DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

23-01-2024 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.01.2024 um 10.30 UTC



Nach teils stürmischem Freitag ruhiges Hochdruckwochenende. Danach
unbeständiges, mildes und teils windiges Westwetter. Abseits von Nachtfrost und
anfangs etwas Schnee in den Alpen kaum Winterliches.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 30.01.2024


Zum Beginn des mittelfristigen Zeitraums am Freitag findet sich ein
Langwellentrog über Osteuropa, der sich einer mächtigen Amplitude erfreut, und
ein weiterer, etwas breiter angelegter Trog über dem Atlantik mit einem
markanten Kurzwellentrog über den Britischen Inseln. Dazwischen wölbt sich ein
Rücken auf, dessen Achse anfangs noch knapp westlich von Deutschland verläuft.
Im Tagesverlauf kommt der Kurzwellentrog rasch ostwärts voran, zieht über
Deutschland samt vorlaufendem Rücken hinweg und liegt abends bereits östlich von
uns. In der Folge dreht die lebhafte Höhenströmung von West bis Südwest auf
Nordwest. Am Boden überquert uns parallel das teilokkludierte Frontensystem
eines steuernden Tiefs bei Grönland ostwärts, die im Süden "klassischerweise"
etwas zurückhängt und daher erst gegen Abend die Alpen erreicht. Daran
entwickelt sich über Südnorwegen ein Teiltief, wodurch der Wind an der Südflanke
deutlich auffrischt und vor allem im Küstenumfeld, im Nordwesten und im Bergland
sowie vorübergehend auch bei Frontdurchgang für stürmische Böen, exponiert auch
für Sturmböen sorgt. Etwas mehr Wind gibt es standesgemäß in manchen
Gipfellagen, auf dem Brocken ist mit orkanartigen Böen zu rechnen. Hinter der
Front sinkt die Temperatur in 850 hPa auf -5 bis 0 Grad, wodurch sich in die
frontalen, im Nordwesten durchaus auch kräftigen Regenfälle oberhalb von 600 bis
800 m allmählich auch ein paar Schneeflocken hineinmischen können (in den Alpen
nachts oberhalb etwa 1000 m; dort ein paar cm Neuschnee). Mit absinkender
Schneefallgrenze schwächen sich die Niederschläge aber auch schon wieder ab,
denn rückseitig macht sich Zwischenhocheinfluss breit.

Am Samstag tropft der bei uns durchgezogene Kurzwellentrog über dem östlichen
Mitteleuropa ab und nimmt Tuchfühlung zum Osteuropatrog auf. Zwischen diesem und
dem weiterhin sehr breit angelegten Nordatlantik-/Nordmeertrog kann sich ein von
Nordwestafrika ausgehender Höhenrücken über Frankreich und Deutschland bis ins
Baltikum aufwölben und den Zwischenhocheinfluss bei uns verstärken. Der Kern des
Hochs liegt über Süddeutschland, wodurch an der Westflanke wieder etwas mildere
Luft einsickern kann (T850 im Südwesten abends bei +4 Grad, im Nordosten noch -2
Grad).

Am Sonntag schwenkt die Achse des Rückens zwar langsam ostwärts über uns hinweg,
wir verbleiben allerdings in einer leicht antizyklonalen, westlichen
Höhenströmung, sodass auch dieser Tag trocken über die Bühne gehen dürfte.
Warmluftadvektion treibt die Temperatur in 850 hPa deutlich in die Höhe. Abends
liegt sie im Südwesten bei rund 11 Grad, im Nordosten bei 5 Grad. Über dem
Atlantik findet sich derweil ein wellender Frontenzug, der sich von Skandinavien
über die Britischen Inseln bis über die Azoren hinaus erstreckt und zu einem der
vielen Kerne des steuernden Tiefdruckkomplexes im Bereich Grönland/Nordmeer
gehört.

Dieser Frontenzug greift am Montag von der Nordsee kommend auf Deutschland über,
wird im Süden rückläufig und geht in die Warmfront eines atlantischen Teiltiefs
über. Viel Unterstützung aus der Höhe ist allerdings nicht geboten, sodass die
damit verbunden Niederschläge allenfalls leichter Natur sind. Die Temperatur
sinkt niedertroposphärisch wieder etwas ab - im Norden auf etwa 0 Grad, im Süden
auf 5 Grad in 850 hPa.

Am Dienstag schwenkt die schwache Warmfront und die damit verbundenen leichten
Niederschläge rasch über uns ostwärts hinweg. Dahinter macht sich bereits das
nächste Zwischenhoch breit, das sich mit Blick in die erweiterte Mittelfrist
zumindest im Südwesten etwas länger halten könnte, während die Nordosthälfte am
Mittwoch schon wieder vom nächsten Frontensystem bei sehr lebhaftem Wind erfasst
wird.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle IFS-Lauf (00-UTC) weist bereits ab der Nacht zum Sonntag
nennenswerte Abweichungen im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern auf. Ließ der
gestrige 00-UTC Lauf schon dann die nächste Front auf Deutschland übergreifen
(im gestrigen 12-UTC-Lauf im Laufe des Sonntags), hält der aktuelle Lauf am sich
am Samstag einstellenden Zwischenhocheinfluss fest. Grund hierfür ist ein nun
nicht mehr simulierter Kurzwellentrog, der in den Vorläufen noch in der Nacht
zum Sonntag über die Nordsee hinweg ostwärts zog und in besonderem Maße im
gestrigen 00-UTC-Lauf ausgeprägt war. Dementsprechend würde nun am Sonntag eine
deutlich mildere Luftmasse bei uns vorherrschen (5 bis 10 Grad, statt -1 bis 4
Grad im gestrigen 00er Lauf) und erst für Montag der nächste Frontdurchgang
anstehen. Anschließend fügt sich der aktuelle Lauf zwar in die von den Vorläufen
simulierte unbeständige und windige Westwetterlage ein, hinsichtlich der
synoptischen Felder ergeben sich aber weiterhin zum Teil größere Unterschiede.
Beispiel: Der Durchgang des im gestrigen 00-UTC-Laufs noch prognostizierten
Troges mit (potentieller Sturm-)Tiefentwicklung über Südskandinavien ist im
heutigen 00er Lauf vom Tisch. Stattdessen wird eine recht glatte westlich bis
nordwestliche Höhenströmung gezeigt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Zunächst herrscht große Einigkeit zwischen den betrachteten Globalmodellen (IFS,
ICON, GFS, UK10): Frontdurchgang am Freitag, danach hochdruckgeprägtes
Wochenende und am Montag Übergreifen der nächsten Front. Dann fahren ICON und
UK10 eine etwas andere Schiene. Sie lassen die Front nicht bis in den Süden
vorankommen, sondern über dem Norden rückläufig werden, wo sie schließlich in
ein eigenständiges Tief bei Irland geführt wird. Die damit verbundenen
Niederschläge würden also im Norden und Teilen der Mitte verbleiben. GFS will
von Rückläufigkeit dagegen nichts wissen und lässt die Front komplett
durchgehen, was zumindest den Alpen etwas Schnee bringen würde. Insgesamt ist
die Höhenströmung bei allen anderen Modellen (deutlich) zyklonaler konturiert
als bei IFS, wodurch die Niederschläge auch etwas kräftiger ausfallen (vor allem
bei GFS). Warnwürdige Mengen werden aber nicht erreicht.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Der 00-UTC-Lauf des IFS vom heutigen Dienstag legt sich wunderbar in den bis
einschließlich Samstag sehr engen Ensemblespread. Ab Sonntag nimmt der Spread
zu, wenngleich der Großteil der Member der milden Schiene des Hauptlaufs mit
etwa 5 bis 10 Grad in 850 hPa folgt. Zwar ist für Sonntag allenfalls geringes
Gezappel bei Niederschlagssignalen zu sehen, es scheint aber durchaus nicht im
Bereich des Unmöglichen zu liegen, dass das Übergreifen der Front bereits im
Laufe des Sonntags vonstattengeht. Ab Montag ist der Spread ziemlich groß bei
insgesamt wieder zunehmenden Niederschlagssignalen, wobei die Ensemblemitglieder
oftmals oberhalb der 0-Grad-Grenze für T850 liegen. Das untermauert dann doch
die Rückkehr zu einer tendenziell (leicht) unbeständigen und milden
Westwetterlage.

So ähnlich sieht es auch die Clusteranalyse, die zwar im Zeitraum von Sonntag
bis Dienstag mit stolzen sechs Clustern aufwartet (Haupt- und Kontrolllauf in
Cluster 2 mit insgesamt 11 Membern), diese sind aber nahezu komplett dem Regime
NAO positiv zuzuordnen. Die Höhenströmung ist dabei allerdings meist (mal mehr,
mal weniger stark) antizyklonal gekrümmt. Die Niederschlagsmengen würden also
eher geringer Natur sein.
Im Zeitraum von Mittwoch bis Freitag liegen vier Cluster vor, ändern sich die
Muster tendenziell wieder mehr auf eine zyklonale, westliche bis nordwestliche
und sehr lebhafte Höhenströmung setzen. Haupt- und Kontrolllauf bewegen sich
auch hier wieder in Cluster 2 (15 Member). Cluster 1 (18 Member) verfolgt
interessanterweise weiterhin ein eher antizyklonales Strömungsmuster und
simuliert die Frontalzone deutlich weiter nördlich (Süd-/Mittelskandinvien) als
die anderen Cluster (teilweise über Norddeutschland).

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Freitag muss vor allem im Umfeld der Küsten, im Nordwesten, im Bergland sowie
in der Nordhälfte vorübergehend bei Frontdurchgang mit stürmischen Böen 8 Bft
aus West, in exponierten Lagen sowie an der Nordsee auch Sturmböen (9 Bft). Auf
manchen Gipfeln kommt es zu schweren Sturmböen 10 Bft, auf dem Brocken zu
orkanartigen Böen (11 Bft). Am Samstag treten auf dem Brocken und dem
Fichtelberg letzte Sturmböen (8-9 Bft) auf.

Am Sonntag und Montag sind nur in Gipfellagen Sturmböen (8-9 Bft), auf dem
Brocken auch schwere Sturmböen 10 Bft zu erwarten.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS(-EPS), ICON, GFS, UK10, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Tobias Reinartz