DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-02-2024 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.02.2024 um 10.30 UTC



Zyklonal geprägte Großwetterlage mit atlantischen Luftmassen => unbeständig und
mild.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 23.02.2024


Mit heute sind es noch genau 14 Tage, dann ist der Winter vorbei. Rein formell,
de jure sozusagen, die Rede ist vom meteorologischen Winter. De facto, also
real, hat der Winter schon lange in den Sack gehauen, zumindest in den meisten
Regionen. Und es gibt nicht die geringsten Anzeichen, dass sich in den nächsten
Tagen daran was ändert. Okay, es wird nicht mehr ganz so mild wie gestern und
heute, aber winterlich? - Mitnichten! Zyklonale Systeme, die vom Atlantik das
europäische Festland kapern, geben eindeutig den Ton an und bringen dabei
Luftmassen mit, die alles sind, nur nicht kalt. Aber gut, jammern gilt nicht,
wir nehmen´s, wie´s kommt, was bleibt uns auch anders übrig.

Steigen wir ein am kommenden Montag, dem offiziellen Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums. Das Frontensystem sowie der Bodentrog eines über
Südskandinavien ostwärts ziehenden Tiefs überquert Deutschland ost-südostwärts.
Begleitschutz leistet ein schneidiger Kurzwellentrog in der Höhe, der mithilft,
Hebung und Niederschlag (was heißt hier Niederschlag, Regen muss es heißen) zu
generieren. Das Regenband überquert den Vorhersageraum von Nordwest nach Südost,
wobei die Passage genau genommen schon in der Nacht von Sonntag zu Montag
einsetzt. Etwas Schnee gibt es dann aber doch, wenn wohl auch nur oberhalb etwa
1200 m in den Alpen. Hinter der teilokkludierten Kaltfront gelangt ein Schwall
maritimer Subpolarluft zu uns (T850 um 0°C), die wie eigentlich immer als
erwärmte Kaltluft bei uns anlandet. Ein zweiter, im Tagesverlauf von Benelux und
der Nordsee übergreifender Sekundärtrog sorgt für eine leichte konvektive
Aktivierung der Luftmasse, die sich in einzelnen Schauern äußert.

Nach Durchgang der gesammelten zyklonalen Mischpoke steigt der Luftdruck am
Dienstag vorübergehend an. Von Frankreich her schiebt sich ein flacher Keil des
Azorenhochs bis nach Süddeutschland vor und auch in der Höhe nähert sich ein
ebenso flacher Rücken. Kenner der Szene ahnen schon, was kommt, wenn hier gleich
zweimal das Attribut "flach" erscheint. Der Hochdruckeinfluss ist alles andere
als eine Offenbarung und zeichnet sich dadurch aus, dass es deutlich weniger und
auch nicht überall regnet. Den großen Sonnendurchbruch wird es aber nicht geben,
stattdessen viel tiefes Gewölk. Während Aufhellungen oder gar Auflockerungen in
Norddeutschland Seltenheitscharakter haben (kein Wunder, wird doch der Norden
von der Warmfront eines neuen Systems gestreift), stehen die Chancen
diesbezüglich im Süden und Südwesten etwas besser.

Am Mittwoch zieht sich der Hochkeil unter einer leicht diffluenten westlichen
Höhenströmung nach Süden zurück respektive fällt neuerlichem Druckfall zum
Opfer. Trotzdem bleibt es im Süden noch weitgehend trocken und zumindest
teilweise aufgelockert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Kaltfront eines
neuen, über Südschweden zum Baltikum ziehenden Tiefs auf dem Weg von Nord nach
Süd ausgebremst wird. So geht die Front irgendwo in der Mitte in die Warmfront
eines weiteren Tiefs über (mit unter 960 hPa im Kern ein echter Hingucker), das
den Mittwoch dicht bei Island verbringt.

Zum Donnerstag wird´s dann etwas komplizierter. Zunächst mal kommt es über dem
nahen Atlantik zu einer signifikanten Austrogung, die bei uns die Höhenströmung
auf Südwest rückdrehen lässt. Das ist insofern von Bedeutung, als dass die
bereits in der Nacht nach Süden durchrutschende, thermisch zunächst sehr
schwache Kaltfront des "Hingucker-Tiefs" Wellen schlägt und tagsüber wieder
leicht rückläufig wird bzw. sich zunehmend aufsteilt (sprich eine
südwest-nordost-orientierte Position einnimmt). Vor allem im Westen und
Südwesten kommt es dabei zu zeitweiligen Regenfällen.

Am Freitag erreicht der Trog Westeuropa, was bei uns die Höhenströmung noch
weiter rückdrehen lässt auf Süd-Südwest. Derweil zieht ein Randtief des o.e.
Tiefs von UK vor die norwegische Westküste, wodurch die mittlerweile weitgehend
meridional exponierte Kaltfront schleifend irgendwo im Osten und Südosten
unseres Landes werkelt (Ana-Regenfälle in Teilen Süd- und Ostdeutschlands bzw.
der Mitte). Um Missverständnissen vorzubeugen, die postfrontale einfließende
maritime Polarluft ist alles andere als kalt (Stichwort warme Meeresoberfläche
und Durchmischung durch den etwas auflebenden Süd-Südwestwind), aber immerhin
geht es auf 850 hPa mal auf "unter null" (genau genommen auf -3°C, du liebe
Güte).

Abschließend noch ein kurzer Ausblick auf die erweiterte Mittelfrist bis Montag:
Fortdauer der zyklonalen, durch atlantische Tiefs geprägten Witterung.

Anmerkung: Der beschriebene Ablauf stellt die Rechnung des deterministischen
Modelllaufs von IFS 00 UTC dar. Es ist davon auszugehen, dass es am Ende
aufgrund der ausgeprägten Wechselhaftigkeit nicht 1:1 genau so ablaufen wird,
aber wahrscheinlich so ähnlich (siehe dazu auch folgende Kapitel).

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS-Modells vom ECMF kann insofern als gut bezeichnet werden,
als dass der Witterungscharakter der nächsten Woche von Lauf zu Lauf bestätigt
wird: unbeständig und mild lautet die Devise, wenn auch nicht mehr ganz so mild
wie aktuell. Tiefs vom Atlantik sowie deren Ausläufer geben den Ton an,
Zwischenhochphasen treten eher in den Hintergrund. Dass es bei diesem zügig
wechselnden Auf und Ab in den verschiedenen Modellläufen zu Timingunterschieden
und auch räumlichen Unschärfen kommt, ist für eine mittelfristige Vorhersage
normal. Vollkommen kongruente Basisfelder werden bei solchen Abläufen nur sehr
selten angeboten. Deswegen aber von mäßiger oder gar schlechter Konsistenz zu
sprechen, wäre nicht angemessen.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Aussagen aus dem vorherigen Kapitel lassen sich ohne Wenn und Aber auch auf
den Vergleich der hier für gewöhnlich auf dem Prüfstand stehenden Globalmodelle
projizieren. Dabei sind die Basisfelder zu Beginn der Mittelfrist noch ziemlich
kongruent, bevor sie im weiteren Verlauf divergieren. An der grundsätzlichen
Ausrichtung - unbeständig und mild - ändert das aber nichts. Gespannt sein
dürfen wir auf den nächsten Freitag, wenn der Kaltfrontdurchgang auf der Agenda
steht. Die Passage wird, wenn auch noch unterschiedlich in Art und Weise, von
allen Modellen (IFS, ICON, GFS, GEM, UK10) apostrophiert. Die "attraktivste"
Lösung bietet dabei ICON an, welches das o.e. Randtief am Freitagmittag mit
einem Kerndruck von knapp unter 945 hPa!! über den Norden UKs platziert und bei
uns einen veritablen Gradienten mit sehr windigen bis stürmischen Verhältnissen
simuliert. Na mal sehen, was am Ende davon übrigbleibt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen sehr ähnliche
Verläufe, bei denen die Streuung nach hinten raus zwar zunimmt, aber nicht
ausufert oder sogar chaotische Ausmaße (kreuz und quer herumwirbelnde
Spagetti-Plots) annimmt. Bis vielleicht ganz am Schluss (Sonntag/Montag
25./26.2) ist eigentlich immer ein Trend erkennbar, der die Erkenntnisse des
deterministischen Laufs stützt. Nach dem Bergfest am heutigen Freitag geht die
Temperatur am Wochenende zurück, um danach eine Seitwärtsbewegung mit kleineren
Schwingungen zu durchlaufen. Nota bene, die Temperaturen verbleiben dabei
weiterhin über dem vieljährigen Mittel. Erst nach der Kaltfrontpassage am
kommenden Freitag sollen sie in etwa Normalmaß erreichen.
Der Trend beim Geopotenzial kann als "leicht, aber kontinuierlich absteigend"
tituliert werden, wobei am Dienstag eine kurze Pause eingeschoben wird. In der
erweiterten Mittelfrist laufen die Kurven dann in die klassische Trichterform
(=> zunehmender Spread) mit tendenzieller Seitwärtsbewegung.
Niederschlagssignale werden eigentlich durchweg angeboten (Grundrauschen), wobei
insbesondere im Süden und Südwesten am Dienstag/Mittwoch aber ein relativ
deutliches Minimum erkennbar ist.

Von den Fahnen zu den Clustern, die hier erst ab dem Zeitraum T+120...168h
(Mittwoch bis Freitag) betrachtet werden. Es werden drei Schubladen aufgemacht,
die sich stark ähneln und alle dem Zirkulationsmuster NAO+ zugeordnet werden.
Alle zeigen die Austrogung über dem nahen Atlantik mit nachfolgender Progression
des Troges ohne wirklich erkennbare Timingunterschiede. Differenzen, wenn auch
keine großen, ergeben sich am ehesten in der Geometrie des Troges.
Ob dieser am Ende - wir betrachten jetzt das übernächste Wochenende + Montag
(T+192...240h) - tatsächlich komplett auf Mitteleuropa respektive Deutschland
übergreift, bleibt abzuwarten. Die ersten vier Cluster (insgesamt 42 Fälle + HL)
setzen drauf, wenn auch mit unterschiedlicher Konfiguration. CL 5 (4 Fälle)
zeigt ein vorzeitiges Abtropfen mit nachfolgend antizyklonal geprägter
Zonalströmung. CL 6 lässt den Trog ebenfalls abtropfen, startet zum Montag aber
noch einen zweiten Versuch.

FAZIT: Auf Basis sämtlicher Produkte (Modelle und Probabilistik) wird die weiter
oben geäußerte Ultra-Kurzprognose "unbeständig und mild" zementiert. Dass dabei
noch Spielräume hinsichtlich der detaillierten Abläufe gegeben sind, wurde
mehrfach erwähnt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Trotz der mehrheitlich zyklonal geprägten Mittelfrist dürfte auf dem Sektor
"signifikante Wettererscheinungen" nicht besonders viel zu holen sein. Das heißt
nicht, dass es nicht auf dem einen oder anderen Berg/Hügel/Kuppe sowie an der
See mal windig, in Böen vielleicht stürmisch werden kann. Gemeint ist auch kein
Schneefall in höheren Lagen oberhalb 1000 m oder noch höher.
Obwohl es immer wieder regnet, zeichnen sich aus heutiger Sicht keine markanten
Regenmengen ab. Das schließt freilich nicht aus, dass regional begrenzt doch
irgendwo mal die Schwelle für Dauerregen gerissen wird. Größere Ereignisse
deuten sich nicht an.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann