DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-01-2024 10:31

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 22.01.2024 um 10.30 UTC



Leicht unbeständig, im Norden zeitweise sehr windig. Insgesamt mild,
"winterliches" nur in Form von Nachtfrost und etwas Schnee in den Alpen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 29.01.2024


Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag liegt ein umfangreicher, stark
amplifizierter Höhentrog über Osteuropa, ein weiterer, etwas breiter angelegter
und sich regenerierender Trog mit Drehzentrum über Südgrönland. An dessen
Südflanke schwenkt ein kurzwelliger Anteil ins Seegebiet knapp westlich von
Irland. Zwischen den beiden Trögen kann sich ein Rücken von Südwesteuropa bis
nach Spitzbergen aufwölben. Auf seiner Vorderseite befindet sich Deutschland in
einer nordwestlichen Höhenströmung. Zwischen den beiden steuernden Tiefs über
Nordwestrussland und über der Grönlandsee kann sich ein Hochkeil nach
Süddeutschland schieben. Die Kaltfront des Osteuropatiefs schleift über den
Alpenraum und geht über Frankreich und Benelux in die Warmfront des
Atlantiktiefs über. Sie erreicht abends den Westen. Somit befindet sich
Deutschland vorübergehend im Zustrom polarer Meeresluft mit 850-hPa Temperaturen
zwischen +1 Grad im Südwesten und -5 Grad im Nordosten. Im Tagesverlauf setzt
von Südwesten wieder WLA ein, was sich in einem Anstieg der Temperaturen auf +1
bis +4 Grad widerspiegelt.
Am Alpenrand sorgt die schleifende Front und Stauprozesse noch für zeitweiligen
Schneefall mit Neuschneemengen zwischen 5 und 15 cm. In der Osthälfte treten
noch einzelne Schauer auf, die Schneefallgrenze liegt im östlichen
Mittelgebirgsraum zwischen 600 und 800 m. Die WLA sorgt im Tagesverlauf dann
aber für Stabilisierung und nachlassende Schauer, erst abends setzt mit
Annäherung der Warmfront im Südwesten und Westen leichter Regen ein. Der Wind
weht im Nordosten und Osten in Böen anfangs noch stark bis stürmisch aus
Nordwest, im Bergland gibt es Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen. Mit
Übergreifen des Hochkeils fächert der Gradient aber auf und der Wind lässt nach.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Rücken nach Deutschland, der
Kurzwellentrog über die Britischen Inseln zur Nordsee. Die Warmfront zieht
langsam nach Osten und bringt weiter leichten Regen. Da sich im Südosten und
östlichen Bergland eingangs der Nacht leichter Frost einstellt, ist dort
gefrierender Regen örtlich nicht ausgeschlossen. Die teilokkludierte Kaltfront
des nordatlantischen Tiefdruckkomplexes erreicht den Nordwesten ausgangs der
Nacht mit schauerartig verstärktem Regen.

Am Freitag zieht der Kurzwellentrog über die Nordsee nach Südskandinavien und
verdrängt den Rücken nach Osteuropa. Über dem Skagerrak und Südschwenden bildet
sich orographisch bedingt ein kleines Teiltief. An seiner Südflanke verschärft
sich der Gradient, sodass der von Südwest auf Nordwest drehende Wind wieder
deutlich auffrischt. Über der Nordhälfte kommt es teils zu stürmischen, im
Bergland und an der See zu Sturmböen, auf Gipfeln sind schwere Sturmböen
möglich. Die weiter okkludierende Kaltfront schwenkt mit schauerartigen Regen
über die Nordhälfte zügig ostwärts, im Süden hängt sie zurück und beginnt leicht
zu schleifen. Die 850-hPa-Temperaturen steigen in der Südhälfte präfrontal
vorübergehend deutlicher an auf 3 bis 5 Grad, sodass die Schneefallgrenze in den
Alpen auf über 2000 m ansteigt. Postfrontal sinkt sie in der einießenden polaren
Meeresluft (T850 auf -1 bis -6 Grad sinkend) in den Mittelgebirgen wieder auf
rund 600 m ab, allerdings lässt der Niederschlag alsbald nach, sodass kein
nennenswerter Neuschnee zu erwarten ist.
In der Nacht zum Samstag tropft der Kurzwellentrog über dem östlichen
Mitteleuropa ab. Der nächste kurzwellige Anteil des Nordatlantiktroges nähert
sich den Britischen Inseln. Dazwischen kann sich erneut ein Rücken aufwölben,
dessen Achse am Morgen über Frankreich und der Nordsee verläuft. Das Teiltief
zieht zur mittleren Ostsee, gefolgt von dem nächsten Zwischenhoch, das sich mit
seinem Kern nach Süddeutschland vorarbeitet. Die Kaltfront zieht leicht
schleifend über die Alpen nach Süden ab, Stauprozesse sorgen am Alpenrand aber
noch für zeitweilige Niederschläge. Die Schneefallgrenze sinkt auf 1000 bis 800
m ab, darüber sind 5 bis 10 cm Neuschnee zu erwarten. Der Wind weht an der
Ostsee noch längere Zeit stürmisch aus Nordwest, ansonsten fächert der Gradient
von Westen zügig auf und der Wind lässt nach. Bei Aufklaren kann die frische
Polarluft stark abkühlen, verbreitet stellt sich leichter Frost ein mit
Glättegefahr.

Am Samstag dominiert der Einfluss des sich nur langsam nach Südosten
verabschiedenden Zwischenhochs, sodass es meist trocken und teils freundlich
ist. Der nächste Kurzwellentrog liegt tagsüber noch bei den Britischen Inseln,
schwenkt in der Nacht zum Sonntag aber zügig über die Nordsee nach
Südskandinavien und forciert dort wieder die Entwicklung eines kleinen
Teiltiefs. Dessen teil-okkludierte Kaltfront greift ab dem Abend von Nordwesten
her über und sorgt in der Nacht in der Nordwesthälfte für zeitweiligen Regen.
Der Wind frischt im Nordseeumfeld in Böen wieder stürmisch auf. In der
Südosthälfte herrscht noch Hochdruckeinfluss, geringe Bewölkung und leichter bis
mäßiger Frost.

Am Sonntag wiederholt ich das Spiel, der Kurzwellentrog zieht ostwärts ab, der
nächste lauert schon bei den Britischen Inseln. Dazwischen sorgt ein Rücken
erneut für Zwischenhocheinfluss. Die teil-okkludierte Kaltfront gerät ins
Schleifen und erreicht nur mit Mühe die Mitte und den Süden. Dort verliert sie
an Wetterwirksamkeit, sodass die Regenfälle an ihr nachlassen. Ganz im Süden
bleibt es sogar trocken. Bei der 850-hPa-Temperatur stellt sich nur ein seichtes
Süd-Nord-Gefälle ein (-1 bis +5 Grad). Der Wind bleibt an der See und im oberen
Bergland frisch, stürmische Böen treten aber allenfalls exponiert auf.

Am Montag soll sich der nachfolgende Kurzwellentrog nach IFS-Lesart deutlich
amplifizieren und zügig auf Deutschland übergreifen und forciert wieder ein
kleines Teiltief über Südskandinavien. Die Gradientverschärfung lässt den Wind
wieder stark auffrischen, im Süden sind gebietsweise, im Norden verbreitet
stürmische Böen zu erwarten, an der See und im Bergland Sturmböen, auf Gipfeln
orkanartige Böen. Diese Entwicklung ist aber noch unsicher (siehe
Konsistenzbetrachtung und Modellvergleich). Das südostwärts schwenkende
Frontensystem sorgt indes für schauerartige Regenfälle, gefolgt von Regen- und
Graupelschauern sowie einzelnen kurzen Gewittern in der postfrontal
einfließenden maritimen Polarluft. An den Alpen stellt sich in der Folge erneut
eine Staulage ein, sodass oberhalb von 1000 m um oder etwas mehr als 10 cm
Neuschnee möglich sind.

In der erweiterten Mittelfrist setzt sich zunächst wieder Zwischenhocheinfluss
durch, bevor die nächsten atlantischen Störungen ab Wochenmitte zumindest dem
Norden wieder unbeständigeres und windigeres Wetter bringen. Es bleib insgesamt
ziemlich mild, nur nach Süden zu kann die Luft unter Hochdruckeinfluss altern
und sich abkühlen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Dem IFS kann bis einschließlich Sonntag eine sehr gute Konsistenz bescheinigt
werden. Erst ab Montag gehen die Berechnungen auseinander. So greift im jüngsten
IFS-Lauf von heute Morgen (00Z) der nächste Trog etwas zügiger und schärfer
konturiert auf Deutschland über als in den gestrigen Läufen, inklusive einer
stärkeren Randtiefentwicklung über Skandinavien. Etwas kräftigere Niederschläge
und stärker Wind bis hin zu Sturmböen sind die Folge.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die üblicherweise an dieser Stelle betrachteten deterministischen Globalmodelle
rechnen bis Sonntag keine nennenswert abweichenden Szenarien.
Der Kurzwellentrog am Montag wird von GFS und ICON deutlich flacher gerechnet
und greift zudem verzögert auf Deutschland über. Zudem wird das
korrespondierende Randtief in beiden Modellen schwächer und auch mit teils
deutlich abweichender Positionierung gerechnet. Die markante Entwicklung im IFS
mit verbreitetem Sturm wäre demnach mit Vorsicht zu genießen.
In der erweiterten Mittelfrist ab Dienstag tropft der Kurzwellentrog bei GFS
nicht über Ost-, sondern über Mitteleuropa ab. Dies blockiert das übergreifen
der nächsten atlantischen Störungen, sodass sich zur Wochenmitte vorübergehend
eher nasskaltes Wetter durchsetzen würde mit etwas besseren Schneeoptionen für
das Bergland.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


IFS-EPS-Rauchfahnen:
Obwohl der Verlauf der 850-hPa-Temperatur und des 500-hPa-Geopotenials das für
eine zyklonale West-/Nordwestlage typische, recht hochfrequente Auf und Ab
zeigt, sind die Rauchfahnen zumindest bis Sonntag ziemlich eng gebündelt. Im
Hinblick auf das kurzwellige Trog-Rücken-Muster und die Frontpassagen gibt es
zwischen den Ensemble-Membern also kaum Phasenunterschiede. Der zeitliche Ablauf
scheint demnach recht sicher zu sein.
Zu Wochenbeginn nimmt die Streuung deutlich zu. Die meisten Member setzten die
Berg- und Talfahrt zwar fort, allerdings mit zum Teil deutlicherer
Phasenverschiebung. Der deterministische Lauf nimmt zu Wochenbeginn sowohl
bezüglich der Temperatur als auch im Hinblick auf das Geopotenzial eine Position
eher am unteren Ende der Memberschar ein.
Bei den Niederschlägen gibt es eigentlich durchgehen Ausschläge, im Norden mehr
als im Süden. Eine nennenswert trockene Phase deutet sich eigentlich nur für den
Samstag an.

CLUSTER:
In allen Zeiträumen dominiert die Großwetterlagenklasse NAO+, was für eine
insgesamt recht aktive Westdrift spricht. Nennenswerte Unterschiede ergeben sich
erst für den Zeitraum +120-168 h (insbesondere zum Montag). Cluster 1 und 2
(30/51 Member, inkl. det. Lauf und CL) zeigen einen mehr oder weniger starken
Vorstoß des nächsten Kurzwellentroges. In Cluster 3 (11/51 Member) ist der Trog
viel flacher, sodass sich über Mitteleuropa zum Teil Hochdruckeinfluss halten
kann.
Im Zeitraum +192-240 h (Dienstag-Donnerstag) zeigen Cluster 1 und 3 (22/51) eine
zyklonale West- bzw. Nordwestlage, Cluster 2, insbesondere aber Cluster 4 und 5
(29/51) eher eine antiyzkonale (nördliche) Westlage.

FAZIT:
In der Mittelfrist dominiert eine West- bis Nordwestlage mit recht deutlicher
zyklonaler Färbung. Trog- und Frontpassagen mit eher unergiebigem Regen, aber
teils stürmischem Wind wechseln sich mit kurzen Phasen schwachen
Zwischenhocheinflusses ab. Dabei bleibt es insgesamt eher mild. Nennenswertes
Winterwetter mit etwas Neuschnee gibt es nur in den Alpen, ansonsten beschränken
sich winterliche Wettererscheinungen auf regionalen Nachtfrost und örtliche
Glätte.
Ab Montag wird die Vorhersage unsicher. Eine Fortdauer des leicht unbeständigen,
aber milden Wetters ist aber wahrscheinlich.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Mit Passage mehrerer Bodentröge und Fronten frischt der Wind bevorzugt in der
Nordhälfte in Böen zeitweise stürmisch auf. Eine ausgewachsene, landesweite
Sturmlage steht aber erst einmal nicht an. Erst am Montag wird die Windprognose
unsicher, verbreitete stürmische Böen oder Sturmböen sind dann zumindest nicht
auszuschließen.

SCHNEE:
Bis Donnerstagnachmittag sowie ab Freitagabend bis in die Nacht zum Samstag
hinein kann es an den Alpen mal etwas kräftiger schneien, markante
Neuschneemengen (>10 cm/12 h) bleiben aber eher den höhergelegenen Staulagen
vorbehalten.

GLATTEIS:
In der Nacht zum Freitag ist im östlichen Bergland sowie im Osten und Südosten
Bayerns örtlich gefrierender Regen und Glatteis nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser