DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-04-2024 17:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.04.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Heute einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen. Morgen gebietsweise Gewitter mit
Sturmböen und Hagel - Schwerpunkt Westen, mit Abstrichen die gesamte
Südwesthälfte. Dazu im Süden und der Mitte stark böiger Wind mit steifen Böen,
in Hochlagen Sturmböen. Am Freitag im Norden und Westen steife und vereinzelt
Sturmböen, lokal Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... gestaltet sich die Situation im Geopotentialfeld komplex, wobei sich
eine grundsätzlich westliche Höhenströmung eingestellt hat. In diese
Westströmung ist ein Kurzwellentrog eingelagert, der aktuell von der Nordsee
über die Mitte Deutschlands bis zur Adria verläuft. In seinem Nordteil weist er
eine eher scharfe, in seinem Südteil eine eher flache Kontur auf. Der Trog wird
in der Nacht rasch nach Osten geführt, seine Achse hat schon zum Datumswechsel
den Nordosten Deutschlands, das Böhmische Becken und auch Südosteuropa erreicht,
zum Morgen ist er komplett durchgeschwenkt. Ihm folgt vorderseitig eines vom
nahen Ostatlantik auf die Britischen Inseln übergreifenden zweiten
Kurzwellentroges ein flacher Höhenrücken. Dieser wird durch anhaltende WLA
gestützt und ausgangs der Nacht bildet sich somit zwischen Westfrankreich und
Ostdeutschland eine leicht antizyklonalen Höhenströmung aus. Mit dem ersten Trog
korrespondiert ein Tiefdruckgebiet (QUILLA) bei den Britischen Inseln, das in
der Nacht von Nordengland/Südschottland zur mittleren Nordsee zieht. Die
Warmfront von QUILLA befindet sich aktuell im Bereich der Elbe, sie wird im
Weiteren nach Nordosten geschoben und überquert ausgangs der Nacht Rügen.
Derweil hat die Kaltfront vor kurzem auf den Westen übergegriffen, sie kann in
der zweiten Nachthälfte über dem Nordosten Deutschlands zur Warmfront
aufschließen, weiter Südlich überquert sie zur gleichen Zeit die Neiße. Während
sich die Warmfront im Nordosten ebenso wie der flache Trog im Südosten durch
leichten skaligen Niederschlag bemerkbar machen, der allmählich nach Nordosten
und Osten abzieht, führt die Kaltfront ein schmal geschnittenes
Niederschlagsband mit sich, in dem der Regen durchaus auch mal konvektiv
durchsetzt sein kann und somit lokal stärker ausfällt. Allzu heftig sollte es
mit den Schauern aber nicht werden, einerseits, weil die Kaltfront in der Höhe
zunehmend von dem flachen Rücken, der dem Trog folgt, überlaufen wird,
andererseits, weil die thermische Schichtung bei etwa -22°C in 500 hPa und
Temperaturen von 0°C bis 5°C (Nordost nach Südwest) in 850hPa recht stabil ist.
Die 850er Temperaturen sorgen auch dafür, dass an der Kaltfront - selbst in den
Hochlagen - keine herunterverirrte Flocke zu erwarten ist. Rückseitig der
Kaltfront kann die Wolkendecke durchaus einmal aufreißen, so dass es
vorübergehend stärker ausstrahlt. Das reicht ob des lebhaften Windes und der
damit passablen Durchmischung aber weder für die Ausbildung nennenswerter
Nebelfelder noch für ein Sinken der Temperaturen in den Frostbereich. Die
Tiefstwerte werden vielmehr in einer Spanne zwischen 11° im Südwesten und 3°C im
Nordosten erwartet. Der in die Nacht hinein im Südwesten noch lebhafte Wind
lässt mit Frontpassage durch den dann auffächernden Gradienten nach und weht in
der Nacht nur in einigen Hochlagen steif bis stürmisch (Bft 7 bis 8; Brocken,
Feldberg/Schwarzwald, Alpengipfel: Sturmböen). Zum Morgen zieht er aber im
Westen vorderseitig des Trogs über Westeuropa und einem sich in dessen Vorfeld
durch Druckfall ausbildenden Bodentroges wieder an, so dass denn im westlichen
Bergland erste steife Böen Bft 7 möglich sind.


Donnerstag ... steht die nächste Trogpassage ins Haus, die deutlich
wetteraktiver verläuft als die vorherige. Der oben bereits erwähnte markante
Kurzwellentrog bei den Britischen Inseln kommt rasch ostwärts voran und verliert
dabei nur in seinem nördlichen Bereich an Kontur. Nachmittags greift seine Achse
bereits auf das Vorhersagegebiet über. Er interagiert günstig mit dem
vorlaufenden Bodentrog und einem im thermischen Feld schwach ausgeprägten, an
den Bodentrog gekoppelten Frontensystem. Dieses wird mehr und mehr an das von
der Nordsee sehr zögerlich in Richtung Skagerrak ziehenden und sich allmählich
auffüllenden Tief QUILLA angebunden. Während die Warmfront des Troges schon in
der zweiten Hälfte der Nacht zum Donnerstag auf Deutschland übergreift und dabei
im Westen ersten Regen bringt, braucht die Kaltfront bis zum späten Vormittag um
Deutschland zu erreichen, wobei sie von einem markanten dynamischen Hebungsinput
(PVA) profitiert. Im Bereich des Bodentroges verschärft sich von West nach Ost
vorübergehend der Gradient, was vor allem für den Süden und die Mitte gilt. Dort
frischt der Südwest- bis Westwind im Tagesverlauf entsprechend böig auf und es
gibt verbreitet steife, vor allem in freien und höheren Lagen und in Schauernähe
auch stürmische Böen, in den Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen Sturm-
bzw. schwere Sturmböen. Im Norden und Osten - dort bleibt der Gradient an der
Nordflanke des Bodentroges aufgefächert - spielt der Wind dagegen außerhalb
eventueller Gewitter warntechnisch wohl keine Rolle. Allerdings zeigen die
Modelle hier noch unterschiedliche Lösungsvarianten auf. Bei UK10 ist auch das
Nordseeumfeld betroffen, bei AROME zum Nachmittag und Abend auch der Nordosten.
IFS ist grundsätzlich ein halbes bis ganzes Beaufort zackiger unterwegs als die
anderen Modelle (hier: ICON, GFS, UK10, AROME). Insgesamt kristallisiert sich
eine Grenze des warnwürdigen zum warnfreien Gebiet heraus, die etwa vom
Münsterland über das südliche Sachsen-Anhalt bis zum Erzgebirge verlaufen
sollte. Recht einheitlich lassen die Modelle rückseitig des Bodentroges und der
bis zum Abend die Oder und Neiße erreichenden Kaltfront den Gradienten flott
auffächern. Entsprechend lässt der Wind nach. Die Kaltfront schleift zum Abend
über dem Süden Deutschlands, nach Westen hin wird sie als Warmfront eines
Sturmtiefs südwestlich von Irland rückläufig. Präfrontal breiten sich die
zunächst eher skaligen Regenfälle über die Mitte rasch nach Osten aus und
erreichen bereits am frühen Nachmittag auch die Grenze zu Polen bzw.
Südostbayern, wobei südlich der Donau bis dahin wenig ankommt. Spätestens mit
Kaltfrontpassage und vor allem postfrontal nehmen sie aber Schauerform an und
mit Advektion zunehmend höhenkalter Luftmassen (im Trogbereich -26°C in 500 hPa
bei etwa +2°C in 850 hPa) steigt dann auch die Wahrscheinlichkeit für einzelne
Gewitter an. ICON-D2 simuliert bis etwa 200 J/kg ML-Cape vor allem in den
mittleren Landesteilen und aufgrund des scharfen Bodentroges steht neben
markanter hochreichender Scherung (20 bis 30 m/s in 0 bis 6 km Höhe) auch
einiges an bodennaher (Richtungs-)scherung zur Verfügung (um 15, teilweise bis
20 m/s in den unteren 1 bis 2 km). Dadurch kann im Vorfeld eventueller Schauer-
und Gewitterstaffeln einiges an sturmrelativer Helizität zur Verfügung stehen
(lokal bis 400 m²/s², dazu teils recht scharf gekurvte Hodografen in den
Prognosetemps), so dass durchaus auch rotierende Aufwinde möglich sind.
Entsprechend können neben schweren Sturmböen im Rahmen eventueller kleinräumiger
Bow-Echos auch kurzlebige Tornados nicht ausgeschlossen werden. Wie auch im
Bodenfeld folgt dem Trog
ein Rücken, dessen Achse abends bereits England und Zentralfrankreich erreicht.
In dessen Vorfeld setzt dann im Westen Deutschlands eingangs der Nacht eine
rasche Wetterberuhigung ein. Insgesamt kommt zwar einiges an Niederschlag
zusammen (meist 5 bis 15 l/qm in der Westhälfte und von dort Richtung Ostsee und
Richtung Franken). Lokale Spitzen um 20 l/qm arbeiten ICON, IFS, GFS und UK10
heraus, AROME kommt auf bis zu 30 l/qm, aber die Warnschwellen für Dauerregen
dürften wohl allenfalls punktuell tangiert werden. Nur geringe
Niederschlagsmengen (unter/um 5 l/qm werden im Südosten (Bayern/Sachsen) und in
den Leelagen erwartet. Die Sonne zeigt sich am ehesten an den Alpen und im
Alpenvorland. Vor allem im Norden bleibt es überwiegend stark bewölkt bis
bedeckt. Innerhalb der gut durchmischten milden Atlantikluft erreichen die
Höchsttemperaturen Werte zwischen 12 und 16°C in Norddeutschland und zwischen
13°C (Bergland) und 18 Grad in der Mitte bzw. im Süden; im Alpenvorland kann es
auch noch etwas milder werden.

In der Nacht zum Freitag zieht der Kurzwellentrog rasch ostwärts ab. Der durch
kräftige WLA vorderseitig des Höhentroges/Sturmtiefs westlich von Irland
gestützte Höhenrücken greift auf das Vorhersagegebiet über. Über Westeuropa
umläuft ein Kurzwellentrog den Rücken, der für eine flache und leicht
mäandrierende Rückenkontur sorgt.

Zusammen mit einem vorlaufenden Hochkeil im Bodenfeld sorgt er für eine rasche
Wetterberuhigung; die Schauer und eventuellen Gewitter ziehen bereits in der
ersten Nachthälfte nach Osten ab bzw. lassen im Bereich der über dem Süden
rückläufigen Front nach. Der anfangs in den Hochlagen noch böige Südwest- bis
Westwind nimmt ab und dreht nach Passage des Keils von West-Südwest auf zumeist
südliche Richtungen. Warnrelevent ist er ausgangs der Nacht nicht mehr (und
eingangs der Nacht wahrscheinlich auch nicht). Ausnahmen könnten exponierte
Gipfel darstellen (Brocken?). Im Bereich der vom Süden/Südwesten in die Mitte
vorankommenden rückläufigen Warmfront bleiben die Wolken zumeist dicht, auch im
Nordosten ist es oft stark bewölkt. Ansonsten kann es auch größere Wolkenlücken
geben. Den (äußersten) Nordwesten streifen die Gebiete der stärksten WLA und
somit können dort nicht nur dichte Wolken durchziehen, sondern eventuell auch
ein paar Tropfen fallen - bei auflebendem, aber nicht warnwürdigem Wind.
Aufgrund der teils dichten Bewölkung und der Advektion milder Atlantikluft (T850
zum Morgen im Westen und Südwesten schon bei +8°C) verläuft die Nacht mit
Tiefstwerten zwischen 11 und 5 Grad recht mild, lediglich in einigen Alpentälern
kann es noch etwas kälter werden.

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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag ... zieht der am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag um den
Höhenrücken herumlaufende Troganteil erst über Norddeutschland hinweg und dann
nach Skandinavien ab. Er sorgt im Norden im Bereich eines Bodentroges nochmals
für eine vorübergehende Gradientverschärfung mit dem Potential für Windböen im
Westen und Norden und stürmischen Böen in den westlichen Mittelgebirgen und (bei
südwestlicher Anströmung) Nordfriesland. Nachdem der Trog, der auch von
frontalen Niederschlägen (Gewitter nicht ausgeschlossen!) abgezogen ist, bleibt
nur noch der atlantische Langwellentrog "übrig". Auf dessen Vorderseite wölbt
sich dann über Westeuropa und dem westlichen Mitteleuropa ein durch kräftige WLA
gestützter massiver Höhenrücken auf. Die 850er Temperaturen steigen dabei bis
Samstagmorgen über Deutschland auf 5°C bis 13°C (Nordost nach Südwest), über
Südfrankreich werden sogar 19°C erreicht.

Die hier kurz skizzierten Abläufe decken sich weitgehend mit den in der
Frühübersicht dargestellten. Entsprechend können weitere Details dort
nachgelesen werden.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe recht ähnlich. Auf einzelne, insbesondere die
warnrelevanten Modellunterschiede bezügliche des Windes wurde im Text
eingegangen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas