DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-11-2023 18:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.11.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Übergang zu zyklonaler Nordlage: im Tiefland zunächst eher nasskalt, im Bergland
und an den Alpen zunehmend winterlich. Bis Freitag sehr windig, teils stürmisch,
an der Nordsee schwerer Sturm.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
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Aktuell ... vollzieht sich allmählich, aber unaufhaltsam, eine Umstellung der
Großwetterlage von einem eher zonal geprägten zu einem meridionalen Muster,
wobei wir uns klar auf der kalten Seite positionieren. Bedeutet: es wird
deutlich kälter und zumindest im Bergland steht dem ersten nennenswerten
Wintereinbruch wohl nichts mehr im Wege.

Zwischen einem noch recht breit angelegten Langwellentrog mit mehreren
Drehzentren über dem Nordmeer und Nordskandinavien und einem blockierenden
Höhenhoch über dem Ostatlantik mit Keil in Richtung Alpenraum herrscht über
weiten Teilen Europas derzeit noch eher eine zonale Strömung mit leichten
Nordwesteinschlag vor. Da sich über dem Nordatlantik aber ein Rücken weit nach
Norden bis nach Grönland aufwölbt, kann arktische Kaltluft von der Grönlandsee
nach Süden ausbrechen. Der sich dadurch formierende und rasch amplifizierende
Trog schwenkt über dem Nordmeer bis nach Südskandinavien und zur Nordsee und
erfasst mit reichlich Höhenkälte (T500 auf -35) im Laufe der Nacht bereits den
Norden Deutschlands. Im Bodenfeld korrespondiert der Langwellentrog mit mehreren
Tiefs (NIKLAS I-IV), wobei das Teiltief NIKLAS IV über dem Baltikum das
dominierende und für uns relevanteste ist. Die Kaltfront von NIKLAS IV hat den
Norden Deutschlands bereits erreicht und schwenkt unter leichter Wellenbildung
über die Mitte in den Süden. Dahinter strömt mit Winddrehung auf West bis
Nordwest niedertroposphärisch maritim erwärmte Polarluft ein (T850 um -5 Grad).

Die Kaltfront bringt von Nord nach Süden zeitweise Regen, der auch mal mäßig und
schauerartig verstärkt ausfallen kann, aber selten mehr als 10 mm bringt.
Postfrontal folgen der Kaltfront in der zunehmend labilisierten Luft Schauer,
eventuell reicht es morgens in Küstennähe für ein erstes, kurzes Gewitter. Die
Schneefallgrenze sinkt in den Schauern auf 600 bis 400 m ab, in kräftigen
Schauern ist Schneeregen oder Graupel bis in tiefere Lagen möglich. Die
Luftmasse ist allerdings gut durchmischt, die Frostgrenze liegt meist oberhalb
von 600 m, zumindest dort ist Glätte durch etwas Schneematsch oder Überfrieren
möglich. Im Süden bleibt es zuvor noch länger trocken und vor allem zu den Alpen
hin auch noch klar bei leichtem Frost, örtlich ist mit Nebel und/oder Reifglätte
zu rechnen. Morgens kommen aber auch dort dichte Wolken mit Regen und Milderung
auf, die Schneefallgrenze liegt zunächst noch über 1000 m.

Der Wind, der uns schon tagsüber beschäftigt hat, bleibt auch in der Nacht ein
Thema. Insbesondere präfrontal wird ein substanzieller Gradient
aufrechterhalten, sodass insbesondere über der Mitte und nach Osten zu - auch
mit Unterstützung eines Leitplankeneffektes im Mittelgebirgsvorland - weiterhin
mit steifen bis stürmischen Böen zu rechnen sein wird. Nach Süden zu verliert
sich dieser Effekt, aber auch dort treten im Nachverlauf zunehmend steife Böen
auf. In den Hochlagen gibt es - je nach Höhenlage - schwere Sturmböen bis
Orkanböen. Postfrontal fächert der Gradient vorübergehend etwas auf, sodass der
Wind etwas nachlässt. Vor allem bei Schauern sind aber weiterhin steife Böen
möglich, an der Ostsee bleibt es bei Sturmböen, an der Nordsee bei schweren
Sturmböen.



Freitag ... greift der mit mehreren kurzwelligen Anteilen ausgestattete Trog
unter weiterer Amplifizierung von der Nordsee her auf Mitteleuropa über, sodass
im Tagesverlauf Deutschland vollends von Höhenkaltluft geflutet wird (T500
zwischen -30 und -37 Grad). Die Kaltfront von Tief NIKLAS IV über
Nordwestrussland zieht in der ersten Tageshälfte über die Alpen nach Süden ab,
sodass auch der Süden in den Genuss der maritimen Polarluft kommt (T850 zwischen
-3 und -6 Grad), die hochreichend labilisiert wird.

Nachdem die frontalen Niederschläge nach Süden abgezogen sind, stellt sich
landesweit sehr wechselhaftes Schauerwetter ein, vom Norden bis zur Mitte
gesellen sich einzelne, kurze Graupelgewitter dazu. Die Sonne kann sich
zwischendurch aber auch mal kurz zeigen. Die Schneefallgrenze liegt an den Alpen
anfangs noch bei rund 1000 m, ansonsten im eher maritim geprägten Westen und
Nordwesten bei 600 bis 400 m, nach Osten und Südosten zu bei 400 bis 200 m, in
kräftigen Schauern schneit es dort bis in die tiefsten Lagen. In generell gut
durchmischter Luft dürfte sich die "Liegenbleibgrenze" mit nachhaltiger
Neuschneeakkumulation allerdings eher bei rund 500 m (+/-) befinden. Dort sind
ein paar Zentimeter Neuschnee möglich, in den Nordweststaulagen (Sauerland,
Harz, Erzgebirge etc.) 5 bis 10 cm. In den Lagen darunter wird es allenfalls
vorübergehend mal glatt durch Schneematsch.

An den Alpen kommt eine markante Staulage in Gang, die bis in den Sonntag hinein
anhält. Bis dahin sind in tiefen Lagen 10 bis 20 cm, in höheren Lagen (etwa 800
m) 20 bis 40 cm, in Staulagen bis 60 cm wahrscheinlich. Markante
Schneefallwarnungen werden dadurch notwendig, die teils unwetterartigen Mengen
in Staulagen könnte man mit "Haken" in der markanten Warnung mitführen. In
Hochlagen wird der Schnee durch den böigen Wind zudem noch stark verweht.

Apropos Wind: der lässt uns auch am Freitag noch nicht los. Er frischt durch den
Tagesgang, aber auch durch einen von der Nordsee am Nachmittag hereindriftenden,
markanten Bodentrog aus West bis Nordwest kommend wieder auf. Dabei kommt es
verbreitet zu steifen Böen, bei Schauern sowie in einem Streifen vom Nordwesten
entlang der nördlichen Mittelgebirgsschwelle bis nach Mitteldeutschland häufiger
zu stürmischen Böen. Im Bergland und an der Ostsee treten Sturmböen, an der
Nordsee schwere Sturmböen und exponiert sowie auf Berggipfeln orkanartige Böen
auf. Bei Gewittern kann der stramme Oberwind heruntergemischt werden und
generell Sturmböen bringen, im Nordwesten bei knapp 50 Knoten auf 925 hPa auch
schwere Sturmböen.

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 4 und 8 Grad, im Südwesten lokal
noch mal bis 10 Grad, im höheren Bergland um 0 Grad.

In der Nacht zum Samstag schwenkt die Hauptachse des Troges über die Alpen
südostwärts und nimmt damit zunehmend Einfluss auf den zentralen Mittelmeerraum,
wo in der Folge wieder Unwetter zu erwarten sind. Zwischen dem nunmehr
langgestreckten Trog und dem Rücken vor den Toren Westeuropas stellt sich bei
uns eine Nordströmung der Marke "zyklonal" ein - damit ist die Umstellung der
Großwetterlage vollzogen!

Der erste Schwung Schauer (mit einzelnen Gewittern) zieht sich mit dem o. e.
Bodentrog im Nachtverlauf nach Südosten zurück, der nächste Trog greift in der
zweiten Nachthälfte auf den Nordwesten über und facht die Schauertätigkeit
erneut an. Dazwischen ist es vorübergehend länger trocken und aufgelockert
bewölkt. Mit Ausnahme des Nordwestens und Westens, wo im Vorfeld des zweiten
Bodentroges etwas mildere Luft herangeführt wird und es in tiefen Lagen nass und
frostfrei bleibt, schneit es ansonsten öfter bis in die tiefsten Lagen. Vor
allem in den Staulagen der südlichen und östlichen Mittelgebirge kommen nochmal
5 bis 10 cm Neuschnee dazu, aber auch in tiefen Lagen kann es mal weiß werden.
An den Alpen schneit es ergiebig weiter. Generell ist bei verbreitet leichtem
Frost mit Glätte durch überfrierende Nässe zu rechnen.

Zwischen den beiden Bodentrögen fächert der Gradient deutlicher auf. Folglich
ziehen sich die steifen bis stürmischen Böen im Nachtverlauf nach Südosten
zurück und der auf West drehende Wind lässt nach. In Hochlagen sind anfangs noch
schwere Sturmböen möglich. Später frischt er im Nordseeumfeld mit Drehung auf
Nordwest bis Nord wieder auf mit stürmischen Böen und Sturmböen.


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Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag ... und in der Nacht zum Sonntag gibt es keine signifikanten Änderungen
zur Frühübersicht. Die zyklonale Nordlage setzt sich fort und bringt
wechselhaftes Schauerwetter. Die Schauertätigkeit lässt nur zögerlich von Norden
nach. Vor allem in der Osthälfte verstärkt sich die Kaltluftzufuhr, sodass es
auch im Tiefland zunehmend winterlich wird mit etwas Neuschnee. Im Bergland ist
generell mit weiterer Neuschneeauflage und zunehmend mit Verwehungen zu rechnen,
in den Alpen hält der markante Dauerschneefall an. Der südwärts schwenkende
Bodentrog verliert an Kontur, es bleibt aber windig mit gebietsweisen steifen
Böen, im Bergland mit stürmischen Böen und Sturmböen. Nachts wird es verbreitet
frostig und glatt, mit Ausnahme des äußersten Westens.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es lassen sich keine gröberen Modelldiskrepanzen ausmachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser