DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-02-2021 19:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 04.02.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ab der Nacht zum Sonntag Gefahr einer Unwetterlage mit starken Schneefällen und
Verwehungen vor allem im Nordwesten Deutschlands. Zudem Unwettergefahr durch
Glatteis.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... bestimmt eine durchaus spannende synoptische Konstellation das
Wettergeschehen. Zwischen einem Hoch über dem Nordmeer und tiefem Luftdruck über
dem Nordwesten Russlands wird eine hochreichend kalte arktische Luftmasse ins
nordöstliche Europa geführt. In 850 hPa ist dabei die Temperatur über weiten
Regionen auf -10 bis unter -15 Grad abgesunken, wobei die -10-Grad-Isotherme
über der Ostsee liegt. Gleichzeitig liegt Warmluft über Süd- und Südosteuropa,
die auf der Vorderseite eines Troges westlich der Iberischen Halbinsel weiter
nach Norden vorstößt. Über dem Nordosten Deutschlands liegt dabei schon seit
einer Weile eine markante Luftmassengrenze, die in einen derzeit nur sehr
schwach ausgeprägten Bodentrog eingebettet ist, der von einem Tief bei Irland
ausgeht. Gleichzeitig wird eine Warmfront, die sich von einem Tief über Spanien
(Tristan) aus nordostwärts erstreckt, immer aktiver. Die Druckverteilung in der
Höhe spiegelt in erster Linie die Temperaturverteilung wider, so dass über
Europa derzeit eine recht kräftige westliche Höhenströmung zu finden ist, die
über unserem Land um einen Rücken läuft, was derzeit für eine recht inaktive
Luftmassengrenze sorgt. Allerdings findet auf der Vorderseite des Irlandtiefs
Warmluftadvektion statt, was für von Westen aufziehende Bewölkung sorgt. Sehr
mild ist es im Südwesten schon, in 850 hPa werden bis zu 4 Grad erreicht und in
2 m wurden heute wieder vielerorts über 10 Grad gemessen, und dass bei mal etwas
mehr Sonne, was schon einen vorfrühlingshaften Eindruck erweckt. Dagegen
herrscht über Schleswig-Holstein teils Dauerfrost. Diskussionsstoff sorgt
derzeit die Großwetterlagenklassifikation. In den letzten Tagen hat man sich für
eine südliche Westlage entschieden, da diese noch am ehesten zu den Strukturen
passte (allerdings nicht zu den sehr milden Luftmassen im Süden Deutschlands).
Mit der zunehmenden Dominanz des Nordmeerhochs, käme aber auch "Hoch Nordmeer
zyklonal" in Frage.

Wie geht es jetzt weiter?
Kommende Nacht passiert erst mal noch nicht so viel. Im Süden kommt die
Warmfront des Tiefs Tristan etwas nordwärts voran und kräftige WLA sorgt für
viel aufziehende mittelhohe und hohe Bewölkung, die bis in den Norden
Deutschlands zieht. Größere Auflockerungsgebiete gibt es wohl ganz im Nordosten.
Im Süden kommt an der Warmfront etwas Regen maximal bis zum Main und zur Nahe
nordwärts voran, auch ganz im Westen kann es leicht regnen. An der
Luftmassengrenze, von Ostfriesland bis zur Niederlausitz kann es geringfügig
schneien, auch weiter im Nordosten sind ein paar Flocken nicht ausgeschlossen.
Dort besteht etwas Glättegefahr. Die Temperatur kann insbesondere in Vorpommern
in den mäßigen Frostbereich absinken. Dagegen bleibt es in der ganzen
Südwesthälfte frostfrei. Da das irische Tief etwas zu uns heranrückt, nimmt im
Nordwesten der Ostwind etwas zu und auf Helgoland kann es erste steife Böen aus
Ost geben. Im Süden ist es allgemein schwachwindig.

Freitag ... verlagern sich die Druckgebilde kaum. Über dem Norden verstärkt sich
aber der Gradient noch etwas, was den Ostwind weiter aufleben lässt. Zunehmend
gibt es an der westlichen Ostsee und der Nordsee steife Böen aus Ost, in
exponierten Lagen auch schon stürmische Böen. Im Süden bleibt es weiter
schwachwindig. Die Luftmassengrenze verändert ihre Lage kaum, bleibt aber
inaktiv. Die Warmfront von Tristan kommt aber weiter nordwärts voran mit ihren
Regenfällen und gerät zunehmend in die Region der stationären Luftmassengrenze,
so dass vor allem am Nachmittag von Ostfriesland bis zur Lausitz leichter
Schneefall aufkommt, bei tendenziell aber noch knapp über 0 Grad sollte sich die
Glättegefahr in Grenzen halten. Südlich davon regnet es zeitweise, meist aber
nur leicht. Leicht föhnig wird es an den Alpen, dort sollten im Tagesverlauf die
Wolken etwas auflockern. In 850 hPa steigt dort die Temperatur auf 8 Grad. Im
Süden und Westen gibt es wieder Höchstwerte teils über 10 Grad, in Vorpommern
und im Norden Schleswig-Holsteins kann es dagegen bei leichtem Dauerfrost
bleiben.

In der Nacht zum Samstag ändert sich an der Druckkonstellation nicht viel. Auch
die Luftmassengrenze ändert ihre Lage kaum. Auf ihrer Nordostseite kommt mit dem
unvermindert starken Ostwind aber die Kaltluft etwas näher, so dass sich der
Temperaturgradient verschärft. Zwischen Wesermündung und Ostsachsen kommt es zu
leichten Niederschlägen, auf der Südwestflanke zu Regen, auf der Nordostflanke
zu Schnee, wobei maximal wenige Zentimeter fallen sollten. Im Übergangsbereich
besteht die Gefahr gefrierenden Regens. Südlich der Luftmassengrenze bleibt es
stark bewölkt und ein neues Regengebiet zieht vom Süden in die Mitte, wo teils
auch über 5 l/qm Regen fallen können. An den Alpen bleibt es föhnig. Dort gibt
es Wolkenauflockerungen und auf den Gipfeln gibt es Sturmböen aus Südwest. Für
Föhndurchbruch in die Täler sollte es aber noch nicht reichen. Mild mit
Tiefstwerten über dem Gefrierpunkt bleibt es weiterhin in der Südwesthälfte. Im
Nordosten gibt es dagegen wieder Frost, nordöstlich der Luftmassengrenze, wo es
teils auch klar sein kann, durchaus auch mäßigen Frost.

Samstag ... bildet sich in der südlichen Strömung über Südwesteuropa nördlich
der Pyrenäen ein Leetief, das sich bis zum Abend nach Zentralfrankreich
verlagert. Deutschland liegt weiterhin unter einem von Südosten zu unserem Land
gerichteten Höhenkeil, so dass über dem Norden des Landes die Strömung auf West
dreht. Bodennah weitet sich das Hoch nach Skandinavien und in den Ostseeraum
aus. Zwischen diesem und dem Tief über Frankreich nimmt der Gradient weiter zu,
so dass jetzt in ganz Deutschland der Ostwind spürbar auffrischt. An den Küsten
muss weiterhin mit starken bis stürmischen Böen gerechnet werden, in
Ostfriesland zunehmend auch mit Sturmböen. Auch über dem nordwestlichen
Binnenland kann es erste steife Böen geben. In den Kammlagen der Mittelgebirge
kann es ebenso steife bis stürmische Böen geben und in den Alpen legt der Föhn
noch etwas zu. Auf den Alpengipfeln kann es dann zunehmend schwere Sturmböen
oder orkanartige Böen geben. Zudem sorgt eine Druckdifferenz von 6 bis 8 hPa
zwischen Bozen und Innsbruck wohl auch für einzelne steife oder sogar stürmische
Böen in den Föhntälern. Der Föhn sorgt dann auch für Auflockerungen von den
Alpen her und weiter vorfrühlingshafte Temperaturen, denn in 850 hPa breitet
sich die 10-Grad-Isotherme im Alpenvorland aus. Deren Gegenspieler, die
-10-Grad-Isobare kommt dank dem frischen Ostwind in Norddeutschland südwestwärts
voran und erreicht fast Hamburg. Dort im Nordosten gibt es bei winterlicher
Kälte (Dauerfrost) immerhin etwas Sonne, wobei aber über der Ostsee mit
einzelnen Schneeschauern gerechnet muss. Entlang der alten Luftmassengrenze,
deren Lage sich kaum ändert, fällt kaum Niederschlag. Vielmehr muss an der über
der Mitte Deutschlands angekommenen Warmfront, die zunehmend stationär wird, mit
weiteren Niederschlägen gerechnet werden. Diese fallen mit Schwerpunkt in etwa
in einem Streifen zwischen der Eifel und Sachsen. An der Nordflanke fällt dabei
Schnee, tendenziell tagsüber noch mit nur geringer Glättegefahr und kaum
Neuschneeakkumulation. Nach Süden zu fällt leichter Regen. Auch wenn ICON-EU
einzelne Schlangen zeigt, so sollte doch tagsüber gefrierender Regen keine so
große Rolle spielen. Allerdings ist sicherlich noch etwas unsicher, wie sehr
sich die Kaltluft von Osten her unter dem Niederschlagsgebiet durchsetzen kann.

In der Nacht zum Sonntag wird es dann spannend: Das Tief über Frankreich saugt
an seiner Westflanke zunehmend Kaltluft an, was in dem atlantischen Trog ein
Höhentief abtropfen lässt, das sich nach Südosten verlagert. PVA lässt dabei das
Tief deutlich stärker werden und es zieht Richtung Belgien. Auf seiner
Vorderseite kommt es zu kräftiger Warmluftadvektion. Dies führt über
Westdeutschland, im weiteren Verlauf auch nach Ostdeutschland hin zu sich
deutlich intensivierenden Niederschlägen, wobei bis Sonntagfrüh vor allem im
Norden NRWs und im Süden Niedersachsens über 10 l/qm, im Münsterland in Spitzen
bis zu 20 l/qm Niederschlag simuliert werden. Nach Osten hin, Richtung Sachsen,
ist es deutlich weniger. Diese Niederschlagsmengen sollten vorwiegend als Schnee
fallen, so dass durchaus bis zum Morgen im nördlichen Münsterland bis über 20 cm
Neuschnee fallen könnten, je nach Temperaturniveau sogar deutlich mehr. Dies
allein reißt schon das Unwetterkriterium, aber es kommt noch der Wind dazu:
Dieser frischt an der Nordostflanke des Tiefs noch weiter auf und vor allem über
NRW und dem Westen Niedersachsens muss verbreitet zumindest mit stürmischen Böen
gerechnet werden. Auch weiter nach Norden und Osten hin kann es steife Böen
geben, was bei lockerem Schnee auch für ordentliche Schneeverwehungen reicht.
Vor allem im Südwesten Niedersachsens könnte es nach aktuellem Stand nicht nur
sehr große Schneemengen, sondern auch noch sehr starke Verwehungen geben. Nach
Süden zu geht der Schneefall in Regen über, wobei durchaus auch gefrierender
Regen ein Thema ist. Da wir auch dort von großen Niederschlagsmengen reden,
besteht Unwettergefahr durch Glatteis, wobei eine Glatteislage mit Schäden durch
Eisbruch durchaus vorstellbar ist. Der Wind weht auch ganz im Norden recht stark
aus Ost, wo es noch trocken bleibt. An den Küsten treten stürmische Böen aus Ost
auf, auf der Nordsee (schwere) Sturmböen. Ruhiger ist es im Süden, dort fällt
nach Westen hin etwas Regen. Noch kurz zum Temperaturniveau: Von Osten dringt
die bodennahe Kaltluft massiv nach Westen vor, so dass im Bereich der kräftigen
Niederschläge die Temperatur durchaus bis -5 Grad absinken kann, ganz im
Nordosten auch bis -10 Grad. Dagegen bleibt es im Süden weiter frostfrei. Der
Föhn schwächt sich von West nach Ost ab.

Sonntag ... schwächt sich das Tief über Belgien langsam ab und zieht sich etwas
zurück. An seiner Südflanke gelangt von Westen her kältere Luft in den Süden
Deutschlands, dort fällt aber abgesehen vom höheren Bergland weiterhin Regen.
Der Föhn an den Alpen bricht zusammen. Weiterhin kräftige Niederschläge gibt es
in einem breiten Streifen vom Westen/Nordwesten bis in den Osten, mit
Schwerpunkt vom Emsland bis zur Altmark. Dort kann es gebietsweise weitere 10
l/qm Niederschlag geben, teils mehr. An der Nordflanke und bis in die Mitte
dieses Gebiets hinein fällt bei Dauerfrost weiter Schnee. In den südlichen
Bereichen geht der Regen im Tagesverlauf von Westen in Schnee über, was auch die
Glatteisgefahr verringert. Südlich einer Linie Eifel-Oberfranken bleibt es wohl
in den tieferen Lagen bis zum Abend noch frostfrei. Ganz im Süden gibt es bei
weiterhin mildem Wetter immer noch etwas Regen. Die Windsituation in der
gesamten Nordhälfte ändert sich zunächst kaum, erst zum Nachmittag kommt es zu
einer deutlichen Abschwächung. Vor allem vom Emsland bis zur Altmark dürften
weitere 10 bis 20 cm Neuschnee fallen, die stark verweht werden. Nach Norden hin
nehmen die Neuschneehöhen ab, aber auch dort wird alles, was fällt, stark
verweht. Das wird dadurch unterstützt, dass die Tagestemperaturen im Norden
deutlich im Frostbereich verharren. Ganz im Norden bleibt es zwar weiterhin
niederschlagsfrei, aber auch dort sorgt Dauerfrost und strammer Ostwind für
zumindest sehr ungemütliches Sonntagswetter.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Auch wenn es im Detail noch Modellunterschiede gibt, im Großen und Ganzen sind
sich die Modelle ähnlich und somit ist der Fahrplan für die Unwetterlage am
Wochenende einigermaßen klar. Allerdings heißt das nicht, dass am Ende alles so
kommen muss, auf eine sich ändernde Entwicklung sollte man auf jeden Fall
vorbereitet sein.

Es lohnt sich deshalb das weitere Verfolgen der synoptischen Übersichten, wie
mein Vorredner heute Vormittag schon empfohlen hat. Ob unsere Übersichten dann
tatsächlich spannender als Stephen King werden, vermag ich nicht vorherzusagen,
ich hoffe zumindest, wir halten unsere Übersichten etwas kürzer. Vielleicht
fühlen Sie sich bei der Prognose für Sonntag auch ein bisschen an "The Shining"
erinnert und können den Thriller schon allein deswegen mal für ein paar Tage in
der Nachttischschublade verschwinden lassen.

Zur Warnstrategie:
Nach den gestern und heute schon getätigten Veröffentlichungen über die
bevorstehende Wetterlage soll morgen Vormittag eine entsprechende
Unwettervorabinformation ausgegeben werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann