DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-02-2024 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.02.2024 um 10.30 UTC



Weiterhin unbeständig bei etwas zurückgehenden Temperaturen - Übergang in
Troglage mit leichtem Überraschungspotenzial.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 26.02.2024


Nachdem der Februar nun schon seit geraumer Zeit eine ziemlich ruhige Schiene
gefahren ist, scheint er zum Ende hin, sprich in der letzten Dekade noch mal
etwas oder auch etwas mehr aufzublühen. Allerdings, so viel sei an dieser Stelle
schon verraten, scheint die Atmosphäre noch unschlüssig, wie das Ganze en detail
bewerkstelligt werden soll. Klar, zyklonal und höhentrog-affin, das weiß man,
aber sonst. Gerade Positionierung, Zugbahn und Intensität der beteiligten
Tiefdruckgebiete lässt noch einige Fragen offen. Nehmen wir den aktuellen Lauf
von IFS von heute 00 UTC als Basis, steht uns das im Folgenden beschriebene
Szenario bevor.

Los geht´s am kommenden Donnerstag, der Deutschland auf der stark diffluenten
Vorderseite eines breiten Monumentaltroges über dem Ostatlantik sieht. Dieser
korrespondiert mit einer aus mehreren Kernen bestehenden Tiefdruckzone, die
ausgehend von Island und den umliegenden Seegebieten bis hinunter nach
Südwesteuropa reicht. Für uns von Interesse ist ein kleines Sturmtief, das sich
über der Nordsee aus einer offenen Welle entwickelt, welche um 12 UTC noch über
Südengland liegt. Zum Tagesende soll das Tief mit etwas unter 965 hPa im Kern
die Seegebiete Fischer bzw. Süd-Utsira erreichen. Damit liegt es soweit südlich,
dass der Gradient im Vorhersageraum ordentlich zulegt, was natürlich auch für
den von Süd auf Südwest drehenden Wind gilt. Der frischt im Tagesverlauf spürbar
und z.T. stürmisch auf, an der Nordsee würde es ab dem Abend für einige Stunden
sogar für einen schweren Sturm reichen.
Darüber hinaus wird eine milde bis sehr milde, vor allem aber sehr feuchte
Subtropikluft advehiert (mS, T850 4 bis 8°C), die unter der diffluenten
südwestlichen Höhenströmung großräumig gehoben wird. Entsprechend fällt
verbreitet länger andauernder, teils kräftiger Regen, der in einigen Staulagen
(westliche und südwestliche Mittelgebirge) die Schwelle für markanten Dauerregen
(30 l/m² innert 24 h) reißen könnte. Am wenigsten regnet es im Osten und
Nordosten sowie im leicht föhnigen Windschatten der Alpen. Erst mit dem gegen
Abend von Westen einsetzenden Durchgang einer teilokkludieren Kaltfront und dem
nachfolgenden Luftmassenaustausch (mS => mPs, sprich maritim erwärmte
Subpolarluft) trocknet es ab bzw. lassen die Regenfälle nach.

Am Freitag rückt der Langwellentrog, der sowohl rück- als auch vorderseitig
immer wieder von kurzen Anteilen umlaufen und somit munter am Leben gehalten
wird, dichter an Deutschland heran. Die Höhenströmung dreht rück auf
Süd-Südwest, während gleichzeitig südlich der Alpen eine schwache Zyklogenese
einsetzt. Die dadurch ausgelösten Aufgleitniederschläge sorgen in Teilen
Österreichs und Norditaliens sowie in Slowenien für ergiebige Regen- und
Schneefälle, während der deutsche Alpenrand von den Schneefällen voraussichtlich
nur schwach gestreift wird (es gab im Vorfeld "optimistischere" Simulationen).
Ansonsten gilt es nur noch zu berichten, dass sich die subpolare Meeresluft
(T850 um -2°C, T500 mit Ausnahme des Südostens um oder etwas unter -30°C) aufs
ganze Land verteilt. Außerdem zieht das o.e. kleine Sturmtief die norwegische
Westküste entlang nach Norden, wodurch bei uns der Gradient wieder auffächert.
Trotzdem frischt der Südwestwind mitunter stark böig auf, insbesondere in
Verbindung mit den gerade nach Westen hin zahlreich erwarteten Regen- und
Graupel-, im höheren Bergland Schneeschauern.

Kommen wir zum nächsten Wochenende, an dem der Höhentrog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge bei gleichzeitiger Vergrößerung der Amplitude noch ein kleines Stück
nach Osten vorankommt. Dabei bleibt er für Deutschland wetterbestimmend, auch
wenn er voraussichtlich irgendwo über dem westlich-zentralen Mittelmeer oder
Nordafrika abtropft. Über dem nahen Atlantik erfolgt derweil eine neuerliche
Austrogung, ausgelöst von einem markanten Kurzwellentrog, der von Nordwesten
kommend UK/Irland passiert und zu Wochenbeginn als abgeschlossenes Höhentief
über der Bretagne aufschlägt. Der Trog interagiert mit einem äußerst soliden
Bodentief, das am Samstagmittag noch weit draußen auf dem Atlantik liegt
(west-südwestlich von Island), um von dort ebenfalls via Irland zur Bretagne zu
ziehen. Für Deutschland bedeutet das am Wochenende Troglage mit allmählicher
Erwärmung der höhenkalten Luft (=> Stabilisierung) und eine relativ flaue
süd-südwestliche Bodenströmung. Ergibt unter dem Strich wechselhaftes Wetter mit
einigen Schauern (am Samstag mehr als am Sonntag), die im höheren Bergland als
Schnee fallen.

Kurz noch ein Satz zum Beginn der neuen Woche, an dem das Tief weiter zum
westlichen Mittelmeer zieht und sich dort mit tiefem Luftdruck bzw. Potenzial
weiter östlich verbindet. Für Deutschland bedeutet das eine Winddrehung auf
Ost-Nordost und einsetzende Aufgleitniederschläge von Osten - bei
850-hPa-Temperaturen um 0°C natürlich überwiegend als Regen. Im weiteren Verlauf
der Woche dann wieder das gewohnte Bild: Vorherrschaft atlantischer Tiefs mit
milder und feuchter Südwestströmung.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis zum kommenden Freitag kann dem IFS (ECMF) eine gute Konsistenz attestiert
werden. Danach scheint dann etwas die Fantasie mit den Modellen durchzugehen
(nicht nur IFS, auch andere Globalmodelle). Die Unterschiede nehmen von Lauf zu
Lauf z.T. deutlich zu, wobei aber dahingehend Einigkeit besteht, dass der
Wettercharakter zyklonal, also tiefdruckbeeinflusst bleibt. Sicher scheint auch
zu sein, dass die Temperaturen gegenüber dem derzeitigen Niveau etwas
zurückgehen. Was aber genau der beschriebene Höhentrog macht, wo genau am Ende
die Tiefs langziehen und welche Auswirkungen das auf Deutschland hat
(insbesondere auf die Verteilung und Intensität von Niederschlag/Wind), lässt
sich heute noch nicht seriös beantworten.


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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Freitag bewerten die bewährten Globalmodelle die Szenerie
sehr ähnlich. Gleichwohl lassen sich nicht ganz unerhebliche Unterschiede im
Detail ausmachen. Sie betreffen das kleine Wellentief über der Nordsee, das in
ähnlicher Form nur bei ICON zu finden ist (wobei sich der 06-UTC-Lauf der
IFS-Version angepasst hat; der 00-UTC-Lauf hatte das Tief noch südlicher, was
auch für das norddeutsche Binnenland schwere Sturmböen bedeutet hätte).
Was die Aufgleitniederschläge und die damit möglichen Schneefälle an den Alpen
am Freitag angeht, haben alle Modelle bis auf UK10 die Mengen reduziert.
Am Wochenende nehmen die Diskrepanzen zu, was vor allem der unterschiedlichen
Behandlung des Langwellentrogs als steuerndes Potenzialgebilde geschuldet ist.
Daraus resultieren natürlich verschiedene Positionen, Zugbahnen und Intensitäten
von Tiefdruckgebieten, was nicht nur Unsicherheit streut, sondern zudem ein
nicht unerhebliches Überraschungspotenzial birgt. Nun macht es keinen großen
Sinn, an dieser Stelle sämtliche Varianten zu beschreiben, weil es
wahrscheinlich beim nächsten Lauf schon wieder anders aussieht. Gleichwohl lässt
sich konstatieren, dass keines der Modelle am Wochenende eines der zahlreich
vorhandenen Tiefs volle Kanone auf Deutschland übergreifen lässt. Die
spannendste Lösung hat noch GFS von 00 UTC parat, wonach am Sonntagvormittag von
Frankreich her ein kleines kräftiges Tief unter deutlicher Abschwächung auf
Südwestdeutschland übergreift.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen eigentlich einen
relativ gutmütigen Verlauf mit nach hinten heraus zunehmenden, aber nicht
ausufernden Streuung. Sowohl das Übergreifen des Troges als auch die damit
verbundene Abkühlung ab Donnerstag/Freitag spiegeln sich deutlich in den
Kurvenscharen wider. Danach steigt das Geopotenzial wieder ganz seicht an,
während bei der Temperatur eher eine leicht flatternde Seitwärtsbewegung
auszumachen ist. Begleitet wird das Ganze von einem mal etwas stärker, mal etwas
weniger stark ausgeprägten Grundrauschen beim Niederschlag, wobei von Freitag
bis Sonntag insbesondere in den östlichen Regionen (repräsentiert durch Rostock,
Berlin und Leipzig) ein Minimum auszumachen ist.

Bei der Clusterung starten wir von Donnerstag bis Freitag (T+72...96h) mit sechs
Clustern, die alle ein NAO+-Muster aufweisen und das Übergreifen des Höhentrogs
simulieren. Für uns relevant lässt sich ein leicht unterschiedlicher Gradient
herausarbeiten, der noch Spielraum für die Wind- respektive Sturmentwicklung
lässt. Von Samstag bis Montag (T+120...168h) reduziert sich die Clusteranzahl auf
drei, wobei teilweise auf das Zirkulationsmuster NAO- gewechselt wird. Letztlich
unterschieden sich die Cluster in unserem Raum vor allem in Geometrie und
Ausrichtung des Höhentrogs, der in allen drei Schubladen auftaucht. Am
interessantesten sieht CL 3 aus (13 Fälle), in dem das o.e., von UK/Irland zur
Bretagne ziehende Tief nicht nur intensiver, sondern auch progressiver und
weiter nördlich angeboten wird, was zum Montag hin deutlich mehr Wind, wenn
nicht sogar Sturm zur Folge hätte. T+192...240h (Dienstag bis Donnerstag) wartet
ebenfalls mit drei Clustern auf, von denen zwei (CL 2/3 mit 28 Fällen + det.
Lauf) den Weg zurück zu NAO+ findet, während CL 1 (23 Fälle) auf eine beginnende
Blockierung setzt.

FAZIT: Der Wechsel hin zu einer Troglage scheint gesichert, ebenso wie der damit
eihergehende Temperaturrückgang, ohne dass es aber wirklich kalt wird (wir
kommen mal so gerade in den Toleranzbereich der Normalwerte). Überwiegend
zyklonaler Einfluss ist ebenso gewiss, allerdings hapert es noch in Bezug auf
die Details. Das betrifft insbesondere die Wind-, aber auch die
Niederschlagsentwicklung. Überraschungen durch kleine zyklonale Wirbel sind
nicht ausgeschlossen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Im Vergleich zu gestern ist die Wahrscheinlichkeit für stärkeren Schneefall am
Freitag und in der Nacht zum Samstag am Alpenrand geringer geworden
(Modellvergleich und Statistik). Trotzdem ist die Nummer noch nicht ganz vom
Tisch, wenn sich nämlich das Italientief doch etwas stärker entwickelt als
derzeit simuliert.
In Bezug auf markanten Dauerregen liegen für die Staulagen der westlichen und
südwestlichen sowie einiger zentraler Mittelgebirge (darunter der Thüringer
Wald) weiterhin Signale vor, dass von Donnerstag zu Freitag die untere
Warnschwelle (30 l/m² innert 24 h) punktuell geknackt wird. Ob das am Ende für
eine Warnung reicht, bleibt abzuwarten.
Beim Wind/Sturm stehen ebenfalls der Donnerstag und die Nacht zum Freitag im
Fokus, wenn wir auf die Südflanke des Nordseetiefs gelangen. Noch ist die Messe
nicht gelesen, aber es spricht einiges dafür, dass Böen 8 Bft aus Süd bis
Südwest häufiger und auch nicht nur lokal erreicht bzw. überschritten werden.
Definitiv mehr wird es im Bergland sowie an der See, wobei an der Nordsee für
einige Stunden (ab Donnerstagabend) sogar schwerer Sturm droht. Ob dieser auch
tiefer ins Binnenland ausgreift, ist noch unsicher. In den Alpen könnte der
Südföhn vorübergehend Fahrt aufnehmen mit (schweren) Sturmböen 9-10 Bft auf den
Gipfeln. Ab Freitag zeichnet sich tendenziell eine Abschwächung des Windes ab,
wie bereits erwähnt sind wir aber vor einer Überraschung nicht gefeit.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann