DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-04-2024 17:30
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.04.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Spätwinter im späten April - kommende Nacht und auch noch am Sonntag in der
Mitte und im Süden teils kräftige Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
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Aktuell ... zeigt sich in und über Deutschland noch immer das klassische Bild
eines polarluftbetriebenen Apriltags: hochgradig konvektiv bestimmtes Gewölk mit
entsprechender Schaueraktivität jedweder Couleur, elektrische Entladungen und
Gerumse inklusive, dazwischen aber auch Lücken und Sonnenfenster. Und die
Temperaturen? - Nun gut, alles andere als eine Offenbarung, aber was willste
erwarten, wenn die Luft aus nördlichen Breiten kommt und ein fetter
Potenzialtrog über uns liegt. Oder anders ausgedrückt, das Erreichen oder gar
Überschreiten der 10°C-Marke konnte heute dort, wo´s geklappt hat, als Privileg
gefeiert werden.

Und als wenn das nicht alles schon spannend und abwechslungsreich genug wäre,
wird in der kommenden Nacht noch draufgesattelt. Wie so oft sind es die kurzen
Wellen, die die Musike machen, so auch in diesem Fall. Bereits in den
Abendstunden schwenkt ein zunächst flacher Randtrog von der Nordsee in den
Vorhersageraum, der auf seinem weiteren Weg gen Süden sein Krümmungsverhalten
deutlich verschärft. Das macht ihn im Hinblick auf synoptisch-skalige Hebung
zusehends attraktiver. Außerdem induziert er ganz geringen Druckfall, der aber
ausreicht, über der Mitte ein kleines flaches Tief mit gerade mal knapp unter
1020 hPa im Tank zu generieren. Tief und Randtrog heben die polare Meeresluft
(T850 um -5°C), was schwerpunktmäßig in der Mitte, nicht unerheblich aber auch
im Süden skalige, aber konvektiv durchsetzte Niederschläge zur Folge hat. Der
neueste ICON-Lauf von 12 UTC setzt das Maximum weiterhin nach Thüringen plus
Nachbarschaft (Osthessen, Nordbayern) sowie einen sekundären Peak ins Sauerland.
Mit Hilfe der Niederschlagsabkühlung - die apostrophierten Stundenraten sind
nicht ganz ohne - sinkt die Schneefallgrenze gerade im nördlichen und zentralen
Mittelgebirgsraum teils bis ganz unten ab (=> Schneematsch oder dünne
Schneedecke). Oberhalb etwa 400 m können innerhalb weniger Stunden 5 bis 10, in
Staulagen sogar um 15 cm Neuschnee fallen. Auf eine Unwetterwarnung (> 10 cm
innert 6 h) wurde deswegen bisher verzichtet, weil die numerischen Prognosen
noch nicht homogen genug hinsichtlich der genauen räumlichen Verteilung waren
und so die FAR sicherlich zu hoch ausgefallen wäre. Außerdem sind die
12-UTC-Läufe mengenmäßig zurückgerudert. Trotzdem ist es nicht völlig
ausgeschlossen, dass in den späten Abendstunden oder in der Nacht die laufende
markante Warnung an der einen oder anderen Stelle noch aufgestockt wird.

Ob Unwetter oder nicht ist letztlich aber eher was für VuB-affine Theoretiker
oder die Spezies Meteorologe (Profis und Hobbies), die hinterher! immer alles
besser wissen. Fakt ist, dass auch ohne die Farbe Rot auf der Warnkarte mit
eheblichen Verkehrsbehinderungen sowie mit Schneebruch (der Schnee ist häufig
nass und schwer) zu rechnen ist. In der zweiten Nachthälfte nimmt dann auch im
Süden die Niederschlagsintensität zu. Oberhalb 400 bis 600 m reicht es
vielerorts für 2 bis 7, lokal bis 10, in Nordbayern im Grenzbereich zu Thüringen
evtl. sogar 15 cm Neuschnee. Dass es auch an den Alpen staubedingt immer mal
wieder schneit, ist keine Überraschung und ist in die bis Sonntagabend laufende
Warnung eingepreist.

Und als ob die Lage nicht schon kompliziert genug wäre, tanzt von der Nordsee
her noch ein weiteres kleines Tief in Richtung Niederlande, welches im
nordwestdeutschen Tiefland Regen-, Schneeregen- oder Graupelschauer auf den Plan
ruft. Glättetechnisch sollte das aber keine großen Probleme bereiten. Das gilt
übrigens auch für den Osten und Nordosten, wo die Luft niedertroposphärisch am
kältesten (T850 bis zu -8°C), aber auch am trockensten ist (teils negative
Taupunkte). Es handelt sich um eine modifizierte polare Luftmasse, die einen
Teil ihres Wasserdampfs in respektive an den skandinavischen Bergen abgegeben
hat. Bei gering bewölktem oder klarem Himmel kühlt es auf 0 bis -4°C, am Boden
sogar bis zu -8°C ab. Ansonsten beschränkt sich Frost auf die Mittelgebirge und
die alpennahen Gebiete.

Sonntag ... erreicht der Randtrog Süddeutschland, wo sich über BaWü ein kleines
Höhentief abspaltet. Offensichtlich findet es das Tief über dem Ländle so
klasse, dass es bis zum Abend vor Ort bleibt, bevor es langsam in den
Zuständigkeitsbereich von Meteo Schweiz übersiedelt. Nicht wesentlich schneller
als sein Partner in der Höhe ist das kleine Tief am Boden, das allerdings nach
Bayern und später nach Österreich tendiert. Zwischen dem kleinen Tief (übrigens
namenlos) und der großen, vom nahen Atlantik bis zur Barentssee reichenden
Hochdruckzone QUADARIUS strömt von Nordosten trockenere Polarluft (xP) zumindest
in die Nordhälfte, in der sich immer mal wieder die Sonne zeigt. Allerdings ist
die Luftmasse bis etwa 700 hPa hinauf labil geschichtet, so dass sich im Norden,
weniger zur Mitte hin bei niedriger 0°C-Grenze einige, teils gewittrige Regen-
oder Graupelschauer entwickeln.

Während im Norden von "einzeln" die Rede ist, kommt im Süden gebietsweise die
Formulierung "länger andauernd" zu Einsatz. So wickelt sich um das Höhentief
herum insbesondere auf dessen Nord- und Ostseite ein quasistationäres
Niederschlagsband mit konvektiven Einlagerungen, das akkumuliert über den Tag
etwa von der Pfalz über den Odenwald, Teilen Unter- und Oberfrankens bis nach
Mittelfranken und evtl. auch noch Südostbayern 5 bis 15, lokal bis zu 20 l/m²
ausspuckt. Ähnlich sieht die Größenordnung an den Alpen aus, während die
Intensität unter dem Kernbereich deutlich schwächer ausfällt. Die
Schneefallgrenze dürfte etwa zwischen 400 und 600 m anzusetzen sein (Tagesgang
und schwache Intensitäten lassen sie eher ansteigen, starke Intensitäten und
Quasi-Isothermie halten sie eher unten), was nicht heißt, dass es gerade am
Morgen nicht auch mal etwas weiter runter schneit. Je nach Region und Höhe
stehen Neuschneemengen von 1 bis 5, im Niederschlagsband bis 10, lokal um 15 cm
auf der Karte, wobei der Schnee häufig in nasser Form fällt (=> hohe Setzrate,
weiterhin Schneebruchgefahr). Meine Fresse, was ein verspäteter Spätwinter.

Ansonsten bliebe nur noch zu notieren, dass der Nordostwind im zentralen
Mittelgebirgsraum auf der Nordflanke des Bodentiefs zeitweise böig auffrischt
(6-7 Bft). Und dass - Achtung Überraschung - die Temperatur nicht über 6 bis
12°C (am "wärmsten" im Nordwesten), im Süden sowie bei Dauerniederschlag häufig
nicht über 5°C hinauskommt.

In der Nacht zum Montag beruhigt sich die Szenerie. Zwar verbleiben wir unter
dem großräumigen Trog, allerdings geht den kurzwelligen Anteilen ein wenig die
Luft aus oder sie verabschieden sich aus dem Vorhersageraum, was dem
Niederschlagsgeschehen wenig zuträglich ist. Im Süden ziehen sich die
Schneefälle mehr und mehr an und in die Alpen zurück, wobei sie sich
abschwächen. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Warnung an
den Alpen für ein paar Stunden verlängert werden muss. Ansonsten ziehen von der
Ostsee noch ein paar Regen- oder Schneeschauer (T850 um -7°C!) landeinwärts, für
viel mehr dürfte es nicht mehr reichen. In weiten Landesteilen muss mit
Luftfrost zwischen 0 und -5°C (Bergland lokal noch darunter), in Bodennähe mit
Frost bis zu -8°C gerechnet werden. Frostfrei bleibt es direkt an der See bei
auflandigem Wind sowie in Ballungsräumen und einigen Flusstälern West- und
Südwestdeutschlands.

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Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag ... Es gelten die Aussagen der Frühübersicht vom geschätzten Kollegen
Tuschy, in der auch die aktuelle Lage hervorragend filetiert wurde. Es lohnt
sich...


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Ausrichtung wird modellübergreifend ziemlich kongruent
simuliert. Die Schwierigkeiten liegen im Detail, insbesondere beim Thema
"Schnee" und allem, was damit zusammenhängt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann