DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-02-2024 12:01
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 20.02.2024 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von Wa (West antizyklonal) zu SWz (Südwest zyklonal)

Heute und morgen so lala, am Donnerstag/Nacht zum Freitag möglicherweise olala -
schwerer Sturm oder Orkan im Norden möglich, aber noch alles im doppelten
Konjunktiv.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt das großräumige Strömungsmuster eine gut ausgeprägte, glatt
konturierte Frontalzone über dem mittleren Nordatlantik, die über Westeuropa
beginnt aufzufächern. Den Abschluss der Frontalzone bildet dabei ein Rücken, der
sich heute Morgen bogenförmig von Südwesteuropa über die Nordsee bis hoch zum
Europäischen Nordmeer erstreckt. Deutschland befindet sich aktuell im
Übergangsbereich von diesem Rücken zu einem östlich anschließenden, aus mehreren
kurzen Anteilen bestehenden Trog, der sich im Tagesverlauf - wenn auch langsam -
immer mehr von uns verabschiedet. Somit steht der heutige Dienstag im Zeichen
des sich nähernden Rückens sowie eines dazu korrespondierenden Keils des
Azorenhochs. Dieser schiebt sich zonal von Frankreich her nach Süddeutschland
rein (aktuell, also am frühen Morgen landesweit Druckanstieg) und sorgt für
Zwischenhocheinfluss, wobei im Südwesten vorübergehend etwas über 1030 hPa
erreicht werden. So kommt es nicht von ungefähr, dass gerade für dort die
meisten Auflockerungen gerechnet werden.

Im großen Ganzen sollten wir uns aber keinen Illusionen hingeben, dass das heute
irgendwie den großen Sonnentag gibt. Wie so oft bei vergleichbaren
Konstellationen wird der Rücken von WLA überlaufen. Die hohen, teils auch
mittelhohen Wolken, die daraus resultieren, haben Teile der Westhälfte bereits
erreicht und werden sich in den nächsten Stunden weiter nach Osten ausweiten.
Dort, also grob in der Osthälfte sowie im Süden sind aktuell noch zahlreiche
Schauer sowie eine Menge tiefes Gewölk in der frisch eingeflossenen subpolaren
Meeresluft (mPs, T850 um -3°C) unterwegs. Es dürfte mindestens bis Mittag
dauern, bis die letzten Schauer ost-südostwärts abgezogen bzw. die letzten
Flocken an und in den Alpen gefallen sind (dort bis Mittag oberhalb etwa 1000
weitere 1 bis 5 cm, nach Osten hin lokal auch etwas mehr). Summa summarum wird
es also über ein paar Aufhellungen oder Auflockerungen heute nicht hinausgehen,
wobei die Chancen dafür im Süden und Südwesten besser stehen als weiter
nördlich.

Noch kurz zum Wind und zur Temperatur. Auf der Nord- bzw. Nordostflanke des
Bodenkeils hält sich ein leidlicher Gradient, der mit Hilfe des Tagesgangs den
westlichen, später auf Südwest rückdrehenden Wind mitunter etwas aufleben lässt.
Abgesehen vom Brocken (Böen 8 Bft), der eigentlich immer dabei ist, wenn auch
nur ansatzweise von Wind die Rede ist, dürfte warntechnisch keine große
Aufregung entstehen. Vereinzelte 7er-Böen an der vorpommerschen Küste sowie im
und am Erzgebirge, viel mehr sollte nicht gehen. Mit Tageshöchstwerten zwischen
7 und 13°C wird es abermals ein (zu) milder Februartag - der zwanzigste von
zwanzig, wenn sich der Hoffmann nicht täuscht.

Am Abend und in der Nacht zum Mittwoch beginnt der Zwischenhocheinfluss bereits
wieder zu bröckeln. Aus dem Ostrand der Frontalzone löst sich ein KW-Trog, der
von UK zur Nordsee zieht und dabei mit einem flachen Bodentrog interagiert.
Darin eingelagert ist das Frontensystem eines mehrkernigen Tiefs bei Island
(UTE), dessen Warmfront bereits in den Abendstunden auf Nordwestdeutschland
übergreift. Bereits im Vorfeld kommt es zunächst in Norddeutschland, später auch
in der Mitte WLA-bedingt gebietsweise zu leichtem Regen oder Nieselregen. Die
nachfolgende, thermisch und wettertechnisch nur sehr schwach ausgeprägte
Kaltfront greift dann etwa ab Mitternacht von der Nordsee auf den Nordwesten
über, wobei sie auf dem Weg nach Süden aufgrund ihrer zunehmend
strömungsparallelen Exposition (und damit fehlender Schubkomponente) merklich
ausgebremst wird. Der meiste frontale Regen fällt in SH mit sage und schreibe 1
bis 3 l/m² innert 6 h. Der südwestliche, später auf West drehende Wind frischt
zunächst an und auf der Nord-, später auch an der Ostsee vorübergehend auf mit
der einen oder anderen steifen Böe 7 Bft. Auf dem Brocken legt der Wind im
Warmsektor mit zunehmendem Höhenwind auf volle Sturmstärke 9 Bft zu, wobei
einzelne schwere Sturmböen 10 Bft ebenfalls gut möglich sind.

Trotz des Druckfalls halten sich im Süden noch Reste des Hochkeils, was nicht
nur ausreicht, um etwaige Niederschläge zumindest weitgehend fernzuhalten
(vielleicht etwas Niesel in Teilen Frankens). Zudem lockert die Wolkendecke
gebietsweise auf, was die Temperatur in den Mittelgebirgen, am Alpenrand +
südliches Vorland sowie Richtung deutsch-schweizer Grenze in den leichten
Frostbereich zurückgehen lässt. Außerdem kann sich lokal Nebel bilden. Im
Gegensatz zum Süden bleibt es mit 9 bis 6°C nördlich der Mittelgebirgsschwelle
regelrecht "mollig".

Mittwoch... läuft von der Labradorsee und Neufundland her ein veritabler KW-Trog
in die Frontalzone hinein, der im weiteren Verlauf eine substanzielle Austrogung
über dem Ostatlantik einleitet. Auch wir hier in Deutschland werden davon was zu
spüren bekommen, allerdings dauert es noch etwas, bis es soweit ist. Hier gilt
es zunächst mal die Reste des o.e. Frontensystems aufzulösen, was mit Hilfe
eines weiteren flachen Höhenrückens auch gelingen sollte. Die anfangs im Norden
gebietsweise auftretenden schwachen (Niesel)Regenfälle verschwinden allmählich
ostwärts. Größere Wolkenauflockerungen wird es trotzdem nicht geben, was nicht
zuletzt auch daran liegt, das von Westen her bereits das nächste WLA-Gebiet auf
Deutschland zurollt. Es kündigt das nächste Frontensystem an, das zu einem
weiteren Tief (VIVIENNE) bei bzw. auf Island (12 UTC) gehört und sich am Mittag
noch über Westeuropa aufhält. Das ändert aber nichts daran, dass schon bald
reichlich mehrschichtige Bewölkung von Westen ins Land zieht und es am
Nachmittag und Abend im Westen/Nordwesten anfängt leicht zu regnen. Dazu lebt
der auf südliche Richtungen rückdrehende Wind mit ersten Böen 7 Bft auf und an
der Nordsee sowie in einigen Kamm- und Leelagen der westlichen Mittelgebirge
auf. In einigen exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen wird es stürmisch,
wobei der Brocken mit bis zu Stärke 10 Bft einmal mehr den Vogel abschießt.

Relativ ruhig und gediegen verläuft der morgige Mittwoch im Süden des Landes.
Zwar baut der Hochkeil (inzwischen ist es eigentlich eher eine zonal
ausgerichtete Hochdruckzone) immer weiter ab, trotzdem reicht das immer noch
aus, um ein paar Sonnenfenster zu öffnen. Im Tagesverlauf nehmen dann allerdings
die Anteile der hohen und mittelhohen Bewölkung immer mehr zu. Zunehmen tut auch
die Temperatur. In der mit süd-südwestlicher Strömung einfließenden
Subtropikluft (mS) steigt T850 bis zum Abend auf Werte zwischen 0°C im Nordosten
und rund 6°C ganz im Süden. Projiziert auf 2 m Höhe bedeutet das eine
Tageshöchsttemperatur von verbreitet 10 bis 15°C, im Alpenvorland mit etwas
Sonne lokal vielleicht sogar 16°C.

In der Nacht zum Donnerstag setzt die o.e. Austrogung über dem Ostatlantik ein,
was bei uns ein Rückdrehen der Höhenströmung auf Südwest zur Folge hat. Dabei
nehmen die Isohypsen eine diffluente, stark auffächernde Kontur an, was
synoptisch-skaliger Hebung sehr zuträglich ist. Hinzu kommt, dass die Warmfront
von Frankreich und Benelux her übergreift. Sie führt weiterhin milde, vor allem
aber zunehmend feuchte, man möchte sagen sehr feuchte Luftmassen von der Biskaya
nach Deutschland. Das PPW steigt auf über 20 mm, teils bis 25 mm, was für
Februar äußerst bemerkenswert ist. Kurzum, die Regenfälle vom Tage, die sich bis
in den Osten ausbreiten (dort aber nur schwache Intensitäten aufweisen),
verstärken sich, wobei im Westen und Südwesten gebietsweise 5 bis 10, in
Staulagen lokal 15 bis 20 l/m² innert 12 h fallen. Außerdem lebt der
Süd-Südwestwind etwas auf, wobei das aufgrund der stabilen Schichtung vor allem
auf den Bergen und Kuppen, in einigen Leelagen sowie auf freien Hochflächen
Südwestdeutschlands zu spüren sein wird (7-8 Bft, exponierte Hochlagen 9 Bft).
Auf dem Brocken sind schwere Sturmböen oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft zu
erwarten, ebenso wie im Hochschwarzwald, wo ein Low-Level-Maximum mit
Windgeschwindigkeiten bis 50 Kt auf 850 hPa von Frankreich her übergreift. Auf
und an der Nordsee frischt der auf Süd rückdrehende Wind unmittelbar vor
Durchgang des Frontensystems auf (Okklusionspunkt irgendwo über Norddeutschland)
mit Böen 7 bis 8 Bft, bevor er nach Mitternacht mit Winddrehung auf Südwest
bereits wieder abflaut. Mit 10 bis 5°C, im Südosten Bayerns um 3°C
Tiefsttemperatur bleibt die Nacht frostfrei.

Donnerstag... könnte es ab den Abendstunden richtig spannend werden, zumindest
wenn man der von ICON angebotenen Entwicklung Glauben schenken mag. Doch der
Reihe nach. Zunächst mal gilt es zu vermelden, dass die Austrogung über dem
nahen Ostatlantik weitere Fortschritte macht, so dass die weiterhin diffluente
südwestliche Höhenströmung bei uns noch etwas weiter rückdreht. Dann gilt es ein
Bodentief zu erwähnen, das aus einer offen Welle resultiert und am
Donnerstagmittag mit etwas unter 965 hPa dicht bei den Färöers thront. Noch
wichtiger aber, und jetzt kommt´s, ist allerdings eine weitere Welle, genau
genommen ein scharf geschnittener Bodentrog, der auf der Südflanke des eben
erwähnten Tiefs ostwärts gesteuert wird. Der Trog überquert England und landet
am Nachmittag auf der Nordsee, wo er dann voraussichtlich am Abend eine
abgeschlossene Isobare aufweist (laut ICON etwas unter 970 hPa). Von den
Seegebieten Dogger/Forties geht es dann unter Intensivierung (günstige
Interaktion mit einem in dem LW-Trog eingelagerten Sekundärtrog) auf unter 965
hPa in Richtung Utsira Süd bzw. Fischer (00 UTC) weiter, um danach in den
Skagerrak einzulaufen. So weit der Kurs- und Fahrplan laut ICON.

Kommen wir zum Wetter, das tagsüber von weiteren Regenfällen geprägt ist, deren
Intensität recht unterschiedlich ausfällt. Im kräftigsten regnet es in der
Westhälfte sowie in Franken, wo nicht selten 5 bis 10, in Staulagen 15 bis 20,
punktuell vielleicht 25 l/m² binnen 12 Stunden zusammenkommen. Ob das irgendwo
für eine markante Dauerregenwarnung reicht, bleibt bis Mittwoch abzuwarten. In
der Nacht zum Freitag kommt jedenfalls nicht mehr allzu viel dazu, so dass auch
das 24-stündige Kriterium auf der Kippe steht. Nach Osten und Nordosten zu sowie
im föhnigen Windschatten der Alpen (dort einige Aufhellungen oder Wolkenlücken)
regnet es tagsüber deutlich weniger, z.T. sogar überhaupt nicht.

Zweite Baustelle neben dem Regen ist der Wind, der aus südlichen Richtungen
kommend zunächst nur gemäßigt, bis zum Abend dann aber vor allem im Westen volle
Lotte zulegt. Dann kommt´s drauf an, welche Zugbahn das Tief respektive der
Bodentrog tatsächlich einschlagen und vor allem auch, welche geometrische
Konfiguration das Tief aufweist. Bleiben wir bei ICON, dann nähert sich am Abend
von der Nordsee und den Niederlanden ein extrem scharf geschnittener, meridional
ausgerichteter Bodentrog, der in der ersten Nachthälfte über NDS, HB und HH
sowie SH in Richtung Ostsee zieht. Dabei frischt der von Süd auf Südwest
drehende Wind in der Westhälfte schon im Vorfeld stürmisch auf mit Böen bis
Stärke 9 Bft in tiefen und entsprechend mehr (bis 12 Bft) in höheren Lagen. Das
absolute Maximum mit Böen von z.T. über 70 Kt (12+ Bft) folgt dann aber auf der
unmittelbaren Süd-bzw. Südwestflanke des Bodentrogs - wohlbemerkt nicht nur an
der Küste und auf See, sondern auch in Teilen des norddeutschen Binnenlands.
Mit dem Trog schwenkt eine teilokkludierte Kaltfront ostwärts durch, die einen
Luftmassenwechsel (mPs; T850 um -4°C) einleitet, die Regenfälle beendet und auch
den Wind wieder auf den Pfad der Vernunft bringt. Vereinzelt kann es schauern
oder gewittern, an den Alpen sinkt die Schneefallgrenze auf unter 1000 m, ohne
dass aber besonders viel Schnee runterkommt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Was den heutigen Dienstag und den morgigen Mittwoch angeht, sprechen die Modelle
eine Sprache. Ist aber auch nur Kindergeburtstag, was da wind- und
wettertechnisch anliegt. Der Fokus liegt eindeutig auf dem Donnerstag und der
Nacht zum Freitag, wo - das soll hier in aller Deutlichkeit klargestellt werden
- mitnichten schon feststeht, dass es so abläuft wie oben beschrieben. Zwar wird
das Szenario so oder so ähnlich von einigen externen Modellen mitgetragen. Aber
gerade IFS bietet in seinem letzten Lauf eine deutlich entschärfte Variante an
und auch das EPS von ICON konterkariert seinen eigenen Hauptlauf, indem z.B.
über der Deutschen Bucht alle! Ensemblelösungen unterhalb der Lösung des
Hauptlaufs bleiben (sowohl Mittelwind als auch Böen). Mit anderen Worten, wir
dürfen gespannt sein, wie sich die nächsten Modellläufe entwickeln und was am
Ende von der ohne Zweifel hochspannenden Lage übrigbleibt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann