DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-02-2024 17:30
SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 05.02.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Von Norden Kaltfrontpassage, über der Mitte verweilend. Einsetzender Dauerregen
in Staulagen sowie Nassschneefall über der östlichen Mitte. Böiger bis
stürmischer Südwestwind südlich der Front, Bergland/Küsten teils voller Sturm.
Mild bis sehr mild!

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
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Aktuell ... dauert die im Südwesten überwiegend antizyklonal, im Nordosten
zyklonal geprägte Nordwestwetterlage weiter an. Insgesamt kommt es zu einer
Dämpfung der Wellenamplituden im europäischen Sektor, sodass die Kurzfrist als
zunehmend zonal (West) geprägt zusammengefasst werden kann.

Heute Nachmittag kommt es im Nordosten von Schleswig-Holstein bis nach Berlin im
Umfeld einer schleifenden Frontalzone zu Niederschlägen, die jedoch unter
Abschwächung immer weiter nach Nordosten gedrückt werden und zum Abend
größtenteils östlich der Linie Darß - Uckermark zu finden sind.

Angetrieben wird dieser Niederschlag durch WLA, forciert stromab einer schwachen
Zyklogenese über Nordwesteuropa. Diese entwickelt sich am Dienstag bei
progressiver Ostverlagerung nach Dänemark sukzessive weiter und schlägt dort zur
Mittagszeit mit einem 10 hPa spread im IFS-ENS auf (teils als Welle, teils als
abgeschlossenes Tief), um bis zum Mittwoch unter weiterer Verstärkung (Verbleib
auf zyklonaler Jetflanke und im linken Auszug eines 110 kt
Geschwindigkeitsmaximums im H500) im Baltikum einzutreffen (dann 20 hPa spread
mit zunehmenden meridionalen Diskrepanzen). Für uns ist interessant, dass
stromauf dieser Zyklogenese eine zonal ausgerichtete Bodentiefdruckrinne quer
über Deutschland zurückbleibt und im IFS tracker wiederholt mit eingelagerten
Minima hervorgehoben wird. Jedes dieser möglichen Zentren stellt
niederschlagstechnisch (auch mit Blick auf die Phase) einen Fokus dar u.a. dank
verstärkte Frontogenese.

Zurück ins Jetzt, wo heute WLA gestützt im Nordosten 12-std. bis zum Abend 10
bis strichweise 15 l/qm Niederschlag fällt, der von Südwesten abklingt.
Ansonsten bleibt es auf der warmen Seite der Frontalzone über Norddeutschland
bis zum Abend stark bewölkt und die Numerik ist recht aggressiv mit einer
Mischung aus Sprühregen/leichtem Regen und trockenen Abschnitten.
Vorhersagesoundings zeigen eine bis 800 hPa/-3C gesättigte feuchte Grenzschicht
unterhalb einer scharfen/trockenen Inversion, sodass dies bei anhaltender
synoptisch-skaliger WLA (Hintergrundhebung) eine recht plausible Lösung zu sein
scheint.

Ansonsten geht es freundlich (breite Mitte) bis wolkenlos (südlich der Donau) in
den späten Nachmittag und Abend. Niederschlag fällt keiner. Abendliche Werte
liegen zwischen 10 und 7 Grad, im Bergland um 4 Grad.

Der West- bis Südwestwind bleibt dank Druckfall über der Nordsee auch am Abend
ein Thema und kommt im Norden stark böig, anfangs lokal auch stürmisch daher. Im
Umfeld der Deutschen Bucht und Ostsee werden Sturmböen Bft 9 erwartet, die in
Schleswig-Holstein/Vorpommern auch recht weit ins Binnenland vordringen können.
Markante bis unwetterartige Böen treten im Bergland je nach Höhenlage auf (Bft 9
bis 12). Im Süden weht der Westwind frisch bis stark und somit meist unterhalb
jeglicher Warnschwelle.


In der Nacht zum Dienstag zeugt anhaltender leichter Druckfall über der Nordsee
von der dort zu erwartenden Bodentiefpassage, wobei die Frontalzone endgültig
nach Norden in Richtung Dänemark/Ostsee abgedrängt wird. Besonders in Richtung
Nordfriesland, Angeln und Rügen kann es jedoch bis weit in die Nacht immer
wieder leicht regnen. Doch kein Grund zu Freude, denn der aufgespannte
Warmsektor wird im gesamten Norden von einer sehr feuchten, 2 km hochreichenden
marinen Luftmasse geflutet, die unterhalb der angesprochenen (trockenen)
Inversion liegend bei anhaltender WLA für verbreitet auftretenden
Sprühregen/leichten Regen gut ist, der hier und da von kurzen trockenen Phasen
abgelöst wird.

Bei einem im Norden durchweg starken bis steifen und somit böig auffrischenden
Südwestwind ist das in Verbindung mit dem Nass eine sehr ungemütliche Nacht.
Zwischen Kühlung, Rügen und Usedom weht der Südwestwind stürmisch und von den
Nordfriesen bis zu den Ostfriesen sogar in voller Sturmstärke, was besonders für
die 2. Nachthälfte zutrifft. Ansonsten beschränken sich markante Böen Bft 8/9
auf das Bergland mit orkanartigen Böen oder Orkanböen auf dem Fichtelberg und
Brocken. In tiefen Lagen weht der südwestliche Wind meist frisch bis stark,
orografisch forciert regional auch mal stark böig (Bft 7) mit den geringsten
Geschwindigkeiten südlich der Donau. Dort sorgt klarer Himmel für eine
entsprechende Auskühlung und Entkopplung der Grenzschicht.

Die nächtliche Werte liegen von Nord nach Süd zwischen 9 und 0 Grad, im
süddeutschen Bergland auch im leichten Frostbereich.



Dienstag ... erfolgt dann über Dänemark die bereits beschriebene (sich
strukturierende) Bodentiefpassage, die rückseitig die Frontalzone in Form einer
Kaltfront erneut nach Süden drückt. Niederschlagstechnisch liegt der Schwerpunkt
über Schleswig-Holstein, wo der Wellenscheitel des daraus hervorgehenden
Bodentiefs plus durchschwenkender Kaltfront ganztätig Regenwetter der Sorte
"Nass von früh bis spät" beschert. Cross sections durch die Front zeigen
beachtliche Frontogenese in den untersten 3km, die Hand in Hand mit einem
niederschlagbaren Wasser geht, dessen Werte im obersten Perzentilbereich zu
finden sind (PWs von über 20 mm). Zudem sorgt ein recht scharfer Windsprung
entlang der Front (Südwest auf Nordwest) in Verbindung mit einer Labilisierung
bis rund 900 hPa ("surging" Bodenfront in den Bereich der Frontfläche) für ein
ausgeprägtes "narrow cold-frontal rainband, NCFR", in dessen Umfeld die
Stundensummen ebenfalls nach oben getrieben werden.
Summa summarum sprechen wir in Schleswig-Holstein 12-std. von
Niederschlagsmengen zwischen 15 und 25 l/qm und somit hart an der Grenze zur
markanten Dauerregenwarnung. Innerhalb der EPS-Verfahren wird diese Option
jedoch mit nur sehr geringen Wahrscheinlichkeiten hinterlegt, sodass die Ausgabe
einer Warnung eher unwahrscheinlich erscheint. Peripher dieses Schwerpunktes
fallen im gesamten Küstenumfeld 10 bis 15 l/qm, Richtung Lüneburger
Heide/Uckermark 5 bis 10 l/qm und weiter südlich noch weniger. Entlang und
südlich der zentralen Mittelgebirge bleibt es meist trocken, nur in Staulagen
der zentralen Mittelgebirge fällt zeitweise und unergiebig etwas Nass.

Der stramme Südwestwind bleibt bei anhaltend gestauchtem Druckgradienten
erhalten mit Bft 7/8 Böen im gesamten Norden, im Nordwesten strichweise
Sturmböen (Bft 9), die im Umfeld der Küsten sowie im Bergland durchweg
auftreten. Exponiert ist im Bergland dann natürlich alles bis zu Bft 12 mit von
der Partie.

Es bleibt sehr mild mit deutschlandweit 9 bis 13 Grad.


In der Nacht zum Mittwoch arbeitet sich die Kaltfront südwärts voran, erreicht
in Richtung Mitternacht eine Linie Münster-Anhalt-Oderbruch und ausgangs der
Nacht die zentralen Mittelgebirge. Die Dynamik und Qualität der Luftmasse
bleiben bestehen, sodass verbreitet im Norden 12-std. Niederschlagsmengen von 5
bis 10 l/qm im Nordosten und 10 bis 15 l/qm im Nordwesten erwartet werden.

Spannend sind hier die Details. Wo wird der Kippunkt sein, wenn die Kaltfront
quasistationär über der Mitte zum Liegen kommt, um nachfolgend in eine Warmfront
wieder nordostwärts geführt zu werden? Dies hängt stark von der Geometrie des
Bodendruckfeldes ab. In GFS, UK10 sowie ansatzweise auch in ICON wird der Westen
und Norden von NRW in den Fokus gerückt, wo die verlangsamte Frontpassage die
12-std. Mengen auf 15 bis 25 l/qm hochtreibt und somit wiederum in den
Grenzbereich zur Dauerregenwarnung (markant). Erneut wird das innerhalb der EPS
Verfahren nur schwach hinterlegt, sodass die Ausgabe einer Warnung grenzwertig
ist.
Deutlicher fallen die Signale in den Staulagen der westlichen Mittelgebirge aus,
wo z.B. im Harz und Siegerland um 30 l/qm/12h gezeigt werden. Die Ausgabe einer
Warnung erscheint wahrscheinlich und wird am Ende dieser Prosa mit Blick auf das
Nass der Folgetage begründet.

Der andere Fokus liegt auf der Frontneigung, der thermischen postfrontalen
Schichtung sowie der Geometrie der zonal ausgerichteten Bodentiefdruckrinne. Bei
postfrontal einsickernder modifizierter Polarluft sinkt nicht nur die Temperatur
in H85, sondern auch die Schneefallgrenze deutlich ab. Die Frage ist nun, wie
groß der Feuchteanteil postfrontal ausfällt.
Im besten Fall läuft es so ab, wie der Großteil der Numerik es andeutet, dass am
Nordrand des Niederschlagsbandes die Schneefallgrenze nach Mitternacht allgemein
auf 800 m zurückgeht, je nach dem "topografischen Amplifikationsfaktor, TAF"
regional auch auf 600 m, was Nordhessen und dem Harz entsprechend ausgangs der
Nacht etwas Nassschneefall bescheren würde. Im Median der Ensembles ist kaum was
hinterlegt, in den Spitzen rund 5 cm Neuschnee.
Sollte sich aber die Variante von GFS durchsetzen, dann würde mit verstärktem
Aufgleiten im Verlauf der Nacht deftiger Nassschneefall im Norden von NRW und
Südniedersachsen auftreten mit 6-std. Neuschneemengen von 5 bis 10 cm. Diese
Option wird im ICON-EPS sowie im IFS-EPS im Maximum gezeigt, allerdings mit
geringeren Mengen. Aus aktueller Sicht spricht der Großteil der Numerik eher für
die defensivere Variante, aber es bleibt natürlich ein Blickfang in den
kommenden Updates.

Abseits dieser Front bleibt es im Süden trocken bei von Norden zunehmender
Bewölkung. Südlich der Donau bleibt es meist klar und auch im äußersten Norden
lockert die Bewölkung postfrontal stärker auf. Entsprechend variabel fallen die
Minima aus mit 5 bis 1 Grad bei Aufklaren und sonst milden 9 bis 5 Grad unter
dichten Wolken.

Der Südwestwind bleibt entlang und südlich der Front die Nacht über ein Thema
mit verbreitet starken Böen (Bft 7), im Bergland mit markanten Böen Bft 8 bis
Bft 9, exponiert z.B. auf dem Brocken weiterhin im Unwetterbereich. Postfrontal
weht ein frischer bis starker Nordwestwind, besonders im Küstenumfeld mit
markanten Böen (Bft 8 bis 9).


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Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Mittwoch ... verbleibt die Kaltfront über der Mitte Deutschlands liegen. Die
Frage der Niederschlagsphase dominiert das Thema, wobei besonders ein Streifen
von Nordhessen über Thüringen bis zum Erzgebirge in den Fokus rückt für mögliche
Nassschneefälle. Abhängig von der Niederschlagsintensität und dem TAF wird die
Schneefallgrenze wohl recht stark schwanken. Dennoch sind im EPS-Median regional
nun teils einige Zentimeter abgebildet, im Maximum teils bis in den markanten
Bereich reichend. Den Vogel schießt weiterhin das GFS ab, was z.B. in Nordhessen
12-std. Neuschneemengen von 20 bis 25 cm andeutet. Natürlich muss auch die warme
Vorgeschichte, der positive Bodenwärmestrom etc. mit einbezogen werden, dies
wären aber dennoch markante Mengen. Noch sind die Diskrepanzen im Detail sehr
groß, aber es erscheint mittlerweile recht plausibel, dass diese Regionen im
Tagesverlauf mehrstündigen Nassschneefall erleben werden. Wie intensiv und mit
welchen Schwerpunkten wird sich hoffentlich mit weiter stabilisierender Numerik
zeigen, grundsätzlich spielen aber die hohen Intensitätsraten des Niederschlags,
der komplexe TAF (Orografie) sowie das recht homogen gezeigte Vordringen der
bodennahen Kaltluft bis in den genannten Bereich in die Karten des Schneefalls.

Die flüssige Phase fällt aber auch weiterhin im Umfeld er Front über der Mitte
und das nicht zu knapp. 12 std. fällt in der breiten Mitte 10 bis 20 l/qm, in
Staulagen der zentralen Mittelgebirge teils um 35 l/qm Niederschlag. Der Fokus
liegt auch auf der Progressivität des NCFR, denn dessen Interaktion mit der
Orografie ist historisch gesehen sehr effektiv für hohe Stundenraten.

Summieren wir diese Mengen in einem 24-std. Zeitraum auf (Nacht zum Mittwoch
beginnend), dann erscheinen markante Dauerregenwarnungen in den Staulagen der
zentralen Mittelgebirge plausibel und es wird noch wahrscheinlicher, wenn man
die Mittelfrist (Donnerstag bis in die Nacht zum Freitag) mit einbezieht, wo wir
48- bis 72-std. in den Staulagen je nach Modell im markanten bis UNWETTERartigen
Bereich liegen (72-std. Mengen um 100 l/qm in einzelnen Staulagen der westlichen
zentralen Mittelgebirge). Entsprechend aggressiv fallen auch die
Ensemblevorhersagen aus, sodass die Ausgabe von länger gültigen, markanten
Dauerregenwarnungen in den Staulagen sehr wahrscheinlich erscheint.

Der Südwestwind weht südlich der zentralen Mittelgebirge unvermindert stark
böig, im Bergland in Sturmstärke und auf exponierten Gipfeln teils im
Unwetterbereich. Derweilen fächert der Gradient postfrontal besonders im
Nordwesten stark auf, bevor im Umfeld der Küsten und im Nordosten wieder Bft 7
bis 8 Böen zu erwarten sind.

Die Höchstwerte liegen im Norden zwischen 5 und 9 Grad, im Süden zwischen 9 und
13 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag dann keine durchgreifende Änderung. Viel Nass über
der Mitte, zeitweise Regen im Süden, ggf. Nassschneefall in Richtung Erzgebirge
und Thüringer Becken sowie postfrontales Aufklaren mit Nebelbildung im Norden.
Zudem driften von der Nordsee einzelne Schauer ins Binnenland und das bei Minima
von 10 bis 7 Grad im Süden und +1 bis -3 Grad im Norden (dort teils Glätte). Der
Südwestwind bleibt im Süden besonders im Bergland (markant) ein Thema.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die grobe Entwicklung wird sehr gut erfasst, der Teufel steckt aber im Detail
z.B. bei der Frage der Niederschlagsphase (siehe Text).
Bezüglich der Dauerregenwarnungen erscheint die Ausgabe von markanten Warnungen
für die Staulagen der zentralen Mittelgebirge im Verlauf des Dienstags sinnvoll,
wobei bis dahin auch zu klären ist, ob lokal die rote Karte gezogen werden
müsste, was 48.- bzw. 72-std. momentan in den orografisch besser aufgestellten
Modellen wie dem UK10/ICON gezeigt wird. Im Ensemble sind die Signale für
Unwetter noch nicht überzeugend. Bei dem Feuchtegehalt der Luftmasse und vor
allem dem immer zögerlichen Ausräumen dieser modifizierten Subtropikluft ist
jedoch zu befürchten, dass die Numerik noch etwas "Einholen/Fangen" spielen wird
und entlang der Staulagen ggf. die akkumulierten Mengen weiter anzieht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy