DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-03-2024 18:30
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 23.03.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Höhentrog im Retro-Modus - auch Sonntag wechselhaft, windig und kühl.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland mittemang unter einem veritablen, mit
hochreichend labil geschichteter Kaltluft betankten Höhentrog.
850iger-Temperaturen um -3°C, 500er-Werte um -33°C sprechen eine deutliche
Sprache, mit welch einer Luftmasse es wir hier zu tun haben. Und so verwundert
es auch nicht, dass uns das Radarbild heute Nachmittag einen Streuselkuchen vom
allerfeinsten kredenzt hat mit Schauern und Gewittern satt, aber leider ohne
Kaffee.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Achse des Potenzialtroges gen Osten.
Da aber gleichzeitig von der Nordsee und Benelux her ein neuer Randtrog in die
Rückseite des Haupttroges hineinläuft, wird dieser nicht nur regeneriert,
sondern auch scheinbar retrograd. Schaut man sich die Vorhersage für morgen
Sonntagmittag an, könnte man als Unbedarfter meinen, der Trog hätte sich
gegenüber heute überhaupt nicht bewegt.

Vom Potenzial zum Luftdruck, der Deutschland am Südrand einer umfangreichen
Tiefdruckzone über Nordeuropa zeigt. Am meisten relevant für uns ist KILIA die
Erste, ein kleines Tief dicht vor der südnorwegischen Westküste. Zwar hat Madame
ihren Karrierehöhepunkt schon deutlich überschritten, doch frei nach dem Motto
"je oller, desto doller" verfügt das Tief noch über ausreichend Energie, um uns
am morgigen Palmsonntag ordentlich zu beschäftigen. Dazu muss es uns allerdings
noch etwas dichter auf die Pelle rücken, was es aber auch tut. Morgen früh 06
UTC überschreitet das Tief die Grenze zwischen den Seegebieten Fischer und
Deutsche Bucht, begibt sich sozusagen in Lauerstellung, um tagsüber richtig
zuzuschlagen.

Bis es soweit ist, dauert es allerdings noch ein paar Stunden, in denen
tagesgangbedingt nicht nur der Wind an Mobilität verliert, sondern auch die
Konvektion Einbußen akzeptieren muss. Ganz kommt die Schauerei aber nicht zum
Erliegen. Vor allem im Süden stehen weitere Schauer oder schauerartige
Niederschläge auf dem Programm, bei denen elektrische Entladungen aber immer
seltener werden. Dafür sinkt die Schneefallgrenze auf etwa 600 bis 400 m, was in
Teilen Süddeutschlands Schnee bis in tiefe Lagen bedeutet. Zwar bleibt der nicht
überall liegen, für etwas Schneematsch oder nassen Schnee kann es hier und da
schon reichen. Oberhalb etwa 800 m akkumuliert sich die Neuschneedecke auf 1 bis
5, im Allgäu bis zu 10, im Hochgebirge lokal bis 15 cm.
Während im Osten und Nordosten sowie in der östlichen Mitte kaum noch Schauer
auftreten, tauchen im Westen und Nordwesten nach Mitternacht neue schauerartige
Niederschläge auf, die auf der Vorderseite des o.e. Randtrogs initiiert werden.
In den westlichen Mittelgebirgen fällt oberhalb 400 bis 600 m etwas Schnee, der
im Hochsauerland eine dünne Schneedecke generieren kann.

Kurz noch eine Bemerkung zu Wind und Temperatur. Trotz polarer Luftmasse und
einigen Wolkenlücken bzw. klaren Abschnitten beschränkt sich leichter Frost auf
die Hochlagen der Mittelgebirge sowie höhere Alpentäler (stellenweise
Glättegefahr durch gefrierende Nässe). Windtechnisch steht wie bereits
angedeutet eine verbreitete Abnahme auf der Karte. Windig bis stürmisch bleibt
es dagegen durchweg in exponierten Hochlagen sowie längere Zeit auch noch an der
Nordsee.

Sonntag ... bleiben uns Höhentrog und labile Polarluft (T850 um -3°C, T500 um
-33°C) aus den oben genannten Gründen erhalten. Derweil steuert das Bodentief
KILIA I die dänische Insel Römö an, wo es zur Mittagszeit knapp nördlich die
Kimbrische Halbinsel entert. Zwar füllt sich das Tief weiter auf bis knapp unter
995 hPa. Trotzdem reicht die Differenz zum über den Alpen zonal positionierten
Hochkeil aus, um einen mehr als soliden Gradienten zu gewährleisten, der den
westlichen, im Nordosten eher südwestlichen Wind mit Hilfe des Tagesgangs
ordentlich in Schwung bringt. Unterstützung bekommt das Tief von einem auf den
Westen und Nordwesten übergreifenden Bodentrog, der nicht nur eine Stauchung der
Isobaren bewirkt, sondern zudem mit einem kleinen Low-Level-Jet korreliert.
Höhenwinde bis 40 Kt, auf 850 hPa vereinzelt 45 Kt sorgen aufgrund des guten
vertikalen Impulsaustausch für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für stürmischen
Böen oder Sturmböen 8-9 Bft insbesondere in Verbindung mit Konvektion.

Aber auch in den anderen Regionen setzt der Wind morgen wieder ein paar
ordentliche Duftmarken in Form von Böen 7-8 Bft, im höheren Bergland 9 oder
vereinzelt 10 Bft. Etwas weniger windig als im großen Rest geht es im Nordosten
zu, wo erstens der Gradient am weichsten ist und zudem die Konvektion mangels
Scherung nicht wirklich gut ausgeprägt ist. Böen 7 Bft dürften dort die Ausnahme
bleiben, so dass wir gebietsweise sogar warnfrei über die Runden kommen könnten.


Ansonsten stehen auch morgen wieder zahlreiche Niederschläge auf der Karte,
garniert mit einzelnen kurzen Kaltluftgewittern. Neben Regen treten dabei auch
Graupel, vereinzelt kleinkörniger Hagel und oberhalb 400 bis 600 m Schneeflocken
auf, die wohl aber erst ab 700-800 m richtig liegenbleiben und ein paar
Zentimeter Neuschnee generieren. Im Gegensatz zu heute zeichnet sich insgesamt
mehr Bewölkung ab, sprich, die sonnigen Phasen zwischen den Schauern fallen
kürzer, in der Nordhälfte z.T. sogar ganz aus. Offensichtlich sorgt schwache WLA
in der unteren und mittleren Troposphäre (leichte Rechtsdrehung des Windes mit
der Höhe) für einen etwas größeren stratiformen Bewölkungsanteil sowie eine
erhöhte Neigung zur Verclusterung der Schauer. Gänzlich unstrittig ist das
überaus dünne thermische Niveau, auf dem wir uns auch morgen bewegen werden.
Einstellige Tageshöchsttemperaturen zwischen 6 und 9,X°C sind Trumpf, im höheren
Bergland naturgemäß eher weniger. Einzig im Rheintal könnte es lokal für 10°C
oder wenige Zehntel darüber reichen.

In der Nacht zum Montag beginnt sich der Höhentrog in Richtung Osten zu bewegen.
Dieses Mal rettet ihn kein neuer Randtrog, weil zu weit weg über dem Nordmeer.
Stattdessen nähert sich von Westeuropa her ein relativ flacher Rücken, der das
Ergebnis eines downstream-developments in Folge einer Austrogung respektive
Zyklogenese über dem Ostatlantik ist (vorderseitige WLA => Potenzialgewinn). Am
Boden fächert der Druckgradient zusehends auf, weil auf der Rückseite des über
die dänischen Inseln nach Nordwestpolen ziehenden Tiefs der Druck im Norden und
Osten ansteigt, während er in den übrigen Regionen weitgehend gleichbleibt.

Unter dem Strich bedeutet das im Laufe der Nacht eine kontinuierliche
Windabnahme, bei der am Morgen nur noch in den Hochlagen der Alpen sowie der
südöstlichen, östlichen und zentralen Mittelgebirge (inkl. Brocken) Böen 7-9 Bft
um West übrigbleiben. Ebenfalls auf dem absteigenden Ast befindet sich die
Konvektion, die neben dem Abzug des Troges auch noch mit dem Tagesgang zu
kämpfen hat. Zwar gehen Schauer bzw. schauerartige Niederschläge nicht gänzlich
in die Knie, insgesamt ziehen sie sich aber mehr und mehr in die Osthälfte
zurück. Oberhalb 400 bis 600 m fällt noch etwas, im Erzgebirge und an den Alpen
auch etwas mehr Schnee (teils um oder etwas über 5 cm) - die letzten Grüße des
winterlichen Teilintermezzos vom Wochenende. Dazu gehört auch, dass die
Temperatur in höheren und mittleren Lagen der Mittelgebirge sowie in höheren
Alpentälern wieder in den leichten Frostbereich zurückgeht.

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Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag ... kann als typischer Übergangstag zwischen der scheidenden Troglage vom
Wochenende und der bevorstehenden milden Süd- bis Südwestlage der nächsten Tage
bezeichnet werden. Dabei überwiegt leichter Zwischenhocheinfluss, der vor allem
im Süden sowie an der Nordsee erhöhte Werte direkter Solarstrahlung zur Folge
hat. Nicht ganz so optimistisch sieht es in Richtung Osten und Nordosten aus, wo
sich noch Reste der labilen Polarluft vom Wochenende halten. Zwar wird die
feuchte Grundschicht durch einsetzendes Absinken mehr und mehr gestaucht, doch
liegt die Inversion anfänglich bei 700 hPa noch hoch genug, um ein paar
überwiegend schwache Schauer zu induzieren.

Wer mehr Details über die Abläufe am Montag erfahren möchte, dem sei die
Synoptische Übersicht Kurzfrist von heute früh ans Herz gelegt. Die dort
getroffenen Aussagen behalten ihre Gültigkeit, weil der neue 12-UTC-Lauf von
ICON sowohl im internen (Konsistenz), als auch im externen Modellvergleich
keinerlei Auffälligkeiten zeigt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann