DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-02-2024 18:01
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 20.02.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
An der Nordsee steife Böen, im äußersten Süden teils leichter Frost. Am
Donnerstag und in der Nacht zum Freitag noch unsichere, aber regional
warnintensive Sturmlage möglich.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
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Aktuell ... (18 UTC) reicht ein Höhenrücken vom Ostatlantik über die Iberische
Halbinsel und Frankreich bis nach Mitteleuropa, wobei dessen Achse diagonal über
Deutschland hinwegläuft. Dieser markiert den Übergang zwischen der zonal
gerichteten Höhenströmung über dem Nordatlantik und einem leicht diffusen
Langwellentrog über großen Teilen Südost- und Osteuropas. Der Rücken stützt
dabei den Randbereich des etwas ostwärts verschobenen Azorenhochs, der sich am
Boden ebenfalls von Südwesteuropa bis nach Mitteleuropa aufspannt.

Die am Nachmittag und Abend noch leichte Schauertätigkeit in Südostbayern kommt
damit weiter zum Erliegen und nachfolgend verläuft die Nacht in den südlichen
Regionen meist trocken. Die Wolken weisen dort einige Lücken auf, sodass bei
länger klarem Himmel in den Tälern des südwestdeutschen Berglandes sowie in
Alpennähe und im Bayerwald leichter Frost bis -2 Grad auftreten kann. Nachdem
die dortigen Straßen bis dahin wahrscheinlich weitgehend abgetrocknet sein
werden, tritt Glätte durch überfrierende Nässe aus aktueller Sicht nur örtlich
auf.

Der Norden und die Mitte Deutschlands werden dagegen teilweise von einem
Randtrog über dem Europäischen Nordmeer tangiert. Dessen Achse verlagert sich im
Laufe der Nacht von Schottland über die nördliche Nordsee bis nach Südnorwegen
und interagiert mit dem Frontensystem eines Tiefs bei Jan Mayen. Die WLA der
Warmfront (die den Höhenrücken überläuft) ist im Satellitenbild gut durch
entsprechende Schichtbewölkung zu erkennen, da und dort kann im Nordwesten
bereits der eine oder andere Tropfen fallen. Dieser leichte Regen weitet sich im
Verlauf der Nacht in den Osten aus und verstärkt sich dabei etwas. Südlich der
Donau bleibt es trocken.

Die Kaltfront erreicht den Nordwesten und Norden erst ausgangs der Nacht und ist
thermisch nur wenig ausgeprägt. Im Vorfeld frischt der Wind aber insbesondere an
der Nordsee etwas auf, einzelne steife Böen aus Südwest sind dort
wahrscheinlich. Mit Durchgang der Kaltfront dreht der Wind in der zweiten
Nachthälfte auf West bis Nordwest und flaut postfrontal ausgangs der Nacht
bereits wieder ab. Auf manchen exponierten Gipfeln der nördlichen Mittelgebirge
kommt es zu Sturmböen, auf dem Brocken ist auch die eine oder andere schwere
Sturmböe nicht ausgeschlossen. Sonst spielt der Wind keine dominante Rolle und
reicht in Böen maximal in den frischen Bereich.

Abseits der erwähnten Gebiete im Süden bleibt es frostfrei mit Tiefstwerten
zwischen 9 Grad im Münsterland und 0 Grad im nördlichen Alpenvorland.

Mittwoch ... schiebt sich nach dem Durchgang des Randtroges ein flacher
Höhenrücken in den Norden Deutschlands, der in seinen großen Bruder über
Mitteleuropa übergeht. Auch das Bodendruckfeld weist zunächst noch eine
deutliche antizyklonale Krümmung auf, die am Nachmittag durch einen Bodentrog
über Nordwesteuropa deutlich in Bedrängnis gerät. Der Regen aus der Nacht klingt
daher auch im Nordosten zunehmend ab, sodass sich vom Vormittag bis in den
Nachmittag fast überall trockene Verhältnisse ergeben. Am meisten Sonne kann
wahrscheinlich in den südostbayerischen Regionen erwartet werden, denn sonst
nimmt die WLA-induzierte Schichtbewölkung des nächsten Frontensystems bereits
wieder zu. Dieses ist primär durch den Bodentrog getriggert und gehört zu einem
Tief bei Island, wobei der Okklusionspunkt am Nachmittag etwa über der
nördlichen Nordsee liegen wird.

Der erste Regen setzt am späteren Nachmittag im äußersten Westen ein und weitet
sich während der Nacht zum Donnerstag bei weiter fortschreitender Okkludierung
des Frontensystems in den Südosten und Osten aus. Die Regenintensitäten reichen
bis in den mäßigen Bereich (ppws bis 25 mm), wobei sich bis in die Frühstunden
in den Staulagen der westlichen südwestlichen Mittelgebirge bis 20 l/qm/24h
ergeben, sonst ist es in der Fläche deutlich weniger (regional 5 bis 10 l/qm).

Tagsüber zeigt sich eine recht homogene Verteilung der Höchstwerte mit 11 bis 14
Grad, an den Küsten ist es geringfügig kühler. In der Nacht zum Donnerstag
bleibt es aufgrund des Regens gut durchmischt, sodass die Frostgefahr auch im
Süden nicht mehr gegeben ist. Die Tiefstwerte reichen von 9 Grad am Niederrhein
bis 2 Grad im Bayerwald.

Etwas größeren Unsicherheiten unterliegt im Gegensetz zur Temperatur allerdings
ein wahrscheinlicher Warnparameter: der Wind. Während sich tagsüber die
Sturmböen weiterhin auf die exponierten Hochlagen der nördlichen Mittelgebirge
beschränken, zieht der Gradient in der Nacht etwas an. Besonders in den freien
Lagen der Mitte sowie des Südwestens sind starke Böen aus Südwest
wahrscheinlich, in den Kammlagen sind es zunehmend stürmische Böen, in sehr
exponierten Lagen schwere Sturmböen. Im Saarland und Rheinland-Pfalz sind starke
Böen auch in den tieferen Lagen möglich. Es ist wahrscheinlich, dass man dort
mit gelben Warnungen agieren muss.

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Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Donnerstag ... wird es deutlich spannender als an den Vortagen. Auf dem nahen
Ostatlantik stößt ein thermisch gut ausgeprägter Langwellentrog etwas nach Süden
vor und greift im Tagesverlauf auf Irland und Großbritannien über. Damit steilt
die Höhenströmung über Mitteleuropa weiter auf und dreht auf Südwest. Am Boden
dominiert ein mehrkerniger Tiefdruckkomplex zwischen Island und Schottland,
wobei das südlichste Tief ein okkludierendes Frontensystem über Irland hinweg
ostwärts lenkt.

Daran bildet sich am Donnerstagvormittag in stark barokliner Umgebung ein
klassisches Randtief, das sich bis zum Abend schnell vertieft und zur südlichen
Nordsee zieht (Kerndruck nach ICON 12UTC etwas unter 970 hPa). Bis dahin folgt
auch IFS 00UTC den Resultaten von ICON 12UTC weitestgehend, wobei IFS sogar mit
einem etwas tieferen Kerndruck von 960 hPa rechnet. Damit verschärft sich im
Tagesverlauf auch der Gradient über der Westhälfte Deutschlands mit stürmischen
Böen oder einzelnen Sturmböen aus Süd bis Südwest in den tieferen Lagen und
schweren Sturmböen im höheren Bergland.

Ein besonders Auge muss aber auf die Entwicklung in der Nacht zum Freitag
geworfen werden. ICON setzt weiterhin auf die Passage eines markanten
Bodentroges, der während der Nacht über den Nordwesten hinweg nach Dänemark
schwenken soll. Dabei erhöhte der ICON 12UTC nochmals die Böenprognose von ICON
06UTC und bringt für die Nordseeküste Werte von teils deutlich mehr als 100 bis
110 km/h. Wenngleich die synoptischen Basisfelder von IFS ähnlich zu ICON sind,
wird der Bodentrog von IFS deutlich schwächer konturiert gerechnet. Daraus
resultieren bei IFS Böen bis etwa 80 km/h im Bereich der Deutschen Bucht. Die
aktuellen EPS von ICON 12UTC ergeben für die exponierten Küstenabschnitten
geringe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 140 km/h, etwa 25 % für Orkanböen und
etwas über 40 % für orkanartige Böen. Besonders die flächige Ausdehnung des
Windfeldes nach Süden und Osten wird noch einigen Änderungen unterliegen.
Jedenfalls sollte auf diese Entwicklung bei den nächsten Läufen geachtet werden.


Der Wind wird zwar am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag das markante
Warnelement sein, doch induziert durch weitere WLA setzen sich die Regenfälle im
Süden fort und weiten sich im Tagesverlauf auf den Norden und die Mitte auf.
Schließlich halten diese bis in die zweite Nachthälfte an und klingen nach
Passage der Kaltfront ab. Akkumuliert ergeben sich bis dahin für den Schwarzwald
bis zu 60 l/qm, sonst in den Staulagen der westlichen und zentralen
Mittelgebirge um 30 l/qm. Eventuelle Dauerregenwarnungen stehen daher in
Diskussion, Entscheidungen müssen aber heute noch nicht gefällt werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis inklusive Mittwoch gibt es keine gravierenden Unterschiede in den Feldern
der verschiedenen Modelle. Ab Donnerstag und vor allem in der Nacht zum Freitag
ändert sich dies deutlich. Je nach Ausprägung des passierenden Bodentroges sind
an der Nordseeküste auch Unwetterwarnungen vor orkanartigen Böen nicht von der
Hand zu weisen. Nachdem aber die Modellübereinstimmung bei der Böenprognose zu
wünschen übriglässt, müssen hier die Folgeläufe besonders beachtet werden.
Aufgrund der noch bestehenden Vorlaufzeit müssen Entscheidungen diesbezüglich
jedenfalls erst am Mittwoch, im Detail vielleicht erst am Donnerstag gefällt
werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri