DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-03-2024 18:01
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 08.03.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
ELFI vs. KLEMENS und JASPER, Tief vs. Hoch. Deutschland am Wochenende genau
dazwischen mit zunächst noch stark antizyklonalen Touch und Föhnsturm in den
Alpen. Milder.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
----------------------------------------------------------------
Aktuell ... geht so ganz allmählich ein Tag zu Ende, der in puncto Sonnenschein
ordentlich punkten konnte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Rede ist von
einigen zähen Nebel- oder Hochnebelfeldern im Süden/Südwesten sowie im äußersten
Norden - schien den ganzen lieben Tag die Sonne von einem meist wolkenlosen
Himmel. Etwas gedämpft wurde das strahlungsreiche Vorfrühlingsambiente durch
einen mitunter leicht ruppig daherkommenden Ostwind sowie das etwas unterkühlte
Temperaturniveau in der einfließenden kontinentalen Polarluft (xP). So konnte
die Temperatur nur in der Südwesthälfte, und dort mitnichten überall, die
10°C-Marke erreichen respektive knapp überschreiten (Spitzenreiter
Ohlsbach/Oberrhein mit 13,0°C), während z.B. auf Fehmarn nur ganz, ganz schmale
3°C (genau genommen waren es an der Station nur 2,8°C) gemessen wurden.

Treibende Kräfte auf der großräumigen Wetterkarte sind das umfang- und
hochreichende Hochdruckgebiet KLEMENS/JESPER über Nordeuropa, von dem aus sich
ein ausgewiesener Keil bis hinunter zum westlichen Teil des Schwarzen Meeres
erstreckt. Als zyklonaler Konterpart fungiert ein sehr selbstbewusst
auftretendes, inzwischen abgetropftes Tief namens ELFI, das sich unter
Vertiefung Richtung 980 hPa am Westrand der Biskaya aufhält. Paritätisch
aufgeteilt erzeugen die beiden Protagonisten bei uns einen leidlichen
Druckgradienten, der sich in den nächsten Stunden bei leichtem Druckfall kaum
verändert. Der daraus resultierende Ostwind bleibt insbesondere über der freien
Nordsee inkl. einiger Inseln sowie in höheren Lagen lebhaft unterwegs. Während
auf der Nordsee bei Windstärke 7 Bft Schluss ist, fallen exponierte Kamm-,
Kuppen- und Gipfellagen (nicht im Westen und Südwesten, wo der Gradient
aufgefächerter daherkommt) durch stürmische Böen oder sogar Sturmböen 8 bis 9
Bft auf, weil neben dem Gradienten auch noch Low-Level-Effekte eine Rolle
spielen. In den Hochlagen der Alpen kommt so ganz allmählich der Südföhn in Gang
und im bzw. am Erzgebirge schmeißt der Böhmische Wind seine Kurbel an (ganz oben
8, vereinzelt 9 Bft, in südost-nordwest ausgerichteten Tälern vereinzelt 7 Bft).


Wo Böhmischer Wind, da das Böhmische Becken nicht weit. Und genau von dort
können in den nächsten Stunden einige Hochnebelfelder auf die deutsche Seite,
insbesondere ins Erzgebirgsvorland sowie ins sächsische und bayerische Vogtland
driften. Ansonsten tut sich die Nebel- oder Hochnebelproduktion in der trockenen
Kontinentalluft schwer, so dass von wenigen Ausnahmen abgesehen (etwa die Region
Oberschwaben-Bodensee-Hochrhein, wo sich der Hochnebel tagsüber zuletzt
aufgelöst hat) die Nacht sternenklar verläuft. Eine kleine Einschränkung wäre
noch zu erwähnen. So breiten sich von Ostfrankreich und der Schweiz hohe
Wolkenfelder (Cirren) und vielleicht ein paar AS/AC-Schollen über der
Südwesthälfte aus. Wenn man so will erste zaghafte Abgesandte der gestrengen
ELFI mit der Botschaft "liebe Freunde in Deutschland, fühlt euch nicht zu
sicher, ihr werdet noch von mir hören".

Ach ja, fast vergessen, außer in einem von der Nordsee bis hinunter nach
Südbaden reichenden Streifen sowie in unmittelbarer Küstennähe kühlt die Luft
auf 0°C oder in den leichten Frostbereich ab.

Samstag ... verlagert sich die hochreichende ELFI langsam aber sicher in
Richtung bretonische Westküste, wodurch das Tief auch dem Vorhersageraum
näherkommt. Zwar füllt es sich im Tagesverlauf etwas auf bis auf knapp unter 990
hPa, was aber nichts daran ändert, dass der Luftdruck bei uns weiter fällt.
Anders hingegen die Situation südlich der Alpen, wo durch die sich verstärkende
Südströmung der Druck staubedingt steigt. Auf schweizer Seite wird ein
Süd-Nord-Überdruck von am Tagesende rund 12 hPa (Lugano-Zürich), auf
österreichischer Seite von rund 6 hPa (Bozen-Innsbruck) erzeugt. Damit wird der
Föhn weiter getriggert und die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass sowohl in den
typisch föhnanfälligen Tälern des Alpenrands als auch am östlichen Bodensee (vom
schweizer Rheintal her) ein paar steife Böen 7 Bft auftreten. In den Hochlagen
bleibt es stürmisch, wobei exponiert vereinzelte schwere Sturmböen 10 Bft nicht
ausgeschlossen werden können. Ansonsten bleibt der östliche Wind vor allem in
einigen Hochlagen, am Erzgebirge (Böhmischer Wind) sowie an der Küste
einigermaßen prominent unterwegs, wobei sich in den Hochlagen tendenziell aber
eine Abnahme gegenüber der Nacht abzeichnet. Und auch an der Küste verschiebt
sich der Korridor mit dem stärksten Gradienten und mithin auch dem stärksten
Wind vorübergehend etwas nach Norden, wodurch zumindest die niedersächsische
Nordseeküste und die Küste MVs sehr wahrscheinlich warnfrei bleiben können (< 7
Bft).

Vom Wind zum Wetter, wo es zunächst mal einen kleinen Randtrog zu erwähnen gilt,
der sich auf der diffluenten Vorderseite des Höhentiefs von Süden her über die
Mitte bis nach Norden vorarbeitet. Dabei gewinnt der Trog soweit an Schärfe,
dass er in den Abendstunden möglicherweise über Nordostdeutschland abtropft.
Fakt ist, dass auf seiner Vorderseite leichte Hebung generiert wird, die für
eine Streckung der Grundschicht sorgt. Liegt die Absinkinversion in
Mitteldeutschland um Mitternacht noch etwa bei 900 hPa oder sogar etwas drunter,
findet sie sich am Samstagnachmittag zwischen 850 (mehr nach Westen hin) und 800
hPa (mehr nach Osten hin) wieder. Gerade im Osten sinkt dadurch die
850-hPa-Temperatur auf bis zu -3°C. Hinzu kommt - ausgelöst durch eine räumlich
begrenzte Druckanomalie - eine leichte Strömungskonfluenz (etwa 90° vs. 120°),
die ebenfalls hebungsfördernd wirkt. Unter dem Strich ergibt sich ein Korridor,
der am Mittag vom Erzgebirge und der Niederlausitz über Sachsen-Anhalt und
Niedersachsen bis hoch zur Nordsee reicht, in dem sich tiefe Wolken entwickeln
oder sich Teile des morgendlichen Hochnebels nordwestwärts ausbreiten. Für einen
komplett bedeckten Himmel wird es sicherlich nicht reichen, vor allem nach
Nordwesten hin nicht. In der östlichen Mitte könnte es zeit- und gebietsweise
aber schon eine nachhaltige Unterbrechung direkter Sonneneinstrahlung geben. Am
Nachmittag und Abend verlagert sich der Korridor dann langsam nordostwärts,
wobei die Bewölkung tendenziell wieder weniger wird. Es bleibt trocken, nur
vereinzelt ist etwas Nieselregen im Osten sowie der östlichen Mitte nicht
ausgeschlossen.

Der Rest ist schnell erzählt. Abgesehen von immer mal wieder durchziehenden
hohen, im Südwesten mitunter auch mittelhohen Wolkenfeldern scheint häufig die
Sonne. Dabei wird es wärmer als heute. Im Süden und Westen, wo T850 auf 4 bis
7°C steigt, stehen 12 bis 16°C, vereinzelt vielleicht 17°C auf der Karte.
Ansonsten werden 8 bis 12°C angepeilt, an der Ostsee bei auflandigem Wind lokal
noch etwas weniger.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt ein markanter Randtrog über die Pyrenäen und
den Löwengolf nordostwärts, was über den Alpen eine Komprimierung der Isohypsen
ergo eine Verstärkung der südlichen Höhenströmung bewirkt. Entsprechend legt der
Föhn noch etwas zu, so dass in Gipfellagen auch einzelne schwere Sturmböen 10
Bft, vielleicht sogar orkanartige Böen 11 Bft nicht ausgeschlossen werden
können. Zunehmen tut der auf Ost bis Nordost drehende Wind nun auch wieder an
der Küste, wo neben zahlreichen 7er-Böen wohl auch die ein oder andere "8"
anzutreffen sein wird. Dafür verliert der Böhmische Wind rund ums Erzgebirge
etwas an Substanz.

Darüber hinaus ziehen der o.e. Randtrog und das mögliche Cut-Off-Tief nach
Norden ab, wobei über der Ostsee sogar ein paar Regen-, laut ICON in Dänemark
sogar einzelne Schneeschauer auftreten sollen. Die tiefe Bewölkung löst sich im
Norden und Nordosten vielfach auf, gebietsweise reicht es aber für ein paar
Hochnebelfelder. Mit zunehmender WLA verstärkt sich von Süden und Südwesten her
die Zufuhr hoher und mittelhoher Wolken, aus denen im Südwesten stellenweise
sogar ein paar Tropfen fallen sollen. Mag sein, dass die Tropfen fallen. Ob sie
unten allerdings ankommen, ist angesichts der relativ trockenen Grundschicht,
durch die die Tropfen ja durchmüssen, mehr als fraglich. Weniger fraglich ist
die thermische Entwicklung. Zwar kühlt es allgemein ab, was in Nächten aber
nichts Besonderes ist. Im Gegensatz zu den Vornächten verbleibt zumindest die
Lufttemperatur aber überwiegend im Plus. Einzig in der Mitte, wo es längere Zeit
nur gering bewölkt oder sogar klar bleibt, sind stellenweise noch mal leichte
Minusgrade drin.

----------------------------------------------------------------

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag ... Die weitere Entwicklung bis Montagfrüh wurde sehr ausführlich in der
heutigen Frühübersicht behandelt. Dem ist nicht viel hinzuzufügen, weil die
Basisfelder im aktuellen ICON-Lauf von 12 UTC sehr den jüngsten
Vorgängerversionen ähneln. Das ändert aber nichts daran, dass gerade
hinsichtlich der detaillierten Niederschlagsabläufe noch ein paar Fragen offen
sind, die im Wesentlichen der Konfiguration, der Intensität und der Zugbahn des
am Sonntag entstehenden und in Folge nordwärts ziehenden Leetiefs (Föhntief)
geschuldet sind.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Beim Modellvergleich gelten die gleichen Aussagen wie im Kapitel zuvor. Der
grundlegende Kurs sowie die synoptischen Abläufe sind unstrittig. Dass der
daraus resultierende Wetterablauf Unschärfen aufweist (insbesondere zum Montag
hin mit den von Südwesten aufkommenden Regenfällen), liegt in der Natur der
Sache.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann