DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-03-2024 09:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.03.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Sz (Süd zyklonal)

Unspektakulärer Frühlingsstart. Auch am Wochenende wenig bis keine Dynamik, dazu
tagsüber mild bis sehr mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... 1. März, es kann losgehen. Der "harte" und "extrem schneereiche",
über weite Strecken fast nicht zu ertragende Winter ist vorbei. Der Frühling
beginnt - zumindest auf dem Papier. Meteorologische Jahreszeiten heißt das
Stichwort und da wird genau heute der Frühling eröffnet. Standesgemäß möchte man
hinzufügen, zumindest was das thermische Niveau angeht. Zwar ist die Temperatur
in der vergangenen Nacht gebietsweise in Gefrierpunktnähe respektive in den
leichten Frostbereich zurückgegangen, aber bitte liebe Leut´, noch sind die
Nächte lang. Tagsüber geht´s dann ordentlich nach oben, insbesondere dort, wo
sich die Sonne für längere Zeit die Ehre gibt. Doch schauen wir erst mal, wie
die Großwetterlage so aufgestellt ist.

Protagonisten auf der Geopotenzialseite sind ein fetter Trog über dem nahen
Atlantik sowie ein nicht minder mächtiger Rücken über dem nahen Osteuropa. Beide
Gebilde weisen eine ordentliche Amplitude auf und besonders der Trog gliedert
sich in mehre Einzelteile, die zumindest der Chronistenpflicht halber Erwähnung
finden sollten. Los geht´s ganz weit im Norden über der Grönlandsee, wo sich im
Trog ein abgeschlossenes Höhentief befindet, das sich aber allmählich auffüllt
und mit dem Doppeltief ZAIRA liiert ist. Das zweite Drehzentrum hat UK/Irland
okkupiert und macht dort gemeinsame Sache mit BEATRIX, einem zentralsteuernden
und nahezu unbeweglichem Tief mit etwas unter 985 hPa im Tank. Zu guter Letzt
wäre da noch der Anschluss zu einem Teiltrog und einem weiteren Höhentief über
dem westlichen und zentralen Mittelmeer zu nennen, das ebenfalls mit einem
Bodentief über Oberitalien (int. Emil) interagiert. Wenn man jetzt noch bedenkt,
dass über der Nordsee das flache, nahezu unscheinbare Tief ALEKSANDRA
rumgeistert, dann klingt das nach einem hochkomplexen Konstrukt mit mordsmäßigen
Wettererscheinungen. Nun gut, für manche Regionen mag das stimmen,
beispielsweise für die Alpensüdseite oder die genannten Mittelmeerregionen. Bei
uns in Deutschland hingegen gestaltet sich der heutige Freitag unspektakulär,
wenn auch in Summe leicht wechselhaft.

Fangen wie im Westen an, wo derzeit die Kaltfront der o.e. ALEKSANDRA dabei ist,
von Benelux und Ostfrankreich her Gebietsansprüche auf deutscher Seite
anzumelden. Mit Erfolg, wenn man sich den Verlauf der nächsten Stunden anschaut.
So wird die Kaltfront langsam aber sicher Boden nach Osten hin bis etwa in die
Mitte gutmachen, ohne dabei aber nennenswerte Impulse zu setzen. Wolken ja,
Regen kaum, was schlichtweg an der mauen Baroklinität sowie dem mangelnden
Support aus höheren Troposphärenschichten liegt. Rückseitig gelangt eine Portion
erwärmter Meeresluft subpolaren Ursprungs in den Westen (mPs), in der T850 von
leichten Plusgraden auf Werte um 0°C zurückgeht. Hinter der Front lockert die
Wolkendecke wieder auf, so dass sich mitunter die Sonne blicken lässt.
Gleichzeitig lebt der südliche Wind hin und wieder etwas auf, was an exponierten
Stellen wie z.B. dem Eifellee vereinzelte steife Böen 7 Bft heraufbeschwören
kann. Auch auf dem Brocken oszilliert der Südwestwind in Böen zwischen Stärke 7
und 8 Bft, was dort aber eher unterer Standard ist.

Auffällig im Radar ist ein kleines präfrontales Regengebiet, das derzeit aus der
Schweiz heraus nach BaWü zieht. Es sieht in der Radarbetrachtung nach mehr aus
als es letztlich ist, wie die die Bodenmessungen belegen. So kommt der
Niederschlag nicht überall unten an, was der vergleichsweise trockenen unteren
Troposphäre geschuldet ist. Auslösendes Moment ist übrigens Gegenstrom mit
westlichen Winden unterhalb etwa 800 hPa und einer markanten Drehung auf
Süd-Südost darüber. In stark abgeschwächter Form und auch nur punktuell
erreichen die Regenfälle noch die Mitte, bevor es in der zweiten Tageshälfte
mehr und mehr abtrocknet. Was bleibt sind schwache Hebungsprozesse ausgehend vom
Mittelmeertief Emil, die über den Alpenhauptkamm nach Norden schwappen und neben
mehrschichtiger, mit Saharastaub gefütterter Bewölkung (siehe eindrucksvolle
"Orangenhautbewölkung" im Satfilm) auch ein paar Tropfen Regen im äußersten
Süden bringen.

Blieben noch der Osten und Nordosten, deren Geschichte aber schnell erzählt ist.
Am Rande des osteuropäischen Rückens, zu dem übrigens auch ein Bodenhoch gehört
(IVO), bleibt es bei überwiegend schwachem Süd-Südostwind nicht nur trocken bis
zum Abend, trotz durchziehender Wolken und etwas Saharastaub scheint zudem mal
mehr, mal weniger die Sonne. Dabei steigt die Temperatur z.T. auf bis zu 15,
lokal vielleicht 16°C an. Aber auch sonst startet der Frühling alles andere als
kalt angesichts apostrophierter 10 bis 14°C. Lediglich in mittleren und höheren
Lagen, auf einigen Inseln sowie gebietsweise im Südwesten reicht es nur für
einstellige Werte.

Kommen wir zur Nacht auf Samstag, wo das Potenzial über dem Mittelmeerraum
merklich ansteigt. Gleichzeitig weitet sich der Haupttrog über Westeuropa und
dem nahen Atlantik nach Süden aus, weil immer wieder Kaltluft "reingeschossen"
wird. Bei uns nimmt die südliche Höhenströmung etwas zu, was aber keine
sonderlich spürbaren Folgen nach sich zieht. Zwei andere Dinge fallen da schon
eher ins Auge. Zunächst in den Osten und Südosten, wo inzwischen die o.e.
Kaltfront fast unbemerkt nähergekommen ist. Während sie tagsüber weitgehend
inaktiv oder nur mit angezogener Handbremse agiert hat, bekommt sie nun einen
Schub Lebenselixier eingehaucht. Zum einen dödelt ein flaches, mit dem bloßen
Auge im Druckfeld kaum auszumachendes Tief präfrontal über den Osten nordwärts.
Zum anderen lässt sich rückseitig eines ebenfalls nordwärts schwenkenden flachen
Höhenkeils ein PVA-Maximum detektieren, das offensichtlich ausreicht, die Front
leidlich zu aktivieren. Kurzum, ausgehend vom Alpenrand und Ostbayern sowie von
Tschechien etabliert sich ein frontales Regenband, das hoch bis nach Vorpommern
reicht und bei aller noch gegebenen Modellunschärfe gebietsweise durchaus 5 bis
10 l/m² Regen in die Töpfe spülen kann.

Als zweites fällt ein zweites, allerdings deutlich schwächer ausgeprägtes
Wolken- und Regengebiet auf, das von Benelux und Ostfrankreich auf Deutschland
zustolpert. Es gehört zum weitgehend okkludierten Frontensystem des sich
zunehmend auffüllenden Tiefs BEATRIX über dem Süden Englands. Die Front erhält
keine große Unterstützung aus der Höhe, außerdem wird durch den auf Südost
rückdrehenden Wind niedertroposphärisch relativ trockene Luft advehiert. Das
erklärt, warum in der zweiten Nachthälfte nur wenige Tropfen im Westen der
Nation unten ankommen, kaum der Rede wert.

Bleibt schließlich noch der breite Streifen zwischen den Fronten, wo
kompensatorisches Absinken die Wolken vielfach auflockern lässt. Lokal geht die
Temperatur insbesondere im Mittelgebirgsraum auf nahe 0°C oder knapp darunter
zurück, vom Südwesten bis hoch in die Mitte gibt es gebietsweise leichten
Bodenfrost. Zudem bildet sich stellenweise Nebel.

Samstag... tut sich nicht allzu viel an der großräumigen Strömungskonfiguration.
Auch den zweiten Märztag verbringen wir auf der Vorderseite des inzwischen bis
hinunter zur Nordwestspitze Afrikas reichenden Potenzialtrogs unter einer eher
verhaltenen südlichen Höhenströmung. Das hochreichende Drehzentrum BEATRIX
verbleibt über Südengland, muss dabei aber weitere, wenn auch leichte
Substanzverluste akzeptieren (Kerndruck nur noch etwas unter 995 hPa). Während
bei uns der Luftdruck etwas fällt, steigt er südlich der Alpen an, was zunächst
aber nur für einen leichten Drucküberschuss ohne nennenswerte Auswirkungen
sorgt. Wichtiger scheint, dass die Front im Osten schwer ums Überleben kämpfen
muss. Nicht nur dass die ohnehin nicht übermäßig ausgeprägten thermischen
Gegensätze (Baroklinität) immer mehr verblassen. Auch der im Tagesverlauf
zunehmend auf östliche Richtungen drehende Wind ist Gift und wirkt durch seine
abtrocknende Wirkung (aus dem Hoch ausfließende Luft) frontolytisch. Vor diesem
Hintergrund verwundert es nicht, dass das am Morgen noch erkennbare Regenband
immer brüchiger wird, bis am Nachmittag kaum noch etwas davon übrig ist (sprich,
es weitgehend trocken bleibt).

Ziemlich dünne sieht es auch an der "Westfront" aus, besser der Okklusion ganz
im Westen, die aufgrund ihrer strömungsparallelen Exposition quasi keine Chance
hat, auch nur wenige Kilometer nach Osten voranzukommen. Immerhin wird sie zum
Nachmittag hin durch einen flachen, nordwärts schwenkenden Randtrog animiert,
etwas stärker auf sich aufmerksam zu machen. Mehr als örtlich leichter Regen im
Saarland und RP (vielleicht auch noch in unmittelbarer Nachbarschaft) ist
allerdings nicht zu erwarten. Zu erwarten ist auch nichts vom Wind, der aus Süd
bis Südost kommend so gerade mal eine vereinzelte 7 Bft in einigen Kammlagen der
westdeutschen Mittelgebirge zustande bringt. Gegen Abend setzt dann in den
Hochlagen der Alpen Südföhn ein.

Osten geklärt, Westen geklärt, bliebe noch das große Gebiet dazwischen, das
quasi unter Zwischenhocheinfluss liegt (in diesem Fall "zwischen" den Fronten),
obwohl im Druckfeld davon nichts zu erkennen ist. Kompensatorisches Absinken
heißt die Zauberformel, die auch am morgigen 24. Spieltag der Fußballbundesliga
(keine Angst liebe Bayernfans, ihr verliert schon heute Abend in Freiburg)
greift. Von BaWü im Süden bis hoch nach SH im Norden inkl. Peripherie scheint
nach Nebelauflösung mal mehr, mal etwas weniger die Sonne bei frühlingshaften
Temperaturen zwischen 13 und 17°C mit den höchsten Werten "in the Länd". An den
zyklonaleren Flanken bleibt es nur unwesentlich oder sogar überhaupt nicht
kühler.

Die Nacht zum Sonntag bringt ein Doppeltief zutage, das über Südfrankreich und
bei den Balearen entsteht. Auf seiner Vorderseite wird weiterhin feuchte
Mittelmeerluft gegen die Alpensüdseite gesteuert, wo sich nun ein leichter
Drucküberschuss gegenüber der Nordseite von etwa 6 hPa (Referenz
Bozen-Innsbruck) aufbaut. Das reicht wahrscheinlich, um im Verbund mit den
zumindest über dem Alpenhauptkamm zunehmenden Höhenwinden (Referenz 700 hPa je
nach Modell 30 bis 40, lokal bis 50 Kt) den Südföhn zumindest soweit
anzukurbeln, dass auch auf deutscher Seite auf den Gipfeln Böen 8-9 Bft
auftreten.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Front im Westen stationär bleibt,
was auch mit der Bremswirkung des Tiefs bei den Balearen zusammenhängt. Auf alle
Fälle wird in Westeuropa ein Schwall maritimer Polarluft (mP) eingespült, was
den thermischen Gegensatz zur hiesigen Luftmasse erhöht und aus der Okklusion
nun wieder eine (schleifende) Kaltfront macht. Die Hauptaktivität verbleibt zwar
knapp westlich von uns, gleichwohl fällt im äußersten Westen zeitweise Regen,
wobei die Intensität je nach Modell zwischen "fast nix" und lokal um oder etwas
über 5 l/m² liegt. Im großen Rest des Landes bleibt es bei schwacher, im Norden
teils mäßiger östlicher Strömung trocken, wobei die Bewölkung häufig auflockert.
Luftfrost tritt wahrscheinlich nur punktuell, Bodenfrost öfters auf. Zudem
bildet sich gebietsweise Nebel.

Sonntag... geht es dem stolzen Höhentrog zusehends an den Kragen. Im Norden
sorgt ein Keil des osteuropäischen Rückens für mächtigen Potenzialanstieg,
weiter südlich drückt von Westen her ein atlantischer Rücken kräftig auf die
Tube. In seiner Not tut der Trog das, was Tröge in solchen Situationen gerne
tun: Er tropft ab. In diesem Fall über dem westlichen Mittelmeer, wo weiterhin
mit dem "Balearentief" interagiert wird. Das arbeitet sich langsam über den
Löwengolf in Richtung Ligurisches Meer vor, wobei nach wie vor sehr feuchte
Mittelmeerluft gegen die Alpensüdseite gedrückt wird (vor allem Frankreich,
Italien, Schweiz). Der Drucküberschuss erhöht sich leicht auf etwas über 6 hPa,
was die Föhnmaschinerie am Laufen hält. Ob das allerdings ausreicht, den Föhn
auf deutscher Seite bis in die Täler durchbrechen zu lassen, ist fraglich. Auf
den Gipfeln ist es jedenfalls stürmisch.

Und sonst so? - Nicht viel muss man sagen. Von irgendwelcher Dynamik sind wir
weiterhin meilenweit entfernt und thermisch dominiert ganz klar der Frühling.
Auf 850 hPa steigt die Temperatur auf bis zu 8°C im Süden (Föhnunterstützung),
sonst auf 3 bis 7°C. Da schlägt sich - wenn natürlich auch nicht wie im Sommer -
so ganz allmählich auch auf die 2m-Temperaturen nieder, die auf satte 13 bis
18°C, im Alpenvorland vielleicht nahe 20°C steigen. Dazu scheint verbreitet die
Sonne von einem vielfach nur locker bewölkten Himmel. Etwas wolkiger präsentiert
sich der Himmel im äußersten Westen (Frontnähe), wo es aber weitgehend trocken
bleibt sowie im äußersten Norden.

In der Nacht zum Montag bricht der Föhn mit Verlagerung des hochreichenden Tiefs
zum Ligurischen Meer zusammen. Die schleifende Kaltfront verbleibt allerdings
knapp westlich von uns. Es überwiegt leichter Hochdruckeinfluss mit üblicher
Grenzschichtproblematik der Marke "Frost/Nebel", wobei aus heutiger Sicht beide
Parameter nicht sonderlich imposant zuschlagen werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die geschilderte Entwicklung sehr ähnlich. Die
auftretenden Unschärfen sind handelsüblich und besitzen keine große
Warnrelevanz. Wie man überhaupt sagen muss, dass die Belegschaft wetterwarnender
Berater und Meteorologen in den nächsten Tagen und Nächten nicht an
Überarbeitung leiden wird.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann