DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-02-2024 08:30
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.02.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Südwest zyklonal (SWz), Übergang zu Trog Westeuropa (TrW)
An den Alpen bis in die kommende Nacht hinein Schneefall, ostwärts abziehend.
Sonst vor allem in der Westhälfte wechselhaftes Schauerwetter, vereinzelt kurze
Graupelgewitter. In den Nächten bei längerem Aufklaren leichter Frost.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... der Morgen nach Sturmtief "Wencke". Spitzenböen von 122 km/h in
Büsum, 119 km/h auf Sylt und 96 km/h in Bremen lagen im Bereich des Erwartbaren.
Etwas stärker durchgeschlagen hat es in den Abendstunden im Südwesten und Westen
mit Annäherung und Passage der Kaltfront aufgrund konvektiver Umlagerungen, die
im Laufe der Nacht immer mehr in den Hintergrund rückten. 105 km/h in Tholey
(Saarland) und 107 km/h in Arnsberg-Müschede (NRW) waren "nicht von schlechten
Eltern". Unterm Strich war es ein markantes, aber bei weitem kein
außergewöhnliches Sturmereignis und auch die ganz großen Auswirkungen gab es
entsprechend nicht. Die Feuerwehr musste zwar vor allem in Norddeutschland zu
etlichen Einsätzen ausrücken (umgestürzte Bäume, Gegenstände,
Baustellenabsperrungen), größere Schäden oder gar Verletzte gab es aber wohl
nicht.

Das Tief selber ist inzwischen mit einem Kerndruck von etwas über 960 hPa über
dem Skagerrak angekommen und hat seinen Höhepunkt erreicht bzw. knapp
überschritten. Der stärkste Druckanstieg an der Südflanke hat sich allmählich
aus Deutschland nordwärts verabschiedet und so lassen auch die Sturmböen an der
See und in Schleswig-Holstein in Kürze immer mehr nach. Dass es dennoch
insgesamt in der Nordwesthälfte windig bleibt, liegt an dem hochreichenden und
mehrkernigen Tiefdruckkomplex, der weite Teile der Norwegischen See, Nordsee und
Britischen Inseln umspannt. Dadurch liegen wir in einer südwestlichen Strömung,
in der ein flacher Bodentrog von der Rheinmündung im Tagesverlauf unter
Abschwächung nordostwärts schwenkt. Entsprechend lebt die Böigkeit im Tagesgang
vom Saarland über NRW und Niedersachsen bis zu den Küsten nach kurzer Abnahme
wieder auf, aber alles 1-2 Stufen unterhalb des abgezogenen Sturmevents.
Warnungen vor Böen 7-8 Bft sind bereits aktiv - zumal die Böigkeit auch zu einem
nicht unerheblichen Anteil aus der Schauertätigkeit speist. So gehen die
Temperaturen im Trogbereich auf unter -32°C in 500 hPa zurück bei geringfügigem
ML CAPE und etwas Low Level Shear. Der Bodentrog sorgt vor allem vom Niederrhein
bis nach Schleswig für die nötige Hebung mit häufigeren Schauern und vereinzelt
auch kurzen Graupelgewittern. Die labile Schichtung erstreckt sich ostwärts bis
nach Vorpommern, Thüringen und zur Schwäbischen Alb, wobei die eingeflossene
subpolare Meeresluft mit T850 um -3°C vor allem über der Landesmitte doch sehr
trocken ist (kompensatorisches Absinken). Daher treten abseits des Maximums im
Nordwesten nur vereinzelt schwache Schauer auf.


An der Südflanke des Höhentroges hat sich ein kurzwelliger Anteil sehr weit nach
Süden ausgeweitet und ist dabei von den Balearen bis nach Nordafrika
vorzustoßen. Die übliche Entwicklung einer Bodenzyklone im Golf von Genua und
über Oberitalien wurde aufgrund dieses Strömungsmusters ebenfalls bereits
induziert. Die dort zurückgehaltene Kaltfront, die auf der Vorderseite des
Italientiefs als Warmfront rückläufig wird, sorgt durch WLA die über den
Alpenhauptkamm nordwärts ausgreift bis zum Abend vom Alpenrand bis nach
Niederbayern noch für langer anhaltende Niederschläge. Die Schneefallgrenze
liegt zunächst bei 800 bis 900 m, sinkt zum Abend im Bayerwald und am östlichen
Alpenrand bis 600 m ab. Nennenswert akkumulieren tut es sich vor allem oberhalb
von rund 1200 m mit 10 bis 20, in einigen Staulagen auch bis 30 cm Neuschnee.

Im Osten Deutschlands bleibt es weitgehend trocken, da die Kaltfront über Polen
allerdings Anacharakter annimmt, driften immer mal wieder dichtere hohe und
mittelhohe Wolkenfelder durch, so dass es eher von Mecklenburg über
Sachsen-Anhalt bis zum Oberrhein den meisten Sonnenschein geben dürfte mit teils
über 50% der astronomisch möglichen Dauer von rund 10 Stunden. Die Höchstwerte
liegen in der zwar subpolaren, aber gut durchmischten Luftmasse bei 7 bis 12°C,
am Alpenrand im Dauerniederschlag nur wenig über 0°C.


In der Nacht zum Samstag weitet sich der Westeuropäische Trog weiter nach Süden
aus und erreicht Nordafrika. Bei uns ändert sich am Strömungsmuster dadurch
wenig, auf der warmen Seite des Jets läuft aber über Slowenien, dem Wiener Raum
ein e flache Welle auf Vb-artiger Zugbahn nordwärts ab und erreicht in den
Frühstunden den Raum Danzig. Nennenswerte Hebungsvorgänge bleiben dabei
weitgehend außen vor, allenfalls Richtung Neiße kann es ein paar Tropfen geben.
Zumindest aber die Bewölkung dürfte im Grenzbereich zu Polen und Tschechien
mehrheitlich kompakt bleiben. Auch Richtung Passau und Berchtesgadener Land
fällt zunächst noch etwas Regen oder Schnee, oberhalb 600 bis 800 m nochmals mit
1 bis 5 cm Neuschnee. In der zweiten Nachthälfte klingen sie ab.

Im weiteren Verlauf nähert sich von Benelux her die Haupttrogachse mit schwacher
PVA auf der Vorderseite an. Dadurch überwiegt entlang und westlich des Rheins
überwiegend starke Bewölkung mit wiederholten, meist leichten schauerartigen
Regenfällen. Die Schneefallgrenze liegt bei rund 500 m.

Dazwischen lockert es zeitweise auch stärker auf und bei nur noch schwacher
Luftbewegung tritt von der Altmark bis nach Süddeutschland doch recht flächig
leichter Frost auf - immerhin, der Winter 23/24 kann doch nach was. An unterer
Donau und Inn kann sich nach erst kürzlich erfolgtem Abzug des Niederschlags
stellenweise flacher Nebel bilden. Glätteerscheinungen sind in der Fläche bei
vielfach trockenen Bedingungen kein Thema. Unter den Wolken (Westen, Oder/Neiße)
sowie in Küstennähe bleibt es bei 5 bis 1°C meist frostfrei.


Samstag... schwenkt der recht markante, im Tagesverlauf aber immer mehr
abflachende Randtrog von Benelux nach Norddeutschland. Von der Normandie folgt
ein Sekundärtrog nach, der den Gesamtkomplex als solches zwar ein Stück weit
regeneriert, durch den sich langsam anbahnenden Cut-Off Prozess über Algerien
und Tunesien aber in seiner Wellenlänge etwas einkürzt. Zudem wird er durch ein
nahendes Atlantiktief westlich von Irland, das in der Folge einiges an Wind und
Regen für Frankreich und die Iberische Halbinsel bereithält von Westen
"zugeschüttet".

Hierzulande hält das durch Höhenkaltluft bestimmte Wetter bei gleicher Luftmasse
und südwestlicher Anströmung an. Dabei taucht nun auch die Osthälfte in die
höhenkalte Luft unter -30°C in 500 hPa ein. Antriebsschwäche, eine leicht
antizyklonal konturierte Höhenströmung sowie einen bodennah und in mittleren
Troposphärenniveaus trockene Luftmasse unterbinden jedoch nennenswerte
Schauertätigkeiten und erlauben längeren Sonnenschein.

In der Westhälfte schaut dies durch den beschriebenen Randtrog schon
vielversprechender aus. Dort wird zwar auch bei weitem nicht jeder getroffen,
aber auf dem Radar wird doch die ein oder andere Staffel zu sehen sein. Immerhin
ist auch etwas DLS um die 15 m/s vorhanden. Vereinzelte Graupelgewitter,
oberhalb 500 bis 600 m auch Schneeschauer sind dabei nach wie vor möglich. Vor
allem kann man sich jetzt aber im Spätwinter bei derartigen Troglagen die ein
oder andere fotogene, hochbasige Zelle mit Fallstreifen und Vereisung an der
Oberkante erhoffen.

Für Windböen (Bft 7) reicht es nur noch in einigen Kamm und Leelagen der
Mittelgebirge sowie im Umfeld stärkerer Schauer. Flächendeckende Windwarnungen
braucht es daher voraussichtlich nicht mehr. Die Höchstwerte liegen zwischen 7
und 12°C, im höheren Bergland und stärkeren Schauern bei 2 bis 6°C.


In der Nacht zum Sonntag muss man inzwischen aufpassen, dass man bei diesen
ganzen involvierten Randtrögen nicht die Übersicht verliert. Jedenfalls hechelt
der Sekundärtrog dem aus Norddeutschland nordwärts abziehenden Randtrog
hinterher und greift als doch recht scharf konturierter Vertreter seiner Zunft
auf die Westhälfte Deutschlands über. Er markiert letztlich in der Höhe aber den
Endbereich der höhenkältesten Luft, so dass trotz noch weiter Entfernung zum
Bodentief südwestlich von Irland großräumige Warmluftadvektion einsetzt. Noch
bleibt aber vor allem die untere Troposphäre ausreichend labil, dass die
Niederschläge mehrheitlich noch konvektiven Charakter besitzen.

Aufgrund der scharfen Krümmung des Troges mitsamt Vorticitymaximum ist eine
nette Kommastruktur in der Reflektivität vom ICON-D2 für die zweite Nachthälfte
simuliert, wobei dieses Komma ungewöhnlich lang ist und von der Deutschen Bucht
über Westdeutschland bis zum Schweizer Jura reicht. Die Niederschlagsphase
dürfte überwiegend die flüssige bleiben, findet doch dafür keine wesentliche
Alterung der Luftmasse oder stärkere Kaltluftadvektion statt. Bei stärkeren
Intensitäten kann es vielleicht aber doch mal kurzzeitig auf 400 m oder knapp
darunter schneien.

Sonst ist es nach Abzug der Schauer an der Ostsee nordwärts weitgehend trocken
und zeitweise auch gering bewölkt oder klar. Vor allem in Süddeutschland sowie
in Mittelgebirgstälern sowie der Lausitz muss erneut mit Frost gerechnet werden.
Eine gewisse Nebelneigung besteht weiterhin in der Südhälfte Bayerns.


Sonntag... wird die WLA von Westen so stark, dass der Trog über Tunesien und der
Syrte final abtropft. Das Tief bei Irland, das sich inzwischen zu einem
veritablen Sturmtief mit Kerndruck unter 985 hPa gemausert hat, erreicht bis zum
Abend die Bretagne. Der kurze Westeinschlag der Höhenströmung wird damit sofort
schon wieder rückläufig aus Südwest und die Höhenkaltluft wird bis zum Abend in
die Gebiete nordöstlich der Elbe abgedrängt. Niedertroposphärisch geht die
Erwärmung mit rückdrehenden bodennahen Winden auf Südost nicht ganz so rasant.
Das Ausgangsniveau ist aber ohnehin hoch genug, dass winterliche Erscheinungen
keine Rolle spielen. Vor allem bedingt durch den einsetzenden Föhn an den Alpen
steigen die 850er Temperaturen im Alpenvorland bis an die +5°C an.

So haben wir letztlich eine Dreiteilung über Deutschland:

Der Norden und Nordosten ist noch troglastig geprägt mit zahlreichen Schauern
und vereinzelt kurzen Gewittern.

Von Berlin bis zu den Alpen schließt sich eine Zone mit schwachem
Zwischenhocheinfluss an, in der es bei viel Sonne trocken bleibt.

Im Südwesten und Westen kommt nach Abzug der nächtlichen Schauer mehrschichtige
Bewölkung auf und später setzt westlich des Rheins auch Regen ein. Wie stark und
wie weit dieser ostwärts vorankommt, ist noch reichlich unsicher. Nicht
ausgeschliossen ist aber, dass mit Einbezug des Montags irgendwo Richtung
Saarland und Hunsrück auch mal Mengen fallen, die nahe an der Warnschwelle von
30 mm binnen 24 Stunden sind - auch wenn die Signale in den Ensemble bisher kaum
der Rede wert sind (<15%).

Bei den Tagesmaxima ändert sich wenig. Mit Föhnunterstützung sind im östlichen
Alpenvorland bis zu 15°C möglich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Über die grundlegenden Abläufe besteht Konsens. Kleinere Unterschiede gibt es
vor allem hinsichtlich der Zonen nächtlicher Auflockerungen, die natürlich
maßgebend für die Frostprognose sind. IFS lässt dabei die Aufgleitbewölkung über
Ostdeutschland kommende Nacht erstaunlich früh rausziehen. Auch bezüglich des
Regengebietes im Laufe des Sonntags und in der Nacht zum Montag aus Südwesten
gibt es gewisse Diskrepanzen, die aufgrund der eher südwärtigen Zugbahn des
Tiefs über Frankreich aber vollkommen normal sind für T+60h aufwärts.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen