DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

29-01-2024 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 29.01.2024 um 10.30 UTC



Weiterhin tagsüber mild und ab Wochenende Einstellung einer Grenzwetterlage. In
diesem Zuge zunehmend stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 05.02.2024


Nach einer über mehrere Tage andauernden Hochdruckphase - man hat ja fast schon
vergessen, dass es derartiges auch noch gibt - startet die Mittelfrist am
Donnerstag mit einer ausgeprägten Sturmtiefentwicklung über Skandinavien. Die
zugehörige Kaltfront erreicht uns bereits in der Nacht und erreicht zu Beginn
der zweiten Tageshälfte bereits den Alpenraum. Rückseitig fließt dabei kühlere,
aber deutlich maritim geprägte subpolare Kaltluft ein. Mit T850 zwischen -1 und
-4 Grad sind dementsprechend die ohnehin nur sehr spärlich vorhandenen
Hoffnungen auf eine mögliche Rückkehr des Winters schnell zunichte gemacht. An
die Kaltfront ist aber immerhin ein Niederschlagsband gekoppelt, sodass
zumindest zeitweise nach der aktuell noch andauernden trockenen Periode
verbreitet etwas Regen fällt. Bezüglich der Temperaturen macht sich der
Luftmassenwechsel dagegen kaum bemerkbar. Mit frontrückseitigem Absinken kann es
aber vor allem in den Mittelgebirgen bei Aufklaren nochmals leichten Frost in
der Nacht zu Freitag geben.

Am Freitag zieht das skandinavische Sturmtief rasch ostwärts ab. Nachfolgend
breitet sich ein ausgedehnter Rücken vom Atlantik her bis nach Mitteleuropa aus.
Dies führt zu einer Verschärfung der Bodendruck- und Geopotentialgradienten
zwischen Südwest- und Nordosteuropa. Diese zunehmende Dynamik führt zu einer
weiteren Randtiefentwicklung über dem Nordmeer. Deutschland gelangt dabei rasch
wieder in den sich nun aufspannenden neuen Warmsektor, der zusätzlich durch die
kräftige Warmluftadvektion des Atlantikhochs unterstützt wird. In Summe
resultiert daraus zudem die Genese einer Warmfront, die in der Nordosthälfte zu
erneuten Niederschlägen führt. Mit Gradientzunahme frischt dabei auch der Wind
im Norden und der Mitte kräftig auf, an der Küste und im Bergland wird es erneut
stürmisch.

Am Samstag greift von Norden kurzzeitig die Kaltfront des Randtiefs vom Vortag
über. Diese verliert aber rasch an Kraft und kommt kaum südwärts voran. Der
Grund dafür ist die strömungsparallele Einbettung in die sich immer weiter
ausbildende Frontalzone zwischen tiefem Geopotential über Skandinavien und dem
Hochdruckkeil, der sich weiterhin über Südwesteuropa befindet. Über Deutschland
bildet sich nun allmählich eine Luftmassengrenze heraus, die den Nordosten und
den Südwesten des Landes teilen. Entlang dieser Luftmassengrenze fällt im Zuge
kurzwelliger Troganteile etwas Regen.

Am Sonntag ist die Frontalzone kräftig ausgeprägt. Damit kommt der Jet zusehends
in Fahrt, dessen Maximum mit etwa 150 kt knapp nördlich von Deutschland zu
liegen kommt. Dieser Dynamik folgend wird nun eine neuerliche Tiefentwicklung
mit einsetzender Austrogung sowohl vor der norwegischen Küste, als auch im Lee
des skandinavischen Gebirges induziert, während das Atlantikhoch mittlerweile an
Kraft verliert. Dadurch verlagert sich die weiterhin vorhandene Luftmassengrenze
weiter südwärts. Des Weiteren kommt er erneut zu einer deutlichen Verschärfung
des Bodendruckgradienten, die wahrscheinlich die nächste Sturmlage im Norden und
möglicherweise auch der Mitte Deutschlands ins Haus stehen lässt.

Auch am Montag liegt Deutschland weiter im Bereich der Frontalzone. Dabei deutet
sich aber ein vorübergehendes Ausräumen der kühleren Höhenluft durch kräftige
Warmluftadvektion im Zuge einer Wellenbildung an. Neben weiter anhaltenden
stürmischen Verhältnissen im Norden gilt es hier auch das Auge auf nun
kräftigere und länger anhaltende Niederschläge zu richten. Nachfolgend gelangt
wieder eine deutlich kühlere Luftmasse nach Deutschland. Ob das letzten Endes
für etwas "Winterfeeling" zumindest in der Nordosthälfte Deutschlands reicht,
muss sich erst noch zeigen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die grundlegenden synoptischen Strukturen werden in den letzten Läufen des IFS
durchweg konsistent simuliert. Damit scheint die Herausbildung der beschriebenen
Grenzwetterlage erst einmal außer Frage zu stehen. Der Teufel liegt hier aber
wie immer im Detail, denn Lage und Ausprägung derselbigen sind oft - und so auch
hier - mit großen Unsicherheiten verbunden.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Der Vergleich mit weiteren Globalmodellen (hier: GFS, ICON) zeigt ebenfalls ein
relativ einheitliches Bild bezüglich der synoptischskaligen Strukturen.
Unterschiede zeigen sich zunächst vor dem Wochenende. Hier wird die Art und
Weise, wie sich die Frontalzone herausbildet, unterschiedlich dargestellt. So
zeigt ICON zum Beispiel am Freitag einen zusätzlichen kurzzeitigen
Warmlufteinschub, bevor die kühlere subpolare Luftmasse nach Deutschland
vordringen kann, während die anderen Modelle, direkt die bereits beschriebene
Kaltfront übergreifen lassen. Ebenso unsicher ist letzten Endes auch die
Ausprägung der Sturmfelder zum Wochenwechsel. Hier könnten zudem noch etwaige
Randtiefentwicklungen entlang der Frontalzone die Vorhersage
durcheinanderwirbeln.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen zeigen bis zu Beginn der neuen Woche ein relativ einheitliches
Bild. Ab Sonntag beginnt zunächst der Spread beim Geopotential deutlich zu
wachsen. In der Mitte und im Süden sind die Temperaturverläufe in 850 hPa sogar
darüber hinaus noch relativ stark gebündelt. Hier zeigen sich nur wenige
Ausreißer, diese beinhalten vor allem deutlich kühlere Verläufe. Im Norden sind
die Unsicherheiten dagegen deutlich größer. Entsprechend der zunehmenden
Zyklonalität springen sprechen außerdem die Niederschlagssignale ab Sonntag
wieder durchgehend an.

Bis +96h produzieren die ECMWF-ENS gleich vier Cluster, die sich aber allesamt
im +NAO-Regime mit zeitweisem Übergang zu atlantischem Rücken befinden. Dabei
befindet sich Cluster #1 in deutlicher Übergewichtung mit 27 Membern. Im
Zeitraum +120 bis +196 Stunden sind noch drei Cluster vorhanden, am
Großwetterlagenregime ändert sich dabei nichts signifikantes. Darüber hinaus
werden bis +240 Stunden noch zwei Cluster simuliert. Diese unterscheiden sich
hinsichtlich des Abbaus von hohem Geopotential im Mittelmeerraum. Die Mehrheit
der Member (31 in Cluster #1, 20 in Cluster #2) bevorzugt dabei die persistente
Lösung mit weiter anhaltendem Hochdruck über Südeuropa.

Die ENS des GFS zeigen sich deutlich variabler als die des IFS, was als Hinweis
darauf zu werten ist, dass GFS die sich einstellende Grenzwetterlage weniger gut
im Griff hat. Neben den Lösungen des Hauptlaufs gibt es hier vermehrt Member,
die deutlich kältere Lösungen bevorzugen, d.h. die Luftmassengrenze deutlich
südlicher liegen lassen, als es bei IFS der Fall ist.

Fazit: Nach Frontdurchgängen am Donnerstag und Freitag mit daran gekoppelten
Niederschlägen stellt sich eine Westlage mit Ausbildung einer ausgeprägten
Frontalzone und damit einer Luftmassengrenze ein. Entlang dieser
Luftmassengrenze kommt es wiederholt zu Niederschlägen. Diese können zu Beginn
der neuen Woche im Zuge einer Wellenbildung sogar in markanten Dauerregen
ausarten. Zudem wird es bei zunehmenden Gradienten wiederholt stürmisch. Nach
jetzigem Stand ist der Höhepunkt am Sonntag zu erwarten. Dann werden im Norden
verbreitet Sturmböen der Stärke Bft 8-9 simuliert. Insgesamt bleibt es dabei
eher mild.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Donnerstag und Freitag vor allem entlang der Küste sowie in den zentralen und
östlichen Mittelgebirgen wiederholt Sturmböen Bft 8, teils auch 9
wahrscheinlich. Auf exponierten Gipfeln noch stärkere Sturmböen bis hin zu Bft
11 gering wahrscheinlich.
Am Samstag vorübergehende Beruhigung bei nur gering wahrscheinlichen stürmischen
Böen Bft 8 an der Küste.
Am Sonntag im Norden verbreitet Sturmböen Bft 8-9, ebenso in den Mittelgebirgen
Sturm möglich. In Gipfellagen vereinzelt Bft 10-11 nicht ausgeschlossen.
Am Montag etwas nachlassender Wind, dann im Nordwesten markanter Dauerregen über
24 Stunden nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-IFS, ECMWF-ENS, GFS, GFS-ENS, ICON, MOSMIX, COSMO-LEPS, ICON-EU-ENS
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VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch