DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-03-2024 09:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 30.03.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TB

Im Kurzfristzeitraum im Westen, Südwesten und Süden Gewitter, dabei schwere
Sturmböen, im weiteren Verlauf auch Starkregen nicht ausgeschlossen. Zeit- und
gebietsweise stark böig auffrischender Wind mit Sturmböen, in den Alpen
Föhnsturm.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges über
Westeuropa und dem nahen Ostatlantik. Damit stellt sich über Deutschland eine
südliche bis süd-südwestliche Höhenströmung ein. Auf der Vorderseite des
Langwellentroges wird ein markanter kurzwelliger Anteil von Südfrankreich über
Benelux hinweg bis zur Nordsee geführt. Im Bereich dieses Kurzwellentroges und
weiterer, deutlich weniger auffälliger Kurzwellenanteile, wird Hebung generiert,
die insbesondere im Südwesten und Westen zu Schauern und Gewittern führen
können. Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem Langwellentrog ein großräumiger
Tiefdruckkomplex mit Kern (bzw. mit mehreren Kernen) westlich der Britischen,
der markante Kurzwellentrog wird dagegen von einem kleinräumigen Tief begleitet,
welches von Nordfrankreich und Belgien bis fast zur Südspitze Norwegens
vorankommt. An seiner Westflanke wird der Gradient zusammengedrückt, was zum
Auftreten kräftigen Windes führen könnte. Diesbezüglich haben die Modelle in den
letzten Läufen eher einen Zahn zugelegt als dass sie die Windentwicklung
zurückgerechnet hätten. Die Deutsche Modellkette, gestützt z. B. von UK10,
bringt es im Westen im Tagesverlauf kurzzeitig auf 90 bis 100 km/h, dies an der
Südflanke (Druckanstiegswelle im Bereich der Kaltfront) des Tiefs und
unterstützt von hohen Scherungswerten und konvektiven Umlagerungen, die aber
nicht unbedingt von Schauern oder gar Gewittern begleitet sein müssen. Etwas
verhaltener bezüglich der Windentwicklung tritt AROME mit Böen bis etwa 80 km/h
auf, IFS belässt es bei stürmischen Böen bis maximal 75 km/h, wobei hier die
grobe Modellauflösung in die Betrachtung mit eingebunden werden muss, welche ja
tendenziell zu einer Unterschätzung der Böen führt. Während das beschriebene
kleinräumige Tief am Nachmittag mit der nordwärtigen Verlagerung an Einfluss auf
unser Wetter verliert, zieht am Nachmittag schon ein weiteres kleinräumiges Tief
(im Vorfeld eines weiteren Kurzwellentroges) in den Südwesten und von dort in
die Mitte. Insbesondere mit diesem können durchaus kräftige Gewitter verbunden
sein. Diese Aussage bezieht sich insbesondere auf die Böenentwicklung. Bei recht
großem bodennahem Spread und somit trockener Grundschicht und in der Folge einer
inversen V-Struktur des Feuchteprofils sind durchaus Sturmböen, eventuell auch
schwere Sturmböen denkbar. Die Sturmböenlösung favorisieren dabei u.a. die
deutsche Modellkette oder auch IFS, andere Modelle wie z.B. Kachelmanns Super-HD
setzen diesbezüglich noch einen drauf. Dort soll es in einem Streifen von
Nordbaden über das östlichen Rhein-Main-Gebiet bis nach Mittelhessen am Abend
und bis in die frühe Nacht sogar Orkanböen geben - bisher eine Einzellösung. Sie
zeigt aber auf, dass die Gewitterentwicklung sehr genau gemonitort werden muss.
Bezüglich der übrigen Gewitterzutaten sticht das simulierte CAPE ins Auge.
ICON-EU prognostiziert beispielsweise von Nordwürttemberg über Nordwestbayern
bis in die Mitte gebietsweise über 1000 J/kg, punktuell sollen sogar 1500 J/kg
erreicht werden. Diesbezüglich kommt aber auch noch der Saharastaub ins Spiel,
der uns den Tag über beschäftigen wird. Die Mit ihm verbundene Eintrübung könnte
allzu starken CAPE-Entwicklungen entgegenstehen und somit bildet er einen
weiteren Unsicherheitsfaktor in der Vorhersage. So es denn für Gewitter reicht,
könnte aber auch Hagel mit von der Partie sein. Der Blick auf die Luftmasse
zeigt, dass diese subtropischen Ursprungs ist, eine Aussage, die sich schon mit
der Erwähnung des Saharastaubs aufdrängt. Die 850er Temperaturen liegen im
Norden und Westen zwar zumeist nur bei 2 bis 4°C, wobei sie im Norden im
Tagesverlauf ansteigen, im Süden können sie mit Föhnunterstützung im
Tagesverlauf durchaus knapp an die 14°C erreichen. Der erwähnte Föhn
(Druckgradient Bozen - Innsbruck um 8 hPa) erreicht auf den Alpengipfeln
orkanartige Böen oder sogar Orkanstärke (Bft 11 oder 12). Dort, wo sich die
Berge nicht ganz so exponiert präsentieren, reicht es für (schweren) Sturm Bft 9
bis 10. Und vor steifen Böen oder einzelnen stürmischen Böen sind selbst die
föhnanfälligen Tallagen nicht gefeit. Von den Alpen bis zur Ostsee präsentiert
sich das Wetter sehr sonnig (oder durch Staub getrübt), in den übrigen Gebieten
sind - entsprechend der obigen Beschreibung - mehr Wolken unterwegs. Die
Südströmung sorgt für milde 15°C in der Eifel, in der Lausitz kann MOSMIX sich
mit bis zu 26°C sogar einen Sommertag vorstellen.

In der Nacht zum Ostersonntag ändert sich an der großräumigen synoptischen
Situation (Langwellentrog mit korrespondierendem Bodentief über Westeuropa und
dem nahen Ostatlantik) nichts Wesentliches. Das kleinräumige Tief, welches den
Südwesten und die Mitte traktiert hat, verlagert sich zur westlichen Ostsee.
Zusammen mit dem Tief vor der Südspitze Norwegens, das kaum noch
Verlagerungstendenzen zeigt, bildet es zum Morgen eine flache Tiefdruckrinne,
die von der nördlichen Nordsee bis zur Lausitz verläuft. Die Kaltfront des Tiefs
erreicht bis zum Morgen im Norden kaum wetterwirksam die Lüneburger Heide. Im
Süden dagegen, wo zum Morgen Schwaben das Ziel ist, kann noch etwas Niederschlag
fallen. Dieser ist zwar teils konvektiv durchsetzt sein, für Gewitter sollte es
aber alsbald nicht mehr reichen. Die wahrscheinlich konvektiv hervorgerufenen
Niederschlagsspitzen liegen bei ICON-D2 wie auch bei ICON-EU im Bereich von 10
bis 15 l/qm in 12 Stunden. Da haben die externen Modelle (AROME, IFS, GFS, UK10)
allerdings einen anderen Blick auf die Sachlage. Allenfalls punktuell knapp mehr
als 5 l/qm haben letztere im Programm. Die Windsituation entspannt sich
weitestgehend, nur der Föhn an den Alpen bleibt erhalten, was beim Blick auf den
nur wenig schwankenden Druckunterschied Bozen-Innsbruck nicht überrascht.
Immerhin soll dieser ausgangs der Nacht etwas zurückgehen, was beim Föhn eine
sehr moderate Abschwächung zur Folge haben könnte. Abgesehen vom oftmals gering
bewölkten oder klaren Osten und Nordosten tummeln sich zumeist viele Wolken am
Himmel, im Westen kann sich vielleicht lokal Nebel bilden. Die Tiefstwerte
bewegen sich in einer Spanne von 10 bis 6°C, im Bergland etwas darunter, in
Ostsachsen eventuell etwas darüber.


Sonntag... ,genau genommen auch schon in der Nacht zum Sonntag, kommt es in der
Trogstruktur kleinräumig zu Veränderungen. Ein kräftiger, aber immer noch als
kurzwellig zu bezeichnender Troganteil läuft von der Iberischen Halbinsel
kommend in Richtung Biskaya. Auf seiner Vorderseite, entwicklungsgünstig unter
dem linken Jetausgang gelegen, kräftigt sich ein kleinräumiges Tief, das bis zum
Abend bis zum Ärmelkanal vorankommt und mit dem steuernden Zentraltief eine
zonal orientierte Tiefdruckrinne bildet. Dies ist insofern von Interesse, als am
Nachmittag und Abend sowie in die Nacht hinein ein weiterer Troganteil auch im
Lee der Pyrenäen die Entwicklung eines Tiefs forciert, dass sich dann im
Weiteren der beschriebenen Tiefdruckrinne anschließt. Doch dazu später mehr.
Vorerst kratzen nur das Ärmelkanal-Tief und der zugehörige Trog den äußersten
Westen Deutschlands an. Zwar sind südlich des Mains auf den ersten Blick die
Rahmenbedingungen für Gewitter besser als im Westen. Immerhin kann der Süden mit
CAPE-Werten bis 800 J/kg, mit hohen Lapse-Rates bis unter -0,8 K/100m und auch
etwas Scherung punkten. Allerdings sind die Ausläufer des kurzwelligen
Troganteils dort nur schwach auszumachen und im gradientschwachen Bodendruckfeld
fehlen die konvergenten Hebungsimpulse. Die Modelle gewichten die genannten
Zutaten letztendlich unterschiedlich. Während ICON-D2 im Laufe des Nachmittags
eine vom Süden bis zum Main vorankommende, zwar bröselige, aber immerhin als
Linie erkennbare Gewitterstruktur vorhersagt, schwingt sich ICON-EU nur zu
einzelnen Gewittern im Süden auf, vornehmlich über den Mittelgebirgen und mit
einem leichten "Hang" nach Westen. Über dem Westen selbst, etwa von der Pfalz
bis zum Niederrhein, herrscht dann wieder Einigkeit. Zumindest bezüglich der
dynamischen Hebung, die dort für Schauer und Gewitter ausreichen sollte. Bei den
Begleiterscheinungen der Gewitter bricht dann aber schon wieder Zwist aus.
Während IFS die Höhenwinde in 850 hPa eher mau mit etwa 25 kt ansetzt, will GFS
bis zu 45 kt sehen. ICON-EU und UK10 liegen dazwischen, aber für die möglichen
Böen an den Schauern und Gewittern sind das natürlich völlig andere Welten. Mit
dieser Unsicherheit schreibt man am Ende, dass Sturmböen nicht ausgeschlossen
sind. Für Starkregen sollte die Zuggeschwindigkeit der Zellen bei PPWs zwischen
15 und 20 mm zu groß sein, kleiner Hagel ist bei moderater Scherung und
moderatem CAPE sicherlich eine Option. Zu all den Überlegungen kommt auch am
Sonntag wieder der Saharastaub, der vieles, was sich die Modelle ausgedacht
haben, wieder über den Haufen werfen könnte. Also: Nowcasting! Das gilt übrigens
auch für den Norden, wo die Kaltfront des Ostseetiefs, die ein leichtes
Wellenmuster aufweist, im Zusammenspiel mit dem Tief selbst für schauerartige
Niederschläge sorgt. Recht klar ist die Situation dagegen an den Alpen. Der Föhn
lebt nach kurzer Abschwächung wieder auf und erreicht etwa die Stärke des
Vortages. Mit der Kaltfront, die im Süden etwas schleift und sich abschwächt,
wird die subtropische Luft nach Osten abgedrängt. Die 850er Temperaturen liegen
zum Abend daher nur noch in Bayern und Sachsen über 10°C (dort soll es auch am
sonnigsten sein), im Nordwesten sind es nur etwa 5°C. Die Höchstwerte liegen
nach MOSMIX demzufolge auch nur noch bei 11 bis 22°C, mit den höchsten Werten in
der Lausitz und in Südostbayern, wobei ein eventueller "Saharastaub-Malus" noch
nicht abgezogen wurde.

In der Nacht zu Montag erreicht das Pyrenäen-Tief den Süden Deutschlands, genau
genommen spaltet es sich auf dem Weg nach Norden/Nordosten sogar auf, das
kräftigere Tief zieht nach Süddeutschland, das schwächere nach Benelux.
Letztendlich schließen sie sich, wie angekündigt, der Tiefdruckrinne an, die
damit ausgangs der Nacht vom Nordatlantik über die Nordsee bis nach
Süddeutschland verläuft. Der zu den Tiefs gehörende Kurzwellentrog weist zum
Morgen im Bereich von Nordfrankreich sogar schon ein abgeschlossenes Höhentief
auf. Dessen Dynamik sorgt an den in der zweiten Nachthälfte von Frankreich
hereinziehenden Niederschlägen für kräftige Schauer und auch Gewitter, die
zumeist im auf der Nordflanke des Tiefs oft im gelben, auf der West- und
Südflanke des Tiefs dagegen im markanten Bereich liegen sollten. Westlich des
Tiefs kann durch eine Gegenstromlage durchaus Starkregen auftreten, auf der
Südflanke des Tiefs zieht dagegen der Gradient wieder an, womit Sturmböen
durchaus im Bereich des Möglichen sind (oder, genauer gesagt, wieder alles
zwischen schweren Sturmböen (ICON-D2) und einer bei weitem nicht warnwürdigen
frischen Brise (UK10). Im Norden laufen sich die ICON-D2-Gewitterlinie bzw. die
ICON-EU-Einzelgewitter tot, es bleibt zumeist ungewittriger, hier und da
schauerartig verstärkter Regen übrig. Die Tiefstwerte bewegen sich in einer
Spanne von 10 bis 5°C.


Montag... und in der Nacht zum Dienstag zieht die Tiefdruckrinne über den Norden
Deutschlands hinweg und erreicht am Dienstagmorgen Dänemark und die Ostsee. Auf
ihrer Südflanke wird erwärmte Subpolarluft herangeführt (T850 am Dienstagmorgen
deutschlandweit um 1°C). Darüber hinaus zieht der Gradient an und damit frischt,
bei noch sehr großen Modellunterschieden, der Wind auf mit Böen bis zur
Sturmstärke (laut ICON-EU, IFS etwas dezenter, UK10 deutlich zurückhaltender).
Mit der Rinne sind teils kräftige Niederschläge und auch Gewitter verbunden. Bei
den Gewittern dürften Starkregen, Hagel und Sturmböen zumindest nach jetzigem
Stand wieder eingepreist werden. Die Lösung des amerikanischen GFS könnte sogar
Dauerregen über Norddeutschland hergeben.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen schon recht früh und auch recht deutliche Unterschiede. Ob
bei der Windentwicklung, der Wahrscheinlichkeit für Gewitter oder bei deren
Begleiterscheinungen, die Schwankungsbreite ist für ein Zeitfenster von +72
Stunden enorm (und teils zeigen sich die Unterschiede ja auch schon in den
ersten 24-48 Stunden. Beispiele für die Modellunterschiede wurden im Text
erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas