DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-04-2024 08:30
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 09.04.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu einer Mischung aus BM (Brücke Mitteleuropa) und Wa
(antizyklonale, inoffiziell gerne auch nördliche Westlage)

Von West nach Ost signifikanter Luftmassenwechsel mit deutlich zurückgehenden
Temperaturen, sonst aber wenig Tamtam, insbesondere im Hinblick auf Konvektion.
Ab Mittwoch dann PETER der Große mit Defiziten im Nordwesten.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... steht im Zeichen eines fulminanten Luftmassenwechsels, der von
erstaunlich wenig Bambule begleitet wird. Schaut man auf das aktuelle
Strömungsmuster und bedenkt, über welch thermisches Potenzial die ante portas
stehende Kaltfront verfügt, muss man sich fast wundern, dass die
Wetterentwicklung der nächsten Stunden nicht mehr Brisanz mit sich bringt. Bei
genauerem Hinschauen lassen sich dann aber doch einige gewichtige Gründe finden,
warum am Ende keine oder nur ganz vereinzelte Gewitter den Luftmassenwechsel
begleitet haben. Doch der Reihe nach.

Ähnlich wie gestern fallen auch am heutigen frühen Morgen einmal mehr die z.T.
exorbitant hohen Frühtemperaturen ins Auge. Beispiel gefällig: Bad Harzburg
23,6°C (NI), Martinroda (TH) 20,5°C, Michelstadt-Vielbrunn (HE) 20,3°C, jeweils
um 04 UTC. Ja Herrschaften, sind wir denn schon im Hochsommer. Nein, sind wir
nicht, aber die Luftmasse, die am Wochenende zu uns reingekommen ist und noch -
die Betonung liegt auf noch - die Stellung hält, kann aufgrund ihrer
nordafrikanischen Herkunft trotz der Jahreszeit ohne Wenn und Aber als
sommerlich bezeichnet werden. Jetzt ist bald aber erstmal Schluss mit lustig,
thermisch gibt´s mächtig was auf die Ohren. Neben der bereits erwähnten
Kaltfront gibt es im Wesentlichen zwei Faktoren, die für den anstehenden
Luftmassenwechsel verantwortlich zeichnen. Da wäre zum einen ein inzwischen arg
in die Länge gezogener, dafür mit nur noch geringer Wellenlänge ausgestatteter
Höhentrog, der den Westen des Kontinents bereits erreicht hat, Tendenz langsam
ostwärts verlagernd. Unter oder besser im nördlichen Teil des Troges, und damit
wären wir bei Faktor #2, befindet sich das Tief VANESSA (int. Pierrick), das
sich inzwischen weit in die Troposphäre hochgebohrt hat und aktuell dabei ist,
vom englischen Festland auf englische Gewässer (westliche Nordsee) zu wechseln.
Zwar weist die gute VANESSA nur noch einen Kerndruck von etwas unter 995 hPa
auf, trotzdem werkelt sie munter an der meteorologischen Entwicklung der
nächsten Stunden mit.

Auf der Vorderseite des Tiefs hat sich in der Warmluft eine wunderbare Rinne
gebildet, der an einen sommerlichen Gewittersack erinnert. Und tatsächlich haben
sich gestern und in der vergangenen Nacht bei unseren westlichen Nachbarn
vermehrt Gewitter entwickelt, die schlussendlich aber nicht den Weg in unser
Hoheitsgebiet gefunden haben. Mittlerweile hat die Rinne, an deren hinteren
Ende die Kaltfront liegt, die Westhälfte des Vorhersageraums weitgehend
passiert, um schnurstracks und ohne über Los zu gehen gen Osten zu marschieren.
Dahinter hat nicht nur mäßiger bis starker Druckanstieg eingesetzt, auch der
Wind hat gedreht auf westliche Richtungen. Zum Mitschreiben, die Winddrehung hat
bereits vor der Kaltfront eingesetzt, eilt ihr also sozusagen voraus und
verpasst damit der vorgelagerten, potenziell instabil geschichteten Warmluft
einen "kalten" und stabilen Fuß verpasst. In Kombination mit der weit über die
Trogachse hinaus nach Osten ausgreifenden KLA sowie fehlender dynamischer
Antriebe z.B. durch einen KW-Trog wird schnell klar, warum trotz EML (Elevated
Mixed Layer) konvektiv so wenig geht. Hinzu kommen noch die ungünstige Tageszeit
sowie die nicht gerade vor Feuchtigkeit triefende Warmluft, die ja neben ihrer
Herkunft zusätzlich "geföhnt" und somit noch weiter abgetrocknet wurde.

Ganz ohne Wetter geht die Geschichte natürlich trotzdem nicht ab. So hat sich
auf der kalten Seite der Front durch leichten Gegenstrom (W/SW unten vs. S oben)
ein fragiles, konvektiv gefärbtes Regengebiet gebildet, das sich heute langsam
von West nach Ost verlagert. Dabei zeichnen sich zwei Schwerpunkte ab, wobei der
Begriff "Schwerpunkt" etwas überdimensioniert daherkommt, weil die Regenfälle
nicht besonders schwer ins Gewicht fallen (kaum mal 5 l/m²). Einmal im Norden
vor dem Höhentief, einmal im Süden vor dem südlichen, vom Abtropfen bedrohten
Trog. In der Mitte droht der Regen "auseinanderzufleddern" respektive zur
Bedeutungslosigkeit zu verkommen, was typisch für solch langgezogene Tröge ist.
Während im Westen die Wolkendecke am Nachmittag beginnt allmählich aufzulockern,
scheint im Osten vor Ankunft der Kaltfront zumindest teilweise die Sonne -
abzüglich hoher Wolkenfelder sowie Resten des gefühlt inzwischen omnipräsenten
Saharastaubs. Dabei kann sich die Luft nochmals auf über 20°C, zwischen
Erzgebirge und Vorpommern auf über 25°C aufheizen, bevor am Nachmittag von
Westen die Dämpfung einsetzt. Ob die energetische Aufbereitung der noch immer
nicht überbordend mit Wasserdampf gesegneten Warmluft allerdings ausreicht, um
evtl. doch irgendwo eine Gewitterzelle entstehen zu lassen, ist äußerst
fraglich. Zwar wird insbesondere auf Basis der deutschen ICONen im Nordosten ein
nicht zu verachtendes Quantum an CAPE generiert, allerdings ist auch der Deckel
(Differenz HKN vs. NFK) nicht ohne. Lange Rede, kurzer Sinn, die
Gewitterwahrscheinlichkeit ist und bleibt im Osten/Nordosten sehr gering, aber
eben nicht gleich null.

Kommen wir zum Abschluss des Tages noch zum Wind, der mit Verlagerung der
Druckanstiegswelle und damit einhergehenden Drehung auf westliche Richtungen
mitunter böig auffrischt und dabei auch mal Windstärke 7 Bft (in höheren Lagen
auch mehr) erreicht. Für eine flächendeckende Warnung dürfte das aber zu wenig
sein, weil das Aufflackern meist nur kurz ausfällt und die "7" keinesfalls
verbreitet getroffen wird. Für den äußersten Südwesten, wo der Druckanstieg am
stärksten ausfällt, wurde eine Warnung gezogen. Etwas nachhaltiger frischt der
Südwestwind im äußersten Westen und Nordwesten auf (7 Bft), was der Annäherung
eines soliden Bodentrogs des Tiefs VANESSA geschuldet ist. Dafür bricht der Föhn
in den Alpen von West nach Ost zusammen und die Schneefallgrenze sinkt auf unter
1500, zum Abend hin gar auf 1200 bis 1000 m. Womit wir - ganz wichtig und fast
vergessen - nochmal auf den Luftmassenwechsel zu sprechen kommen, der im Grunde
ja die Hauptrolle am heutigen Dienstag spielt. Die Kurzformel lautet "aus cT/cS
mach mP", heißt, die kontinental geprägte (Sub)Tropikluft nordafrikanischer
Herkunft wird durch eine (abgetrocknete) maritime Polarluft vom Atlantik
ersetzt. Dabei geht T850 auf Werte um 0°C zurück, was in der Westhälfte heute
nur noch maximal 12 bis 19°C zulässt.

In der Nacht zum Mittwoch tropft der Trog voraussichtlich über dem Golf von
Genua ab, während das nördliche Residuum über die Nordsee (=> einzelne Schauer
über der Deutschen Bucht) und Südskandinavien ost-nordostwärts zieht. Ziehen tut
auch VANESSA, das schwächelnde Nordseetief, und zwar in Richtung Svinöy
(Westnorwegen). Der zugehörige Bodentrog kreuzt die Nordsee und sorgt dabei an
den Küsten sowie im küstennahen Binnenland für ein vorübergehendes Auffrischen
des südwestlichen, später auf West drehenden Windes. Währen die Ostsee von
wenigen Ausnahmen abgesehen mit Böen 7 Bft auskommt, sind es an der Nordsee
sowie im Norden SHs vermehrt 8er-, an der nordfriesischen Küste gar die eine
oder andere 9er-Böe.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich der Regen im Osten bzw. der
östlichen Mitte (vor allem Sachsen und südliches BB) intensiviert, so dass
gebietsweise durchaus 5 bis 10 l/m² innert 12 h zusammenkommen können. Im Süden
dauern die Niederschläge ebenfalls an, weil durch den Cut Off eine Zyklogenese
über dem Golf von Genua respektive Oberitalien angestoßen wird, deren
Hebungsprozesse über den Alpenhauptkamm bis nach Süddeutschland ausgreifen. Im
Zuge weiterer Kaltluftzufuhr (T850 von Westen um -2°C) sinkt die
Schneefallgrenze auf etwa 1000 m ab. Bis zum frühen Mittwochnachmittag fallen
oberhalb etwa 1200 m 1 bis 5 cm, im Hochgebirge um 10 cm, westlich vom Karwendel
sogar 15 bis 20 cm Neuschnee. Tja, liebe Leut, so ist er der April. Gestern noch
kurze Hosen und Biergarten, morgen frisch beschneite Berge. Bliebe noch der
große Rest zwischen Küste und Alpenrand, wo der Luftdruck weiter steigt und sich
ein Keil des über Südwesteuropa liegenden Hochs PETER zu uns reinschiebt. Die
Wolkendecke lockert teilweise auf, was bei nachlassendem Wind der Abkühlungsrate
äußerst zuträglich ist. Nix mehr mit 20°C oder so, im Gegenteil, es reicht kaum
noch für zweistellige Tiefstwerte. Lediglich im Osten, wo es bewölkt und teils
regnerisch bleibt, blinkt noch die eine oder andere "10" auf. Ansonsten geht's
runter auf 9 bis 4°C, in den westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen lokal
noch tiefer, im höheren Schwarzwald gar bis in den Frostbereich.


Mittwoch... kommt die eingeflossene maritime Polarluft (mP; T850 um oder etwas
unter 0°C) zur Ruhe und auch sonst beruhigt sich die Szenerie. Zwischen dem
abziehenden Trogresiduum im Norden und dem Cut-Off-Tief im Süden baut sich eine
schwache Potenzialbrücke auf, die den Bodenkeil stützt. Der plustert sich
gegenüber der Nacht noch etwas auf und kommt dabei auf über 1025 hPa, was ´ne
ganz ordentliche Hausnummer ist. Mit Ausweitung des Keils weicht der Gradient
auch im Norden immer mehr auf, so dass der anfänglich noch mäßige bis frische
Südwestwind im Küstenraum von West nach Ost mehr und mehr in die Knie gezwungen
wird. Ansonsten setzt leichtes Absinken ein, wodurch sich etwa zwischen 750 und
800 hPa eine Inversion etabliert, die eine labile Grundschicht deckelt. Deren
vertikale Mächtigkeit reicht zwar nicht, um mögliche Schauer in die Welt zu
setzen. Für Quellbewölkung an sich ist aber genügend Potenzial vorhanden, so
dass sich in weiten Landesteilen ein wolkiger, durch Ausbreitung an der
Inversion zeit- und gebietsweise auch stark bewölkter Wettercharakter einstellt.
Die Chancen auf längeren Sonnenschein stehen im Westen und Südwesten (stärkste
Abtrocknung der Luftmasse) sowie direkt an den Küsten und auf den Inseln
(Dämpfung bzw. Unterbindung der Wolkenbildung durch das kalte Oberflächenwasser
der Meere) am besten. Am Alpenrand hören die Niederschläge spätestens am
Nachmittag auf, wenn sich das Tief südlich der Alpen Richtung Mittelitalien bzw.
Adria verabschiedet. Temperaturmäßig gibt´s vor allem im Osten, wo es heute ja
nochmal sommerlich warm wird, mächtig eins auf die Glocke. Teilweise stürzt die
Temperatur um 10 Grad oder mehr gegenüber heute ab. Am Ende stehen
deutschlandweit 11 bis 17°C auf der Karte, im höheren Bergland eher noch etwas
weniger.

In der Nacht zum Donnerstag bleiben uns Bodenkeil und Potenzialbrücke im Großen
und Ganzen erhalten. Der Keil verstärkt sich sogar auf 1030 hPa oder etwas
darüber, PETER der Große halt. Unter dem Strich bedeutet das in weiten
Landesteilen Wolkenauflockerung respektive -auflösung und merkliche Abkühlung
auf Temperaturen unter 5°C. Lokal ist im Süden und in der Mitte leichter
Luftfrost wahrscheinlich, für Frost in Bodennähe (teils -3 oder -4°C) reicht es
verbreitet.

Etwas anders läuft die Sache im Nordwesten des Landes, wo sich nicht nur die
Frontalzone vorsichtig von der Nordsee herantastet. Zudem nähert sich die
Warmfront des Tiefs WILHELMINE, wobei der Singular nicht ganz angebracht ist.
Vielmehr handelt es sich um eine mehrkernige schmale Zone, die vom Seegebiet
zwischen Schottland und Island bis weit auf den Atlantik hinaus reicht. Wie auch
immer, die Front bringt neben mehrschichtiger Bewölkung auch ein paar
Morgentropfen an der Nordseeküste, wo zudem der Südwestwind wieder auffrischt
(6-7 Bft, nordfriesische Küste exponiert 8 Bft). Dass es im Nordwesten unter den
Wolken frostfrei bleibt, ist evident.


Donnerstag... manifestiert sich der Keil zu einem eigenständigen, fast
brückenartigen Hoch, das am Mittag mit etwas über 1030 hPa von der Biskaya über
Mittel- und Süddeutschland bis nach Belarus reicht und noch immer den Namen
PETER trägt. Den oder die gleichnamigen Kollegen wird´s freuen, sorgt der gute
"Mann" doch in weiten Landesteilen für einen sonnigen bis heiteren, mit einigen
flachen Quellwolken garnierten Donnerstag. Dabei kann sich die alternde
Polarluft auf 17 bis 22°C erwärmen. Deutlich mehr Wolken treten im Westen und
Norden auf, die einerseits von der Frontalzone gestreift werden, andererseits
von der Kaltfront der WILHELMINE-Dynastie traktiert werden. Das zugehörige
Regenband arbeitet sich von der Nordsee landeinwärts voran, wobei es sich aber
immer mehr abschwächt. Rund um die Nordsee sind 2 bis 5 l/m² drin, sonst fällt
weniger Regen. Der anfänglich an der Küste noch frische Südwestwind baut
postfrontal von Westen her merklich ab.

In der Nacht zum Freitag ändert sich wenig an der GWL. Die Front kommt etwa bis
zur nördlichen Mitte voran, wo sie sich voraussichtlich auflöst. Es reicht aber
noch, um weite Teile der Nordhälfte mit dichten Wolken vollzupumpen, aus denen
aber kaum noch Regen fällt. Weniger Bewölkung dagegen nach Süden hin, wo die
Temperatur zumindest am Boden dem Gefrierpunkt sehr nahekommt bzw. ihn sogar
unterschreitet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles geschrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann