DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-02-2024 20:01
SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 21.02.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Im Bergland starke bis stürmische, exponiert Sturmböen. In Staulagen des Westens
und Südwestens einsetzender Dauerregen. Am Donnerstag von Südwesten zunehmender
Wind, in der Nacht zum Freitag regional schwerer Sturm möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... (18 UTC) verläuft ein zonal ausgerichteter Langwellentrog über den
Nordatlantik hinweg, der über dem europäischen Festland in einem diffluenten
Umfeld in den Rest eines Höhenrückens übergeht bzw. diesen zunächst etwas
abflacht. Aus der Auffächerung der Isohypsen und der teils starken WLA
resultieren über West- und Mitteleuropa Hebungsvorgänge, die im stratiformen
Bewölkungsbild und den zunehmenden Niederschlagssignale im Radar sichtbar sind.
Am Boden greift die Warmfront zunehmend auf den Westen Deutschlands über, die
Kaltfront befindet sich am Abend noch über dem südlichen England, der
Okklusionspunkt über der Nordsee. Eingebettet ist das Frontensystem in einen
markanten Bodentrog, der zu einem Tief über Island gehört.

In der Nacht zum Donnerstag verliert der Langwellentrog auf dem Nordatlantik
zunehmend seine zonale Struktur und weitet sich etwas schärfer konturiert nach
Süden aus. Damit steilt die Höhenströmung über West- und Mitteleuropa wieder auf
und dreht auf Südwest. Der Bodentrog, der ausgangs der Nacht über Südnorwegen
hinweg nach Ostdeutschland verläuft, verliert dagegen deutlich an seiner
Ausprägung und ist im Bodendruckfeld zu diesem Zeitpunkt schwächer angelegt. Das
Frontensystem selbst unterliegt einem weiteren Okklusionsprozess und tangiert in
der Nacht zunächst die Westhälfte Deutschlands, nach Mitternacht zunehmend auch
den Osten und Südosten des Landes mit teils länger anhaltendem, leichtem bis
mäßigem Regen.

In Kombination mit den auch am Donnerstag und teils in der Nacht zum Freitag
noch anhaltenden Regenfällen (Erläuterungen zur Wetterlage erfolgen später),
ergeben sich bis dahin in den Staulagen der west- und südwestlichen
Mittelgebirge markante Dauerregenmengen. Rein deterministisch zeigen sich bis
dahin akkumuliert in den Staulagen des Schwarzwaldes 40 bis örtlich 70 l/qm, in
den sonstigen Staulagen des Südwestens und Westens 40 bis 50 l/qm. Dabei stellen
diese Werte die Resultate des ICON 12Z dar, die gut mit UK10 übereinstimmen.
ICON-D2 arbeitet die Stausituation wie üblich etwas besser heraus, IFS und GFS
sind von Natur aus defensiver. Bei der Betrachtung der probabilistischen
Prognosen tun sich auch keine großen Abgründe zur Deterministik auf, ICON-EPS
setzt etwa 70 % für mehr als 40 l/qm im Südschwarzwald, für mehr als 60 l/qm
sind es bis 10 %. COSMO-LEPS liefert dort tendenziell höhere
Wahrscheinlichkeiten und nimmt auch den Thüringer Wald in den Fokus. Aus
aktueller Sicht deckt der aktuelle Warnstatus zum Dauerregen sehr viele
probabilistischen Lösungen ab, daher kann an diesem Konzept festgehalten werden.
Doch auch abseits der bewarnten Regionen akkumulieren sich abseits des Ostens in
der Fläche durchaus 15 bis 25 l/qm, von der Ostsee bis zum Erzgebirge sind es
meist unter 10 l/qm.

Mit Annäherung des Bodentroges und der Kaltfront kommt es am Abend und während
der Nacht zu einer leichten Verschärfung des Gradienten. Im Bergland des
Südwestens und Westens sowie der Mitte treten zunehmend starke bis stürmische,
in höheren Lagen Sturmböen, in besonders exponierten Lagen auch schwere
Sturmböen aus Südwest auf. Feldberg und Brocken sind wahrscheinlich mit
einzelnen orkanartigen Böen dabei. In tieferen Lagen des Südwestens gibt es auch
eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit für einzelne starke Böen.

In der wetterbestimmenden milden Meeresluft und durch die starke Bewölkung und
den einsetzenden Regen verbleibt die Temperatur während der Nacht überall im
positiven Bereich, die Tiefstwerte reichen von 9 Grad am Niederrhein und 2 Grad
im Bayerwald.

Donnerstag ... und in der Nacht zum Freitag der warnintensivste Zeitraum der
Kurzfrist ins Haus. Der Langwellentrog über dem Nordostatlantik amplifiziert
sich weiter und greift im Tagesverlauf zunehmend auf den Norden Frankreichs
über. Mitteleuropa bleibt damit weiterhin in einem auffächernden Isohypsenfeld.
Entsprechende Hebungsprozesse aus der Diffluenz und weitere WLA führen zu
weiteren anhaltenden Regenfällen, am Vormittag mit Schwerpunkt im Süden und der
Mitte sowie im Nordosten, am Nachmittag wieder zunehmend im Westen und weiterhin
im Süden. Die entsprechenden akkumulierten Mengen wurden vorhin schon
aufgeführt.

Deutlich markanter ist allerdings die Entwicklung des Windes. Im südöstlichen
Quadranten des Langwellentroges entsteht aus einer flachen Welle zunächst ein
markanter Bodentrog und später auch ein abgeschlossenes Randtief, das am Abend
die südliche Nordsee erreicht. Welchen Charakter dieses Tief haben könnte, wurde
bereits in der Frühübersicht ausführlich angesprochen - und bei den
Unsicherheiten hat sich nicht viel verändert. Eine hybride Entwicklung stellt
aber die wahrscheinlichste Lösung dar.

In der Nacht zum Freitag zieht dieses weiter nach Dänemark und dreht später nach
Südnorwegen ein. Markant wird dabei der weiterhin scharf geschnittene Bodentrog
sein, der sich am späten Nachmittag und Abend im Bereich Benelux intensiviert
und im Laufe der Nacht über Nordwestdeutschland hinwegschwenkt. Dabei
interagiert dieser gut mit einem Kurzwellentrog in der Höhe.

Im Laufe des Vormittags setzt sich daher die Windsituation aus der Nacht
zunächst fort. Am Nachmittag macht sich dann die Gradientverstärkung bereits im
Südwesten mit ersten stürmischen Böen bemerkbar, die sich am Abend etwas
ausweiten und den gesamten Südwesten betreffen können. Die hohen Berge springen
bereits mit Orkanböen an (Feldberg, Brocken). Der Höhepunkt der Windentwicklung
folgt schließlich in der Nacht zum Freitag: Mit Passage der Kaltfront bzw. des
Bodentroges rechnet ICON 12Z über der Nordwesthälfte verbreitet mit orkanartigen
Böen, teils auch Orkanböen, sonst mit Sturmböen oder schweren Sturmböen, wobei
der Nordosten erst nach Mitternacht und der Südosten weniger davon betroffen
wäre.

ICON-D2 hat mit dem Lauf von 15Z wieder auf den bisherigen Weg zurückgefunden
(mehr dazu später) und IFS 12Z hat nun zum ersten Mal auch schwere Sturmböen im
Westen im Programm. Der räumliche Schwerpunkt deckt sich aber nicht mit ICON
12Z, wo das Maximum 200 km nach Norden verschoben ist. Außerdem können einzelne
Gewitter mit orkanartigen Böen nicht ausgeschlossen werden. Nach Mitternacht
flaut der Wind von Südwesten und Süden her rasch ab.

Noch ein Blick auf die Probabilistik: ICON-EPS 12Z deckt sich in räumlicher
Hinsicht weiterhin nicht mit den aktuellen deterministischen Ergebnissen. An der
Nordseeküste gibt es eine Wahrscheinlichkeit von 15% für extreme Orkanböen, um
die 35% für Orkanböen - dann auch etwas ins Binnenland ausgreifend. Schwere
Sturmböen betreffen mit 30 bis 50% die Nordwesthälfte, allerdings wird das
deterministische Maximum nicht entsprechend nachgebildet.

Noch ein paar Sätze zum Schnee: Die Kaltluft erreicht den Alpenrand erst in er
zweiten Nachthälfte, dabei sinkt T850 auf -2 Grad. Die Schneefallgrenze wird
demnach nach sehr spät sinken, deutlich nach dem Maximum des Niederschlags. In
tiefen Lagen des Alpenrandes werden sich höchstens wenige cm akkumulieren,
oberhalb von 1000 m 5 bis 10 cm, in hohen Lagen um 15 cm. Sonst kommt es in den
höheren Mittelgebirgen zu Schneeschauern, große Neuschneemengen gibt es dort
aber nicht.
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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag ... überdeckt der thermisch gut ausgeprägte Langwellentrog große Teile
von West- und Mitteleuropa. Dessen Achse verläuft vom England bis zum
Mittelmeer, sodass sich für Deutschland weiterhin eine südwestliche
Höhenströmung ergibt. Dabei verläuft ein Jetmaximum 300 hPa diagonal über
Deutschland hinweg. Postfrontal ist nun deutschlandweit erwärmte Meeresluft
subpolaren Ursprungs wetterbestimmend (T850 zwischen -2 und -4 Grad). Über
Oberitalien entwickelt sich zudem ein Bodentief, das die Kaltfront im Alpenraum
schleifen und später in die Warmfront (leichtes Aufgleiten) übergehen lässt.
Daher halten am mittleren und östlichen Alpenrand sowie vom Berchtesgadener Land
bis zum Bayerwald die Niederschläge an, wobei die Schneefallgrenze etwa bei 900
bis 1000 m liegen wird.

Zu den in den Nacht gefallenen Mengen wird aber unterhalb von 1000 m nicht mehr
viel dazukommen (vielleicht 5 cm), darüber sind es bevorzugt am östlichen
Alpenrand 10 bis 15 cm, im höheren Bayerwald etwa 5 bis 10 cm. Ansonsten
entwickeln sich in der Westhälfte in der Höhenkaltluft vermehrt Schauer, teils
sind auch Signale für Gewitter zu sehen. Im Nordosten ist es dagegen meist
trocken, dort wird die Sonne auch am längsten scheinen können. Die Höchstwerte
reichen in der eingeflossenen Meereskaltluft von 5 bis 12 Grad. In den
Vormittagsstunden kommt es im Norden noch zu stürmischen Böen, im Tagesverlauf
schwächt sich der Wind auch dort ab. In Schauernähe sind aber besonders im
Nordwesten weitere starke Böen dabei.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auf den Modellvergleich und die -einschätzung wurde im Haupttext bereits
ausführlich eingegangen. Während die Niederschlagsprognosen zwischen den
Modellen noch weitgehend ähnlich sind, erzeugt die Windprognose doch einige
Sorgenfalten. Die Ergebnisse der deterministischen Modelle schwanken zwischen
den einzelnen Läufen in einem mehr als bemerkenswerten Umfang. ICON6 12Z bleibt
sowohl regional, als auch bezüglich der maximalen Böenstärke in etwa bei der
Lösung von 06Z (die Fläche des Maximums über dem Nordwesten wurde aber
verkleinert). ICON-D2 15Z kehrt wieder zu der Lösung von 09Z zurück (damit
übereinstimmend mit ICON6), damit entpuppt sich der deutlich entschärfte
ICON-D2-Lauf von 12Z wohl als Querschläger. Die Lösungen von IFS 00Z und UK10
06Z sind weiterhin deutlich defensiver aufgestellt als die ICON-Kette, wobei IFS
12Z im Nordwesten auf schwere Sturmböen zulegt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri