Thema des Tages

13-06-2017 14:40

CIN ? der Deckel der freien Konvektion

Sommerzeit ist Gewitterzeit! Wie Gewitterzellen entstehen und zu
welcher Intensität sich diese entwickeln, ist im Wesentlichen von der
atmosphärischen Temperatur- und Feuchteschichtung abhängig. Die erste
Voraussetzung für die Entwicklung einer Gewitterzelle ist
aufsteigende Luft, die das Kondensationsniveau - also die Höhe der
Wolkenbildung - erreicht. Dies kann entweder thermisch bedingt
geschehen, indem im Vergleich zur Umgebung bodennahe warme und somit
leichtere Luft aufsteigt oder aber durch erzwungenes Aufsteigen bei
einer Windströmung gegen orographische Hindernisse (z.B. Gebirge)
hervorgerufen werden. In beiden Fällen kühlt sich die Luft auf ihren
Weg nach oben ab. Da kalte Luft jedoch weniger Feuchte als warme
Luft aufnehmen kann, fällt ab dem Niveau der Sättigung überschüssige
Feuchte als kleine Wolkentröpfchen aus (Kondensationsniveau; vgl.
auch Eintrag "Kondensation" im Wetterlexikon des DWD). Fehlt
allerdings ab dem Kondensationsniveau der weitere Antrieb in größere
Höhen zu steigen, sind lediglich flache Schichtwolken die Folge. Um
jedoch eine hochreichende Gewitterwolke entstehen zu lassen, muss die
Luft irgendwie bis zum sogenannten "Level of Free Convection" (LFC)
gelangen.

Der LFC stellt dabei die geringste Höhe eines vom Erdboden
aufsteigenden feucht warmen Luftpakets dar, ab dem seine Temperatur
höher als die seiner umgebenden Luft ist (vgl. Abbildung). Als
gesättigtes Luftpaket ist es in der Lage, sich ab dem LFC durch
eigenen Antrieb selbständig frei aufwärts zu bewegen. Je tiefer das
LFC liegt, desto eher tritt bei Aufstiegsvorgängen (Hebungsvorgängen)
Konvektion ein und umgekehrt.

Als Gegenspieler entpuppt sich dabei aber die CIN (Convective
Inhibition). Der "CIN-Wert" (CIN = Convective Inhibition, dt.
Konvektionshemmung) ist eine meteorologischer Größe, die die
Energiemenge beschreibt, die ein aufsteigendes Luftpaket daran
hindert, vom Boden bis zum LFC aufzusteigen. Der CIN-Wert spiegelt
somit die Stärke des "Deckels" wider, der eine Auslösung von
Konvektion (hochreichend auftürmende Wolken) verhindert. Je größer
die CIN-Werte sind, desto unwahrscheinlicher ist also die Entstehung
von Gewittern.

Geringe CIN-Werte können hingegen für die Entwicklung von schwerer
Konvektion sogar förderlich sein. Ein "Deckel" macht eine flächige
Entstehung von Gewittern eher unwahrscheinlich. Lokal begrenzt können
Luftpakete beispielsweise durch erzwungene Hebung an Gebirgen den CIN
überwinden und somit dennoch den LFC erreichen und weiter aufsteigen.
Die Gewitterzellen, die sich dann bilden, haben die komplette in der
Atmosphäre vorhandene Energie verfügbar und können damit zu kräftigen
Gewitterclustern heranwachsen. Wenn kein CIN vorhanden ist, kann sich
dagegen jeder kräftige Aufwind zu einer Gewitterwolke entwickeln.
Eine flächige Auslösung dieser ist somit wahrscheinlich, sodass sich
alle entstehenden Gewitter die vorhandene Energie in der Atmosphäre
aufteilen müssen.

Ursachen für hohe "CIN-Werte" können vielfältig sein. Eine
Möglichkeit ist das Vorhandensein einer Inversion (vgl. Eintrag
?Inversion? im Wetterlexikon des DWD) oder eine sehr trockene
Grenzschicht in der unteren Troposphäre mit geringen Werten an
relativer Feuchtigkeit. Auch Kaltluftadvektion, also der Zustrom
kälterer Luft in bodennahen Schichten oder die in den Abendstunden
einsetzende Abkühlung der unteren Luftschichten durch Ausstrahlung
führt zu einer deutlichen Erhöhung der CIN-Werte und verhindert, dass
sich neue Gewitter vom Boden her weg bilden können.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.06.2017

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