Thema des Tages

25-05-2016 14:40

Was ist eine Fallböe?

Die vergangenen Tage brachten in Deutschland zum Teil schwere
Gewitter. Während am Montag der Osten betroffen war, lag der
Gewitterschwerpunkt am Sonntag in der Westhälfte. Besonders betroffen
war eine Region von Ostwestfalen bis Hamburg. Die schwersten Schäden
traten dabei in Meißen bei Minden in Nordrhein-Westfalen auf.
Betrachtet man die immensen Schäden, so denkt man schnell an einen
Tornado, was auch so zunächst von den meisten Medien verbreitet
wurde. Doch ein weiteres Phänomen, das in Zusammenhang mit schweren
Gewittern steht und häufiger vorkommt als Tornados, scheint in diesem
Fall wahrscheinlicher. Die Rede ist von sogenannten "Fallböen" (engl.
Downburst).

Obwohl Fallböen ebenso starke Schäden verursachen können wie
Tornados, sind sie dennoch vielen Leuten unbekannt. Fallböen sind wie
auch Tornados meist mit schweren Gewittern verbunden, wobei auch bei
den Fallböen die stärksten Ereignisse häufig im Zusammenhang mit
rotierenden Gewitterzellen, den sogenannten "Superzellen", auftreten.
Dennoch unterscheiden sich Fallböen physikalisch wesentlich von
Tornados. Tornados sind stark rotierende Luftwirbel mit vertikaler
Drehachse, die sich aus einer Schauer- oder Gewitterwolke entwickeln
und verbindung mit dem Boden aufnehmen. Oft sieht man dabei ausgehend
von der Gewitterwolke einen bis zum Boden reichenden auskondensierten
rotierenden Wolkentrichter oder Schlauch. Downbursts oder Fallböen
hingegen entstehen, wenn kalte Luft in einem Gewitter nach unten
fällt, auf den Boden trifft und sich dort in linearer Richtung
ausbreitet. Dabei können Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h
erreicht werden.


Doch wie genau kommt es zu dieser fallenden kalten Luft? Innerhalb
starker Gewitter bilden sich in den höheren Wolkenschichten oft
größere Hagelkörner. Haben diese eine gewisse Größe erreicht, kann
sie der Aufwind in der Gewitterwolke nicht mehr in der Wolke halten
und sie beginnen herab zu fallen. Beim Fallen gelangen die
Hagelkörner in tiefere und wärmere Luft. Sie beginnen zu schmelzen,
sobald die Lufttemperatur über den Gefrierpunkt steigt. Zum Teil
entstehen dabei Regentropfen. Fallen diese in trocknere Schichten,
setzt schnell Verdunstung ein. Dies geht umso schneller, je trockener
die Luft ist. Sowohl beim Schmelzen des Hagels, als auch bei der
Verdunstung der Regentropfen wird der Luft Energie in Form von Wärme
entzogen, wodurch sie sich abkühlt. Da nun die kalte Luft schwerer
ist, als die umgebende Warmluft, wird sie nach unten beschleunigt und
trifft dann irgendwann auf den Boden. Von weitem sieht es oft so
aus, als ob ein "Sack" aus dem Gewitter heraus fällt (siehe
Abbildung). Trifft die Luft auf den Boden auf, so breitet sie sich
dort horizontal aus. In diesem Downburst hat man häufig die stärksten
Niederschläge sowie auch Hagel. In unmittelbarer Nähe sieht ein
Downburst wie eine "weiße Wand" aus, die sich rasend schnell bewegt.
Das Schadenspotenzial von Downbursts ist häufig sogar größer als das
von Tornados, da meist eine größere Fläche betroffen ist und nicht
eine schmale Schneise der Verwüstung, wie sie meist ein Tornado
hinterlässt.

Im Fall von Meißen bei Minden handelte es sich mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht um einen Tornado, sondern um so eine
Fallböe. Dies ergab eine Untersuchung der Schadensspur. Anhand der
Schäden konnte die Windgeschwindigkeit auf etwa 150 - 180 km/h
geschätzt werden.

Solche Sturmschäden, wie auch Tornados und andere
Unwetterbegleiterscheinungen, ( großer Hagel, Blitzschäden,
Schneestürme und auch Lawinen usw.) werden nach ihrer Untersuchung in
einer europäischen Unwetterdatenbank, der European Severe Weather
Database (ESWD (www.eswd.eu)), erfasst und der Öffentlichkeit, sowie
der Forschung zur Verfügung gestellt.


Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.05.2016

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