DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-01-2024 20:01
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 17.01.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
(Teils extreme) Unwetterlage durch Glatteis über der Mitte und dem Süden.
Unwetter durch Schneefälle nördlich daran anschließend, bis in die Nacht zum
Donnerstag anhaltend. Am Donnerstag langsame Entspannung, dann im Süden Übergang
von Regen in Schnee.



Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... herrscht über Skandinavien niedriges Geopotential vor. Von diesem
großräumigen und mehrkernigen Höhentief gehen mehrere, teils langwellige
Troganteile ab. Einer ist, von der nördlichen Nordsee und Schottland ausgehend,
nach Westen gerichtet und überquert in der Nacht England und Irland südwärts.
Ein weiterer weist aktuell von England nach Südwesten über die Biskaya hinweg
zum nahen Ostatlantik, ein dritter erstreckt sich über Osteuropa nach Süden in
Richtung Kaukasus. Zwischen den beiden letztgenannten hat sich eine leicht
flatternde, von West-Südwest nach Ost-Nordost orientierte Höhenströmung
eingestellt. Diese kippt in der Nacht durch das Übergreifen des Biskaya-Troges
auf Frankreich etwas mehr auf Südwest-Nordost. Unterhalb der beschriebenen
Höhenströmung liegt eine langgestreckte Tiefdruckrinne, in der mehrere Kerne des
Glatteistiefs GERTRUD zu finden sind. Der westlichste dieser Kerne wird zum
Abend von ICON vor der Bretagne positioniert, ein weiterer über Nordfrankreich,
und ein dritter dann über Mitteldeutschland. Durch die beschriebene Verlagerung
der Tröge bekommt die Rinne ein bisschen Drive nach Süden, ausgangs der Nacht
soll sie Zentralfrankreich und die Donau erreicht haben.

Während auf der Nordseite der Rinne mit einer zumeist nördlichen Strömung
weiterhin bodennah Kaltluft advehiert wird, herrscht auf der Südflanke der Rinne
eine zumeist südwestliche Windrichtung vor, mit der eine massive Milderung
vorstatten geht. Schon der Windsprung in der Rinne deutet auf eine
Luftmassengrenze hin, und diese ist auch in den thermischen Feldern deutlich
erkennbar. So liegen die 850er Temperaturen über Norddeutschland verbreitet um
-4°C, auf der Südseite der Rinne bewegen sich diese dagegen durchweg im
positiven Bereich mit den höchsten Werten von knapp 10°C im Voralpenland. Daraus
resultierten im Südwesten Temperaturen von teils deutlich über 10 Grad,
Rekordhalter war die Station Müllheim mit 14 Grad.

Passend zur Milderung zieht über den Süden die Warmfront von GERTRUD, die bis
zum Morgen das östliche Mitteleuropa erreicht haben wird. Dann spannt sich der
Warmsektor über dem gesamten Süden Deutschlands auf. Er ist zwar grundsätzlich
stabil geschichtet, so dass es mit der vertikalen Durchmischung nicht weit her
ist. Allerdings präsentiert sich dort der Gradient recht scharf, so dass in den
Hochlagen des Südens stürmische Böen, Sturmböen und vereinzelt auf exponierten
Gipfeln auch schwere Sturmböen (Bft 8 bis 10) zu beobachten sind. Darüber hinaus
wird im Warmsektor durch kurzwellige Troganteile in der flatternden
Höhenströmung ebenso wie durch konvergente Strukturen in der unteres Troposphäre
Niederschlagfelder in den Südwesten geführt, die im Südweststau des
Schwarzwaldes für länger andauernde Niederschläge sorgen. Entsprechend laufen
dort Dauerregenwarnungen, die Stand jetzt bis in den morgigen Donnerstagmittag
terminiert sind.

An der Luftmassengrenze bleibt es bei Aufgleiten von Warmluft auf die bodennahe
Kaltluft, und dort, wo der Kaltluftkörper stark genug abgebaut wird, geht der
Niederschlag von Schnee in gefrierenden Regen über. Der gefrierenden Regen
konzentriert sich dabei auf die gebiete innerhalb und knapp südlich der Rinne.
Bei größerem Abstand zur Rinne (nach Süden ist die Milderung schon so stark,
dass dort durchweg Regen fällt (oder die Niederschläge schon in größeren
Regionen nachlassen). Nördlich der Rinne fällt dagegen Schnee, mitunter auch
kräftig, schließlich stellt sich dort eine schwach ausgeprägte Gegenstromlage
ein. Die Neuschneemengen in der Nacht sollen laut ICON nicht mehr groß ins
Gewicht fallen, allenfalls 5 cm sollen sich punktuell nochmal akkumulieren
können. Allerdings steht ICON damit auf einer sehr defensiven Position recht
alleine, SNOW4 wirft lokal bis zu 10 cm Neuschnee ins Rennen, was etwa auch den
Vorstellungen von GFS oder IFS entspricht. Umgerechnet bedeutet das sehr grob 10
mm flüssigen Niederschlages, und das ist in den Regionen mit gefrierendem Regen
auch das, was auf den Eispanzer, zumindest lokal, noch oben draufkommen kann.

In den insgesamt deutlich ruhiger aufgestellten Norden fließt von Norden her
Kaltluft ein, wobei der Druck allmählich ansteigt. Dort ist es weitgehend
trocken, allenfalls an der Nordseeküste könnten ein paar schwache Schauer
hereinziehen. Die Tiefstwerte liegen im Südwesten durchweg über null, sonst sind
es null bis -7°C.


Donnerstag ... weitet sich der von England hereinschwenkende Trog über
Deutschland nach Südosten aus. Auf seiner Rückseite wölbt sich über dem
Nordatlantik ein Rücken auf, der ein Hoch stützt, das über dem Nordatlantik
allmählich nach Südosten zieht. Dabei dreht die Strömung auch über dem Süden
zunehmend auf Nord bis Nordwest und die Luftmassengrenze kommt als Kaltfront bis
in den Süden, abends zu den Alpen voran. Sie wird am Tage vorübergehend durch
ein Randtief ausgebremst, welches zwischen Main und Donau von West nach Ost über
den Süden zieht. Mit Ausgreifen der Front nach Süden gehen die Niederschläge
auch im Süden zunehmend in die feste Phase über, während sie von Norden her
nachlassen. Der Schwerpunkt der Schneefälle verschiebt sich damit nach
Baden-Württemberg und Bayern, wobei nach Südosten hin sowie im Donautal bis in
den Abend hinein Regen fällt. Gebietsweise sind mit Vorankommen der Front nach
Südosten 5, lokal auch bis 10 cm Neuschnee möglich, im Bergland und an den Alpen
können sich bis Freitagfrüh, speziell im Allgäu, auch bis 15 cm Schnee
akkumulieren.

Das Temperaturniveau aus der Nacht heraus ist im Süden mit +5 bis +10°C sehr
hoch, mit Winddrehung auf Nord setzt dann dort aber ein kräftiger
Temperaturrückgang ein. Die Temperatur sinkt im Tagesverlauf rasch und gelangt
bis zum Abend allgemein in den Frostbereich, mit Ausnahme nur der Regionen
südlich der Donau, wo selbst zum Abend die Werte im leichten Plusbereich liegen.
Weiter nach Norden werden in der Spitze ohnehin nur 0 bis +3°C erwartet, zum
Abend sind dort aber nur noch die Küsten frostfrei. Postfrontal lockert die
Wolkendecke durch Absinken von Norden her auf. Der auf der Rückseite der
Tiefdruckrinne bzw. der Kaltfront erkennbare Bodenkeil, der sich vom
Nordatlantikhoch nach Osten schiebt, kräftigt sich im Tagesverlauf. Nur direkt
an der Nordsee sind vereinzelte Schauer möglich. An den Küsten weht mitunter ein
kräftiger Westwind, warnwürdige Böen sollten aber nicht auftreten, selbst an der
Nordsee, wo der Wind auflandig daherkommt. Im Süden lässt der Wind mit
Druckanstieg allmählich nach, die Böen in den Hochlagen schwächen sich
entsprechend ab. Der an der Front fallende Schnee kann allerdings bei einem
weiterhin mäßigen bis frischen Wind lokal verwehen.

In der Nacht auf Freitag greift der ursprünglich von der Biskaya kommende
Langwellentrog weiter nach Südwesten aus, seine Achse erreicht zum Morgen die
Seealpen. Dabei hält der Druck an, vor allem in der Südwesthälfte, und der o.e.
Keil kräftigt sich weiter. Die Schneefälle werden über dem Süden weiter
zurückgedrängt, am längsten schneit es noch in Alpennähe. Dort können nochmal 5
bis 10 cm Neuschnee fallen. Ansonsten gelangt zwischen dem Hochkeil bzw. dem
nunmehr westlich von Frankreich liegenden Hoch und einem Tief über Skandinavien
wieder kalte Meeresluft zu uns. Die 850er Temperaturen gehen bis zum Morgen auf
-7 bis -10°C zurück. Die Niederschläge hören wegen der Kaltluftadvektion aber
meist auf, wenn man von den Schneeschauern absieht, die unter der Trogachse
vorkommen und denen, die sich von der Küsten her etwas landeinwärts ausbreiten.
Lokal ist die Ausbildung einer dünnen Neuschneedecke möglich (bis 3 cm). An den
Küsten legt der Wind etwas zu, er weht an der Nordsee aus Nordwest, an der
Ostsee eher um West und frisch in Böen teils stürmisch auf.

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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag ... und in der Nacht zum Samstag zieht der Trog nach Osten ab, dahinter
steigt der Luftdruck und es setzt sich zunehmend Hochdruckeinfluss durch, was
für den Süden und die Mitte eine deutliche Wetterberuhigung bedeutet.

Der Norden und Osten verbleiben in einer westnordwestlichen Strömung im
Übergangsbereich zu Tiefdruckgebieten über Nordeuropa. Dort ist es teils windig,
mitunter auch stürmisch, und auch Niederschläge sind mit von der Partie, die bis
ins Wochenende überwiegend als Schnee fallen.





Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe recht ähnlich. Unterschiede im Detail sind
zwar zu erkennen (beispielsweise das morgen bei IFS etwas langsamer in der Rinne
von West nach Ost ziehende Tief als bei ICON), warnrelevant sind diese
Unterschiede aber nicht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas