach wie vor im Süden zu. Das
Höhentief erreicht die Schweiz bzw. das Piemont im Nordwesten Italiens und
liefert dabei noch immer bis nach Süddeutschland reichende Hebungsbeiträge. Dort
ist die Luft trotz der vorherigen Regenfälle und des übergreifenden Nordwindes
noch nicht so weit ausgelutscht, dass nicht noch was zu holen wäre. Allerdings
wird sie etwas stabiler, was sie Gewitterneigung dämpft, aber nicht auf null
zurückgehen lässt. Kurzum, es kommt zu weiteren konvektiv verstärkten, teils
gewittrigen Regenfällen, die ihren Schwerpunkt ganz allmählich via Oberschwaben
in Richtung südliches Alpenvorland und Alpenrand verlagern. Dabei ist weiterhin
(mehrstündig und kurzzeitig) Starkregengefahr gegeben, regional begrenzt auch
als (extremes) Unwetter. Am Alpenrand stellt sich eine Staulage ein, bei der bis
Freitagfrüh mit Unterstützung konvektiver Einlagerungen durchaus 30 bis 50,
lokal vielleicht bis 70 l/m² Gesamtniederschlag runterkommen können.

Bei T850 zwischen 4°C an der Nordsee und rund 12°C im Süden werden
Tageshöchstwerte von 18°C zwischen Norddeich-Mole, Cuxhaven und Niebüll inkl.
der vorgelagerten Inseln und Halligen bis zu 25°C in der Mitte erreicht.

In der Nacht zum Freitag schließt sich das Höhentief bzw. das, was davon noch
übrig ist, dem nördlichen Monumentaltrog an. Die schleifende Kaltfront nähert
sich den Alpen, wohin sich auch die Regenfälle mehr und mehr zurückziehen.
Dahinter breitet sich die polare Luftmasse auf das ganze Land aus (T850 3°C im
Nordwesten, 9°C im Süden) und hinterlässt dabei einen teils wolkigen, teils
klaren Nachthimmel mit ein paar Schauern ganz im Norden. Dabei kühlt es auf 14
bis 7°C ab, direkt an der See etwas milder. Vor allem an der nordfriesischen
Küste frischt der Nordwestwind immer wieder sportlich auf mit Böen bis 7 Bft.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung und Umstellung der Wetterlage werden von keinem
gängigen Modell angezweifelt. Die "Problemzone" liegt eindeutig im regnerischen
Süden und Südwesten in der fett-feuchtgesättigten Luft: Was geht konvektiv und
elektrisch, was geht konvektiv ohne Elektrik, was geht skalig, wie sind die
Intensitäten und wo genau liegen die Schwerpunkte. Viele Fragen, die noch nicht
eindeutig zu klären sind. Und vor allem, wie löst man das Ganze warntechnisch.
Mehrstündige markante Starkregenwarnungen mit aufgesattelten Gewittern oder gar
mehrstündige und flächige Gewitterwarnungen, am Alpenrand vielleicht Dauerregen.
Braucht´s irgendwo sogar eine Vorabinformation. All das muss derzeit noch
prokrastiniert werden auf spätere Schichten in der Hoffnung, dass die Numerik
einheitlichere Lösungen als aktuell anbietet. Auf alle Fälle sollte spätestens
am Mittwochmorgen eine prophylaktische Warnung ausgegeben und nicht nur im
Nowcast agiert werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann